Freitagabend. Wochenende. Endlich. Ich schaue auf die Uhr. Kurz nach Elf. Ich bin voller Vorfreude. Die Party ist langweilig. Die Musik, die mein Ohr penetrieren möchte, lasse ich gar nicht erst rein. Ich muss nach Hause. Schon fast halb Zwölf. Das schaffe ich. Bin fast da. Columbo wartet in meinem Fernseher!
Ja, ich bin ein Fernsehkind und stolz darauf. Meine Eltern haben alles richtig gemacht und mich zu einem Columbo-Fanboy gemacht. Und obwohl ich alle Folgen auf DVD habe, ziehe ich ihn mir immer noch regelmässig im Free-TV rein. Dann wird das Columbo-Schauen zum Ereignis und ich werde mit ganz viel Nostalgie überschüttet. Zugegeben, ich schlafe regelmässig dabei ein, erwache dann aber immer kurz vor dem Finale wieder.
Als ich zum ersten Mal mit Inspektor Columbo in Berührung kam, war ich verwirrt. Denn schon in den ersten Minuten wurde mir verraten, wer der Mörder oder die Mörderin war. Ich fühlte mich betrogen. Ich hielt das anfangs für eine Sonderfolge. Doch schnell wurde ich vom Elternrat darüber aufgeklärt, dass Columbo nun mal so funktioniere. Aha.
Columbo war kein Haare-Schön-Derrick oder ein Hau-Dir-Aufs-Maul-Matula aus «Ein Fall für Zwei». Columbo war anders, sehr viel anders. Nicht nur die Figur, auch das dramaturgische Grundgerüst war neu. Das klassische Whodunit-Prinzip wurde über Bord geworfen. Es ging nicht darum zu rätseln, wer von den Verdächtigen denn nun der Mörder sein könnte. Nein, der Mörder wurde immer (gut, fast immer, es gibt auch im Columbo-Universum Ausnahmen) in den ersten Minuten präsentiert. Dann wurde quasi der Weg zum Ziel.
Die Faszination hielt also für knapp 90 Minuten an, wie denn nun dieser schrullige Detektiv in diesem Exhibitionisten-Mantel herausfinden würde, wer der Mörder ist. Wobei er schon sehr schnell auf der richtigen Fährte war. Doch nun ging es darum zu beweisen, wie der Verdächtige oder die Verdächtige gemordet hat und vor allem, warum.
Das entspricht auf den ersten Blick jeglicher Spannungslogik und Hardcore-Krimi-Fans beginnen da zu Gähnen. Aber die Art und Weise, wie Columbo mit den Mördern umging und dabei ein raffiniertes Katz-und-Maus-Spiel vollzog, das war genial und für die damalige TV-Landschaft neu.
Columbo kann einem aber schon auf den Sack gehen. Also nicht mir als Zuschauer, sondern den kriminellen Individuen. Die haben immer noch mein vollstes Verständnis, wenn sie die Augen verdrehen und genervt schnauben, wenn der Typ im zerknautschten Mantel (wiedermal) vor ihrer Türe auftaucht. Und im Gepäck hat er immer und immer wieder «nur noch eine Frage». Das nervt! Das ist genial!
Ach, Columbo musste man einfach lieben. Schon nur sein äusseres Erscheinungsbild war grandios. Diese Wuschelfrisur, dieser knittrige Anzug, dieser fleckige Mantel, der tausend Taschen zu haben schien, wo sein Notizbuch regelmässig unauffindbar blieb. Und natürlich immer diese hässliche Zigarre im Mundwinkel. Columbo sah immer so aus, als ob er gerade aus dem Bett gefallen wäre und an einen Tatort zitiert wurde. Nun, das kam tatsächlich öfters vor. Dann musste erstmal ein Kaffee her. Total verständlich.
Sein Äusseres spiegelte sich auch in seinem Auto: Peugeot 403 Cabriolet. Wer in dieses Gefährt einstieg, musste gut versichert sein. Mehrmals hatte der Inspektor damit seine Probleme und baute Unfälle. Aber er konnte sich halt von seinem geliebten fahrbaren Untersatz nie trennen.
Columbo hat Schauspiellegenden hinters Licht geführt, erfolgreiche Schriftsteller hinter Gitter gebracht und Ärzte dingfest gemacht. Psychologen, Chirurgen, Generäle, Musiker, Starköche, Architekten, Regisseure, es gibt kaum eine gut betuchte Berufsgattung, wo er nicht mindestens einen Vertreter oder eine Vertreterin davon ins Gefängnis brachte.
Columbo wurde nie sauer oder ausfallend. Bis auf einmal. Als Leonard Nimoy (genau, Mr. Spock!) einen Chirurgen spielte und ihn auslachte. Mit voller Wucht schmettert dann Columbo einen schweren Gegenstand auf den Bürotisch des selbstverliebten Halbgottes in Weiss und sagt dem mal ordentlich seine Meinung. Wow! Legendär! Le-gen-där!
In den knapp 70 Folgen, die zwischen 1968 und 2003 ausgestrahlt wurden, hatte seine Frau Mrs. Columbo immer wieder ihre Auftritte. Sie war zwar nie physisch anwesend oder sichtbar, aber doch präsent. Columbo telefonierte viel mit seiner Liebsten und erzählte den Verdächtigen auch regelmässig von seinem Leben mit ihr. Natürlich schloss man sie als Zuschauer ebenfalls in sein Herz.
Columbo, der seinen Hund in der Serie einfach nur «Hund» nennt, hiess übrigens mit Vornamen Frank. Das wurde zwar nie in der Serie oder in einem Skript erwähnt. Doch in zwei Folgen sieht man diesen Vornamen auf seinem Polizeiausweis stehen. Wenn man denn genau hinsieht und mit der Nasenspitze fast den Bildschirm berührt.
Ja, Columbo wurde zu meinem regelmässigen Lebensbegleiter. Er ist wie ein guter Freund, den man ab und zu trifft und mit ihm ein paar vergnügliche Stunden erlebt. Und auch wenn ich jede einzelne Folge auswendig kann, geniesse ich es immer wieder, diesem verwirrten aber genialen Charakterkopf zuzusehen. Auch wenn ich regelmässig dabei einschlafe.
Columbo läuft regelmässig jeden Freitag, so um 23:30 Uhr auf ORF2.
Wer es täglich braucht: Der Inspektor ermittelt jeden Werktag um 17:25 Uhr auf ZDFneo