Heute ist hier nicht der Wohlfühltag zum Händchen halten. Viele Freunde werde ich mir mit diesem Text wohl auch nicht machen. Es besteht sogar die Gefahr, dass es der Blogbeitrag der grossen Missverständnisse wird. Deshalb muss ich hier zunächst ein wichtiges Statement anbringen: Es ist eigentlich egal, welches Spiel ihr spielt. Wenn es euch persönlich gefällt und Spass macht, wenn es eine Gruppe zusammen an einen Tisch bringt und diese Leute bestens unterhält, dann ist das auf jeden Fall eine gute Sache.
Ich habe in meinen Leben Tausende verschiedene Spiele gespielt, in den vergangenen 20 Jahren jährlich wohl 300 bis 400 Neuheiten. Wenn ich gewisse Spiele nie wieder in meinem Leben anfassen werde, dann ist das nicht, weil es schlechte Spiele wären; sondern weil ich persönliche Gründe dafür habe. Für andere Menschen in anderen Lebenssituationen mögen dieselben Spiele trotzdem ganz wundervolle Spiele sein, die wunderprächtige Erlebnisse ermöglichen.
Jeder Mensch ist anders. Mir persönlich sind fünf Grundsätze beim Spielen besonders wichtig:
Ich mag Spiele, bei denen man selber etwas beeinflussen kann und muss oder zumindest das Gefühl hat, das man dies tut. Zufallsfaktoren sind auch wichtig, aber um nur von einem Spielsystem oder den Mitspielern wie ein Sklave fremdgespielt zu werden, ist mir die Zeit zu schade.
Und wenn man schon beeinflussen soll, dann bitte mit etwas Scharfsinn und Verstand. Ich ziehe Spiele, bei denen die Intelligenz hilfreich ist, solchen vor, bei denen auch pure Dummheit zum Sieg führen kann.
Das Spielsystem sollte so ausbalanciert sein, dass am Tisch ungefähr Chancengleichheit herrscht. Unfairness erlebt man im wahren Leben genug. Ich mag keine Spiele mit völlig überpowerten Einzelkarten, die dann erst noch zufällig ins Spiel kommen, oder völlig überpowerten individuellen Fraktions- oder Charakter-Sonderfähigkeiten.
Interaktion ist für mich enorm wichtig. Ich mag Spiele, bei denen man das Gefühl hat, wirklich mit anderen echten Menschen zu spielen und auch mitbekommt, was die Gegner oder Teammitglieder die ganze Zeit tun. Die sogenannten Multiplayer-Solitair-Spiele, bei denen jeder einsam vor sich hin bastelt, sind für mich ziemlich sinnlos.
Ich liebe Innovationen und tolle neue Ideen. Ich mag es lieber, spielerisches Neuland zu betreten und Neues auszuprobieren, als immer wieder dieselben Strategien und Abläufe zu repetieren, die man schon in- und auswendig kennt.
Deshalb werde ich diese 10 Spiele nie wieder in meinem Leben anfassen (ausser vielleicht ich sitze mit Leuten auf einer Insel oder in einer Quarantäne fest, wo nur diese eine Spiele-Schachtel herumliegt).
Es gibt ganz viele Menschen, die an «L.A.M.A.» die emotionalen Berg- und Talfahrten toll finden, die es auslöst. Ist aber ein Spiel, das Emotionen auslöst automatische ein gutes Spiel, nur weil es Emotionen auslöst? Wenn Leute sich mit einem elektronischen Geldspielautomaten beschäftigen, löst das auch Emotionen aus, trotzdem wird niemand behaupten, dass elektronische Geldspielautomaten gute Spiele seien.
Genauso kommt mir L.A.M.A. (abgesehen vom Geld-Faktor) nämlich vor: Das Spiel läuft wie ein Automat. Der Reihe nach spielen die Spieler eine Handkarte aus oder nehmen eine auf. Wenn man an der Reihe ist, hat man vielleicht eine passende Karte oder vielleicht nicht. Falls man eine hat, kann man entscheiden, ob man sie spielt oder unterdrückt. Das ist so wie die Entscheidung, ob man am Geldspielautomaten den Knopf drückt oder nicht. Einen wesentlichen Einfluss auf den Automaten hat man dadurch trotzdem nicht, nur die Illusion darüber. Es gibt Millionen von Menschen, denen sowas im Casino Spass macht, mir nicht.
Von Reiner Knizia für 2 bis 6 Spieler ab 8 Jahren, ca. 20 min; Verlag: Amigo; ca. 12 Franken.
«Catan» ist eines der bedeutendsten Spiele der Welt und hat wohl mehr für die Akzeptanz des Brettspiels als Freizeitbeschäftigung und Kulturgut in der Gesellschaft im letzten und diesem Jahrhundert geleistet als jedes andere Spiel. Es war und bleibt ein Geniestreich, den Klaus Teuber 1995 zur Welt gebracht hat und der mittlerweile schon über 30 Millionen Mal verkauft worden ist. Dem ehemaligen Zahntechnikermeister gelang es, ein Werk abzuliefern, das Jung und Alt gleichermassen anspricht, logisch aufgebaut ist, Taktik und Glück ausgewogen vereint und dessen Thema derart faszinieren kann, dass unauffällige Bürger jahrelang immer wieder aufs Neue in eine fiktive Inselwelt eintauchen, um Landschaften zu besiedeln und mit Rohstoffen zu handeln.
Ich selber werde es wohl trotzdem nie wieder spielen. Denn ich bin inzwischen einfach zu übersättigt vom jahrelangen Würfeln, Jammern, Handeln, und dem «Wer schon früh eine gute Position sichert, dem wird potenziell eher mehr gegeben»-Mechanismus des Spiels, das sich je nach Zusammensetzung der Spielgruppe zeitlich durchaus etwas hinziehen kann. Ich habe es so oft durchgespielt, da mag ich in Zukunft lieber Neues ausprobieren.
Von Klaus Teuber für 3 oder 4 Spieler ab 10 Jahren; ca. 75 min (bis 3 h); Verlag: Kosmos; ca. 40 Franken.
In den Jahren meiner Spielekritiker-Tätigkeit habe ich immer wieder fähige Mit-Testpieler an einen Kult verloren, der sich «Brändi-Dog» nennt. Das Spiel scheint die Gabe zu haben, Menschen zu erleuchten, so dass sie überzeugt davon werden, das intelligenteste und kurzweiligste Spiel der Welt zu spielen und nie, nie mehr irgend etwas anderes spielen wollen. Die Firma «Brändi» lässt Holzversionen in Behindertenwerkstätten herstellen, ist aber nur einer von mehreren Vertreibern des Spiels, das eine Mischung aus Partner-Jass und «Eile mit Weile» ist. Anstatt mit Würfeln zieht man seine Figuren auf dem Spielbrett mit Karten.
Der riesige Erfolg des Spiels in der Schweiz hängt wohl auch damit zusammen, dass Schweizerinnen und Schweizern vieles an diesem Spiel so bekannt vorkommt. Ich habe «Dog» ein paar Mal versucht und dabei festgestellt, dass es eine wahnsinnige Kraft hat, andere Menschen zu fesseln und ihnen eine schöne Zeit zu bescheren, ich selber aber wie bei «Eile mit Weile» schlichtweg nicht zur Zielgruppe gehöre.
Für 2 bis 4 oder 6 Spieler ab 9 Jahren; ca. 30 bis 45 min; verschiedene Hersteller: Brändi, Schmidt Spiele; ab 20 Franken bis über 250 Franken je nach Version
Möchte ich wirklich ein Spiel spielen, bei dem nach minutenlangem Ringen einfach eine einzige zufällig gezogene Karte alles andere wirkungslos macht und völlig willkürlich Sieg und Niederlage verteilt? Vielleicht wenn ich stockbetrunken nachts nach einer Bartour in einer Studenten-WG lande. Die Chance das mir das in meinem Alter passiert, ist aber eher gering. «Frantic» ist nichts anderes, als eine mit vielen absurden Ereigniskarten angereicherte, völlig unberechenbare, aufgemotzte «Uno»- oder «Tschau-Sepp»-Variante, bei der man möglichst schnell seine Karten loswerden muss.
Das Spiel ist unter Teenagern, Jugendlichen und Studenten sehr beliebt. Es lebt von Schadenfreude und Überraschungen. Planung ist unmöglich. Jeder Gedanke an eine sinnvolle Taktik ist verschwendet. Es ist durchaus möglich, dass ich sowas vor 30 Jahren auch lustig gefunden hätte. Ich gönne allen ihren Spass damit, muss aber wirklich nicht mit in der Runde sein.
Von Fabian Engeler, Pascal Frick, Stefan Weisskopf und Pierre Lippuner für 2 bis 8 Spieler ab 12 Jahren; Verlag: Game Factory; ca. 23 Franken.
«Exploding Kittens» ist DAS Paradebeispiel im Spielebereich dafür, wie man mit hochprofessionellem, gezieltem Marketing und mit witzigen Äusserlichkeiten, aber ohne jegliche spielerische Originalität einen Wahnsinns-Erfolg abfeiern kann. An einem Vortrag in Chicago hat Spieledesigner Elan Lee mir und anderen Interessierten minutiös dargelegt, wie der Erfolg kein Zufall war, sondern durch geschickte, intensive und penetrante Marketing-Massnahmen über verschiedenste Social-Media- und andere Kanäle bewusst generiert wurde.
Das Crowdfunding-Projekt in Zusammenarbeit mit der Satire-Seite Oatmeal über die Plattform «Kickstarter» brach 2015 alle Rekorde. Das wesentliche Spielprinzip: Wer ein «Exploding Kitten» vom Kartenstapel zieht, scheidet aus dem Spiel aus. Wer als letzter übrig bleibt, gewinnt. Das ist uralt, auch als «Russisch Roulette» bekannt und schon oft in Spielen verarbeitet worden. Über die lustigen Karten wie Bauchkraulen oder Mitternachtsfürze habe ich einmal kurz gelacht und seither überwiegt die Traurigkeit darüber, dass ein derart flaches Spiel so erfolgreich ist.
Von Matthew Inman, Elan Lee und Shane Small für 2 bis 5 Spieler ab 7 Jahren; ca. 15 min; Verlag: Asmodée; ca. 25 Franken.
Mit dem Spiel «Scythe» verbinden sich mehrere der frustrierendsten Erlebnisse meiner ganzen Brettspiel-Karriere, und ich begreife bis heute nicht, weshalb dieses Spiel auf der ewigen Top-Liste bei Boardgamegeek auf Platz 11 liegt. Das sät doch Zweifel an meinem Sachverstand als Spielekritiker und ist ein klares Zeichen dafür, dass ich diese Tätigkeit nun wirklich an den Nagel hängen muss. Klar, «Scythe» hat ein wunderbares Thema, eine üppige Ausstattung und wahnsinnige Miniaturen. In diesem strategischen Aufbauspiel versuchen fünf Nationen in einem Europa, das an Cyber-Punk und die 1920-er Jahre erinnert, die Kontrolle über den Osten zu übernehmen.
Einerseits sind aber die Sonderfähigkeiten der Nationen derart krass unausbalanciert, dass die einen um Längen höhere Gewinnchancen als die anderen haben. Andererseits geben die Sonderfähigkeiten und die Startpositionen der Nationen auf dem Spielbrett eigentlich auch genau vor, was die einzelnen Spieler in ihren ersten vier bis fünf Zügen zu tun haben. Als Spieler werde ich zum ausführenden Ganggo und Sklaven eines bereits vorprogrammierten Masterplans degradiert. Das finde ich ehrlich gesagt ziemlich blöd.
Von Jamey Stegmayer für 1 bis 5 Spieler ab 14 Jahren; ca. 120 min; Verlag: Feuerland-Spiele; ca. 90 Franken.
Nein, bitte nicht falsch verstehen: «Diplomacy» finde ich nach wie vor grossartig. Hier bestimmt nur das individuelle Verhalten der Spieler, wie sich eine Partie entwickelt. Eine solche dauert mir aber mittlerweile schlichtweg zu lange. Spielt man das Spiel live in einer Gruppe (und nicht per Post) kann sich das über einen ganzen Tag oder noch viel länger hinziehen, da die Runden immer wieder durch Verhandlungsphasen unterbrochen werden, in denen sich die Spielenden in den verschiedensten Zusammensetzungen in Zimmer zurückziehen.
Jeder Spieler übernimmt die Führung einer europäischen Grossmacht am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Auf einer Europakarte, die in 75 Land- und Seegebiete unterteilt ist, ringen die Mächte dann mit Armeen, Flotten und Versorgungszentren um die Vorherrschaft. Entscheidend sind diplomatische Verhandlungen. Es überlebt nur, wer geschickte Bündnisse eingeht. Da zum Schluss nur ein Spieler siegen kann, müssen Bündnisse auch immer wieder gebrochen werden, was harte Anforderungen an die Freundschaften der Spieler im echten Leben stellt. Es wird geblufft und gelogen, dass sich die Balken biegen. Zur Zeit sind nur englischsprachige Ausgaben des Spiels auf dem Markt.
Von Allan B. Calhamer für 3 bis 7 Spieler ab 12 Jahren; viele, viele Stunden oder Tage; Verlag: Avalon Hill/Hasbro; ca. 35 Franken.
«Burgen von Burgund» steht hier nur als Beispiel für eine ganze Kategorie von ähnlichen Spielen. Es handelt sich um Spiele, in denen man über längere Zeit, meist ein bis zwei Stunden lang, schlau denkt und knobelt und tüftelt und überlegt und die Gehirnzellen anstrengt und Strategien entwickelt und Taktiken gegeneinander abwägt und brütet und grübelt und sich das Hirn zermartert und sich den Kopf zerbricht. Und dann am Schluss nach zwei Stunden entscheidet ein einziger zufälliger Würfelwurf, der eine dumme Zahl als Ergebnis hat, über den Sieg. In Zukunft ohne mich, Freunde!
Ach ja, es geht in diesem Aufbauspiel, bei dem Würfel die Aktionsmöglichkeiten vorgeben, darum, dass die Spielenden als Fürsten im Tal der Loire im 15. Jahrhundert ihre Ländereien aufblühen lassen.
Von Stefan Feld für 2 bis 4 Spieler ab 12 Jahren; ca. 90 min; Verlag: Ravensburger/Alea; ca. 40 Franken.
Dass ich medienkonsumtechnisch ganz sicher nicht zum Mainstream gehöre, habe ich neulich wieder einmal bemerkt, als ich mir im Kino den Film «Knives Out» («Mord ist Familiensache») mit Daniel Craig angetan habe. Als ich später feststellte, dass der Film bei imdb eine Bewertung von 8,0 erzielte, hat es mich vor Schreck fast aus den Schuhen gehauen. Denn die künstlich durchkonstruierte Story ist eher eine Beleidigung an die Intelligenz von wachen Zuschauern und bei näherer Betrachtung derart unlogisch, lächerlich und mit Story-Lücken so gross wie Löcher in Donuts gespickt, dass man erbrechen möchte (die wesentlichsten logischen Fehler findet man in Kommentaren auf imdb zusammengefasst).
Ähnlich ist es mir im preisgekrönten Spiel «Detective» ergangen. Das von den Autoren aufgetischte angebliche Geschehen habe ich als völlig hanebüchen und absurd empfunden. Über eine ähnlich lächerliche Story in einem Film oder Roman würde man sich lustig machen (wenn man nicht begeisterter Zuschauer von «Knives Out» ist). Natürlich kann man nun einwenden: «Das ist doch alles nur zur Unterhaltung gedacht, lieber Tom, und nicht ernst gemeint. Reg dich mal wieder ab.» Ich mag es aber nicht, wenn man einerseits logisch und psychologisch kombinieren soll, aber andererseits ständig mit übertriebenen Absurditäten konfrontiert wird, welche diese Anstrengungen eben ad absurdum führen. Zudem ist «Detective» eigentlich ein nicht sehr gesellschaftstaugliches Solitär-Spiel. Der grösste Teil der Spielzeit wird dafür verwendet, in einer Datenbank Akten zu lesen und im Internet zu recherchieren. Die weiteren Fälle dieser Spiele-Serie werden ohne mich stattfinden müssen.
Von Ignacy Trzewiczek, Przemyslaw Rymer und Jakub Lapot für 1 bis 5 Spieler ab 16 Jahren; ein Fall ca. 3 bis 4 Stunden; Verlag: Pegasus; ca. 55 Franken.
Ja, genau. Aufmerksame Blog-Leser werden jetzt denken: «Aha, das musste ja noch kommen.» Ich habe in den letzten 30 Jahren tausende Spiele gespielt, aber auch nie auch nur ein mikro-mü Lust verspürt, eine Partie «Monopoly» zu beginnen. Und das werde ich wohl auch in Zukunft nicht tun, selbst wenn eine Edition «Monopoly Knives Out» herauskommen sollte. Ich wiederhole mich: «Monopoly» hat ein riesiges Frontrunner-Problem, eine Partie dauert viel zu lange dafür, dass die Züge sehr redundant verlaufen und auf die Länge wenig wirkliche eigene Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten bieten. Und dass jede Gruppe nach eigenen abgeänderten Hausregeln spielt, zeugt auch nicht gerade von einem eleganten Regelwerk. Aus meiner eigenen Erfahrung hat das Spiel vielleicht sogar mehr Kinder vom Spielen abgeschreckt als zum Spielen gebracht.
Von Charles Darrow/Elizabeth J. Magie für 2 bis 6 Spieler ab 8 Jahren; bis zu mehreren Stunden; Verlag: Hasbro; ca. 40 Franken.
Ligretto fehlt mir
Zu Scythe:
Mein grösster Kritikpunkt dazu ist, dass das Basisspiel mit nur 5 von 7 Fraktionen erscheint. Zugegeben, nicht ganz ungewöhnlich. Dreist aber, da bei Scythe die Startpositionen der Spieler fix und auf dem Brett vorgedruckt sind. Dreist auch, dass die Erweiterung für zwei Fraktionen nochmals um die 40.- kostet.
Dreist auch, dass es zwar ein modulares Spielbrett gibt, aber das ist (man errät es), wieder eine Erweiterung.
Kosten neben Grundspiel +/-:
Mod. Spielbrett 30.-
Zusatzfraktionen 40.-
Luftschiffe 40.-
Kampagne 70.-
Luxus-Token 30.-
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