Die Ostertage, wir wissen es insgeheim alle, sind eigentlich ja nur dazu da, dass wir über Eier reden können.
Die Symbolik ist ja nun wirklich nicht gerade subtil, da braucht es keinen Freud, um zu wissen: Es geht mal wieder um das Eine. Fruchtbarkeit. Fortpflanzung. Die Freuden unserer Existenz.
Kurz: Es geht um Klöten. Auch Testikel genannt. Oder Hoden. Wahlweise auch Familienjuwelen. Hier nämlich entsteht die eine von zwei nötigen Zutaten für neues Leben. Hier ist der Frühling mit seinen angenehmen Temperaturen zuhause ...
Es gibt einen Grund, warum die Spermien-Fabrik an den Stadtrand ausgelagert wurde und sich nicht – wie ihr weibliches Pendant, die Eierstöcke – im geschützten Stadtkern seiner Produktion widmet.
Die Wohlfühltemperatur von fruchtbaren Spermien liegt nämlich bei ca. 34 bis 35 Grad Celsius. Im Körperinneren, wo 37 Grad herrschen, wäre es ihnen deshalb entschieden zu warm.
Nun hängen die Testikel nicht einfach lose zwischen zwei Männerbeinen, sondern sind hübsch verpackt in einer Hauttasche mit zwei Fächern – für jeden Testikel eins. Dieses Beutelchen nennt sich etwas prosaisch Hodensack, der medizinische Fachbegriff lautet Skrotum.
Seine Funktion ist noch nicht vollständig enträtselt – oh Wunder der Natur! – doch eine besondere Fähigkeit wird ihm ziemlich unbestritten zugeschrieben: Die Temperaturregulation. Er sorgt dafür, dass die Spermien weder eines Hitzetodes sterben, noch erfrieren. Droht ersteres, entspannt sich die dünne Muskelschicht (Tunica dartos) im Hodensack und vergrössert damit die Abstrahlfläche. Wird den Samenfaden zu kalt, zieht er sich zusammen, die Haut wird runzlig und die Oberfläche verkleinert sich.
Und nicht nur das: Im Innern des Skrotums bilden die Hodenarterie und -vene ein Geflecht, das als ausgezeichneter Wärmeaustauscher fungiert.
Was für ein Name. Was für ein Muskel. Medizinisch nennt er sich auch Musculus cremaster ( von. lat./griech. = Aufhänger). Aktiviert wird dieser Wunderknabe, wenn Gefahr droht. Oder das Gegenteil: bei starker sexueller Erregung.
Wenn man nun nämlich die Haut der Oberschenkelinnenseite reizt, zieht sich der betreffende Hoden näher an die Bauchdecke. Quasi Schutzposition und nahender Orgasmus in einem!
Dieser Vorgang nennt sich Kremasterreflex und wird manchmal auch bei ärztlichen Untersuchungen ausgelöst, um die Nervenbahnen in bestimmten Rückenmarksegmenten zu überprüfen.
Die Testikel baumeln nicht von Anfang an an der frischen Luft herum. Beim Menschen wandern sie im fetalen Stadium gemächlich von ihrem Entstehungsort hinter der Niere durch den Leistenkanal in den Hodensack. Im Normalfall ist jener Streifzug mit dem hübschen Namen Descensus testis im siebten Schwangerschaftsmonat, spätestens aber bis zur Geburt des männlichen Babys vollendet.
Auch die Hoden der meisten Säugetier-Männchen liegen bei Geschlechtsreife im dafür bestimmten Hautsäcklein parat; bei gewissen Nagetieren, Hunden und Pferden geschieht dies erst in der Pubertät. Hamster, Spitz- und Fledermäuse, Maulwürfe und Erdferkel erfreuen sich gar eines saisonalen Hodenabstiegs, ihre Testikel sind also nur zur Paarungszeit zu sehen. Und dann gibt es wiederum welche, die so einen Descensus überhaupt nicht nötig haben – deren Hoden verbleiben schön im Körperinneren, wo sie nichtsdestotrotz fruchtbare Spermien produzieren: Dies ist bei Elefanten, Faul-, Schnabel- und Gürteltieren, bei Ameisenbären, Seekühen, Walen und Delfinen der Fall.
Zusammengefasst nennt man jene letztgenannten Tierchen Testiconda. Also diejenigen, die ihre Eier verstecken (von lat. testis = Hoden, condere = verstecken).
Läuft der Hodenabstieg beim Menschen schief, schafft es einer oder gar beide Testikel nicht an ihren Bestimmungsort, liegt eine Lageanomalie vor, auch Hodendystopie genannt (Aberratio testis).
Die Frage ist dann, wo genau der Hoden auf seiner Reise steckengeblieben ist. Der Bauchhoden beispielsweise hat die Wanderung überhaupt nicht angetreten und ist im Bauchraum verharrt – dann spricht man von Hodenhochstand oder Kryptorchismus (griech. kryptos = verborgen).
Der Leistenhoden ist bis in den Leistenkanal gewandert, während der Gleithoden sich durch sanften Druck zwar in den Hodensack verlagern lässt, wo er aber wegen eines zu kurzen Samenstranges nur kurz verweilt, um sich dann sofort wieder in den Leistenkanal zu verkriechen. Der Pendel- oder Wanderhoden wiederum kann zwischen Skrotum und Leistenkanal hin- und her oszillieren, was er besonders gern bei sexueller Erregung, aber auch Kälte oder Stress tut. Dieses Umherziehen ist dann auch überhaupt nicht behandlungsbedürftig – die Besitzer eines solchen reiselustigen Testikels müssen nicht um ihre Fruchtbarkeit bangen.
Kommt der Hoden allerdings ganz von seinem Weg ab, ist von einer Hodenektopie die Rede. Man findet ihn dann im Bereich des Oberschenkels, des Damms, des Penisschafts oder im gegenseitigen Skrotalfach.
Ja, es ist das schönste Wort, das dir heute begegnen wird. Eventuell sogar das schönste überhaupt.
Nur, was bedeutet es wohl?
Bei 85 Prozent der Männer ist der Tiefflieger der linke Hoden. Er baumelt etwas weiter unten, damit er bei Bewegung nicht wie beim Kugelstosspendel ständig Gefahr läuft, in seinen Nachbarstestikel zu krachen.
Im Übrigen ist es auch ganz normal, dass der eine Hoden etwas grösser ist als der andere, gemeinhin handelt es sich dabei um den rechten.
Traurige Hoden sind der poetischste Ausdruck für jenen unerfreulichen Vorgang, der auch unter dem Namen Kavaliersschmerzen, Bräutigamsschmerzen, «blue balls» oder dem Volksmund einfach als Hodenkrampf bekannt ist.
Bezeichnet wird damit das unangenehme Spannungsgefühl, das durchaus in starke Schmerzen im Unterbauch und Hoden ausarten kann, wenn nach sexueller Erregung die befreiende Ejakulation ausbleibt.
Auch eine besonders lang anhaltende Erektion vor dem Samenerguss kann Grund dafür sein, ebenso wie mehrere kurz hintereinander folgende Ejakulationen.
Die «blue balls» verweisen dabei auf die erhöhte Blutkonzentration des Mannes im Zustand sexueller Erregung, der Penis wird steif, die Hoden schwellen an und schimmern dabei bläulich. Die traurigen Hoden wiederum beziehen sich mehr auf den hohen Grad sexueller Frustration, wenn die Samen drin bleiben müssen.
Verliert ein Fötus im Mutterleib seine Hoden vor der 8. Schwangerschaftswoche, wird das Baby mit weiblichen Geschlechtsorganen zur Welt kommen. Verliert er es danach, wird das Baby ein normal entwickeltes männliches Genital haben, allerdings bleibt die Hodenfunktion aus.
Das Fehlen beider Hoden oder deren vollständige Funktionsunfähigkeit nennt man Anorchie.
Ist nur ein Hoden da, spricht man von Monorchie. Und dann gibt es den extrem seltenen Fall der Triorchie – drei Hoden infolge von Verdoppelung einer Hodenanlage.
Hiervon wurden weltweit nur knapp 200 echte Fälle beschrieben. Bei den vermeintlichen dritten Hoden handelte es sich viel häufiger um gut- oder bösartige Tumoren beziehungsweise Zysten nach Verletzungen – so wie im Falle Philipp I. von Hessen:
Wie so oft in der Geschichte dauerte es eine Weile, bis der Mensch es richtig verstanden hatte. Das war bei den Hoden nicht anders.
Für den griechischen Naturphilosophen Alkmaion von Kroton (frühes 5. Jahrhundert v. Chr.) waren die Hoden nichts weiter als eine Art Durchgangsstation für den Samen. Entstehen würde dieser nämlich im Gehirn, jenem Zentralorgan des Körpers, dem Sitz des Bewusstseins und aller Empfindungen, dem Herrn über alle geistige und körperliche Tätigkeit des Menschen. Es war also nur konsequent, dass er auch den männlichen Samen dort verortete. Über die Blutgefässe würde er dann weiter zu den Hoden gelangen, mutmasste er weiter, während Demokrit (ca. 460 v. Chr. – 370 v. Chr.) und wenig später Aristoteles (384 v. Chr. – 322 v. Chr.) das Rückenmark als Samenleiter priesen. Bis ins Mittelalter blieben jene Vorstellungen erhalten, selbst auf Leonardo da Vincis (1452 - 1519) anatomischen Zeichnungen finden sich Verbindungen des Hodens zu Lunge, Rückenmark und Gehirn. Schliesslich beziehe der Samen seine geistige Kraft aus dem Gehirn, die Hoden trügen nur die stoffliche Grundlage für die «niederen Regungen» bei.
Erst an der Schwelle zur Neuzeit begannen verschiedene humanistische Ärzte, an der Lehrmeinung der «antiken Autoritäten» zu zweifeln, und überprüften durch eigene Wahrnehmung – der «Aut-opsie» – die vorliegenden Befunde.
So wurden auch die Vorstellungen vom männlichen Samen allmählich entmystifiziert – selbst wenn er noch bis ins 19. Jahrhundert als einzig aktiver Part im Befruchtungsszenario auftrat.
Die erste moderne Beschreibung des Aufbaus des Hodens stammt vom niederländischen Arzt und Anatomen Reinier de Graaf (1641–1673), der übrigens auch der Entdecker der Ovarialfollikel im Eierstock ist, wobei der Tertiärfollikel als Graaf-Follikel auch heute noch nach ihm benannt ist.
(rof)