Vergiss Halloween und Co. – 9 Festtage aus aller Welt, die wir sofort übernehmen sollten
Halloween, Black Friday, Oktoberfest – wir eignen uns immer mal wieder gerne Feste und Bräuche aus anderen Kulturkreisen an. Dabei sind dies nicht mal die besten.
Man kann davon halten, was man will. Einige schreien lauthals «CULTURAL APPROPRIATION!», andere wiederum geben sich genüsslich dem Reiz «neuer» Traditionen hin und spüren am St. Patrick's Day auch gerne mal den Iren in sich. Fakt ist, dass es unweigerlich geschieht.
Für alle, die (wie Food-Cars-Yeah-Baroni) den Sinn hinter dem Oktoberfest am Zürcher Hauptbahnhof nicht verstehen können, haben wir neue Vorschläge zusammengetragen. Traditionen, die vielleicht etwas cooler wären, wenn wir sie hier in der Schweiz hätten. Oder eben genau nicht? Entscheide selbst.
Wieso? Wieso nicht? Dem Bier einen eigenen Feiertag zugestehen scheint eine gute Idee zu sein (Prohibition hin oder her), kommt es doch in jeglichen Farben und Geschmäckern vor. Wie das Oktoberfest – einfach ohne zweifelhafte Musik und mit mehr Bierauswahl.
Insbesondere in Zeiten des Craft Beer wäre das Fest ein wichtiges Bekenntnis zur Vielfalt 😉.Bild: unsplash
Was?Der Ursprung des Feiertags ist nicht ganz geklärt. Der Eisenbahnbau war bei der Entstehung vermutlich aber zentral. Eine Version besagt, dass sich die hart arbeitenden Eisenbahner diesen einen Tag unisono als Erholung gönnten. Die andere Version deutet darauf hin, dass chinesischen «Sklaven»-Bahnarbeitern nach der Fertigstellung der Eisenbahnlinie die Freiheit und die Möglichkeit einer Rückkehr nach Hongkong geschenkt wurde, sie jedoch lieber gemeinsam am Adelaide River ein Picknick veranstalteten.
Aufnahme vom Picnic Day 1937 in Pine Creek.Bild: Wikipedia
Wie? Der Montag wird den Arbeitstätigen zwecks eines langen Wochenendes geschenkt. Viele Australierinnen und Australier verbringen den Tag dabei mit Freunden in der Natur oder gönnen sich einen verlängerten Wochenendtrip.
Wieso? Auch wenn nicht unbedingt körperlich, so sind Schweizer tendenziell als arbeitstüchtiges Volk einzuschätzen. Vielleicht würde ein Tag, der nichts als der Erholung gewidmet ist, da nicht schaden.
Grund? Erster Montag im August. Passt.Bild: unsplash
Nyepi – Einfach mal die Schnauze halten
Wo? Bali, Indonesien
Wann? Am ersten Tag eines neuen Jahres nach dem traditionellen balinesischen Mondphasen-Kalender Saka
Wie? Das Ritual beginnt drei Tage vor dem Nyepi, wenn alle heiligen Statuen gereinigt werden (Melasti). Am Tag vor Nyepi (Tawur Kesanga) ziehen bunte Umzüge durch die Hauptstrassen aller Dörfer, die die bösen Geister vertreiben sollen. Darauf folgt dann der Nyepi, was von 6 Uhr morgens bis um 6 Uhr morgens des folgenden Tages dauert. Am Tag des Nyepi gelten vier Regeln: absolute Stille, die Häuser dürfen nicht verlassen werden, es darf nicht gearbeitet werden und kein Licht darf entfacht werden. Am Tag nach Nyepi (Ngembak Geni) besucht man seine Nächsten und bittet um Vergebung, um lastfrei ins neue Jahr starten zu können.
Beispiel eines Umzugs am Tawur Kesanga.Bild: flickr
Wieso? Klar, die religiöse Komponente kann aussen vor gelassen werden. Doch die Idee, ganz ruhig und für sich in ein neues Jahr zu starten, klingt reizend. Und wenn das neue Jahr durch Entledigung aller moralischer Hypothek sozusagen als tabula rasa beginnt, ist das doch eigentlich umso besser. Der Stress mit dem Neujahrskuss fällt immerhin schon mal weg ...
... und der Himmel liesse sich auch sehen, so ganz ohne Feuerwerke:
Aufnahme des Nachthimmels an einem Nyepi Day.Bild: shutterstock
Takanakuy – Sich für den Frieden prügeln
Wo? Provinz Chumbivilcas und Provinz Cotabambas, Peru
Wann? Weihnachten
Was? Die nicht unumstrittene Tradition ist in der Region um Cuzco relativ weit verbreitet. Es handelt sich dabei um Festlichkeiten, die unter anderem organisierte Schlägereien beinhalten, was jegliche soziale Unstimmigkeiten zwischen Dorfbewohnern bereinigen soll, um das Weihnachtsfest in Frieden feiern zu können.
Wie? Unter Gesängen, Musik und Tanz stehen sich immer zwei Männer, Frauen oder auch Kinder in einem Kreis von Zuschauern gegenüber. Und dann prügeln sie sich. Meist handelt es sich dabei um zwei Kontrahenten, die sich im Laufe des Jahres zerstritten haben. Ein Schiedsrichter schaut, dass die Kämpfe nicht ausarten. Am Ende des Kampfes folgt dann ein versöhnlicher Handschlag und gemeinsames Trinken, der Zwist gilt somit als beendet.
Hier eine lohnenswerte Reportage über diese peruanische Tradition:
Wieso? Die Faust im Sack machen, das ist Schweizer Tradition. Wieso nicht einfach ab und an kontrollierte Frustsprengungen vornehmen? In abgeschwächter Form könnte man sich auch einfach einen Tag des verbalen Schlagabtauschs ohne Konsequenzen vorstellen. Und wer nicht will, der muss nicht.
La Tomatina – Essensschlacht in der ganzen Stadt
Wo? Buñol, Spanien
Wann? Am letzten Mittwoch im August
Was? Das mittlerweile weltbekannte Fest, bei dem sich ein ganzes Dorf gegenseitig mit Tomaten beschmeisst, findet seit den 1940er-Jahren statt und hat weder einen nachweisbaren politischen noch einen religiösen Hintergrund. Wie es zustande kam, ist umstritten und kann nicht geklärt werden.
La Tomatina in voller Aktion, hier im Jahr 1996.Bild: AP
Wie? Zwischen 11 und 12 Uhr an besagtem Mittwoch bewerfen sich alle Anwesenden genau eine Stunde lang mit Tomaten. Damit dabei auch ganz sicher niemand zu Schaden kommt, werden alle Beteiligten dazu angehalten, die Tomaten vor dem Wurf in der Hand zu zerdrücken. Das Fest birgt auch eine soziale Komponente: Der Ehrenkodex besagt, dass alle Beteiligten nach 12 Uhr gemeinsam die Stadt säubern. Zudem ist es Tomaten-Lieferanten nur gestattet, überreife Tomaten anzuliefern. Die Säure der Tomaten soll zusätzlich die Strassen säubern.
Wieso? Gemeinsam Spass haben, mal wieder das innere Kind rauslassen und dann gemeinsam die Sauerei putzen – gibt definitiv Schlimmeres. Zum Beispiel grünes Bier am St. Patrick's Day trinken.
Bild: AP
Jarramplas Festival – «Räbeliechtli gone loco»
Wo? Piornal, Spanien
Wann? 19. & 20. Januar
Was? Jarramplas ist der Name des Fests und aber auch Name des Protagonisten. Obwohl auch hier die Herkunft des Brauches nicht genau geklärt ist, handelt es sich bei Jarramplas vermutlich um eine dämonisierte Figur, die das Vieh des Dorfes gestohlen und getötet haben soll und deshalb bestraft werden muss.
Der Jarramplas-Darsteller 2019 macht sich für den nicht ganz ungefährlichen Umzug bereit.Bild: AP
Wie? In einem zweitägigen, rituell übersättigten Fest geht es darum, Jarramplas angemessen zu bestrafen. Dafür wird einer der Dorfbewohner dazu erkoren, in die pompöse Jarramplas-Rüstung zu schlüpfen (eine grosse Ehre) und trommelnd durchs Dorf zu gehen, solange er kann, während er von den Dorfbewohnern durchgehend mit Steckrüben beworfen wird. Dabei steht Jarramplas beim partizipierenden Publikum eigentlich für alles, was sie verabscheuen, und dient so einer kathartischen Sündenbock-Anprangerung.
Wieso? Im Umgang mit Steckrüben sind wir, Räbeliechtli sei Dank, ja schon geübt. Und eine solch kontrollierte Form des Frust-Abbaus ist schlicht zu verlockend, als dass wir ihr als Steckrübenvolk widerstehen könnten.
Räbeliechtli in der Erwachsenen-Version.Bild: AP
Mummering – Halloween, aber in cool
Wo? Neufundland, aber auch in Teilen Irlands und Grossbritanniens
Wann? In der Weihnachtszeit
Was? Ein Brauch, der aus Grossbritannien stammt und von britischen Seglern nach Neufundland gebracht wurde. Insbesondere im 19. Jahrhundert erfreute sich Mummering (auch Jennying oder Jannying genannt) grosser Beliebtheit. Nach und nach verlor die Tradition an Relevanz, ehe sie gegen Ende des 20. Jahrhunderts wieder entdeckt wurde.
Wie? Freunde schliessen sich in kleinen Gruppen zusammen und verkleiden sich, so gut sie können. Je skurriler und unerkennbarer, desto besser. Sie ziehen durch das Dorf und klingeln bei Freunden und Bekannten. Ziel der Gastgeber ist es, herauszufinden, wer hinter der Verkleidung steckt. Die Verkleideten tun alles, um unerkannt zu bleiben, verstellen die Stimme, spielen Rollen, singen und tanzen. Wenn sie dann doch erkannt werden, wird ihnen Speis und Trank angeboten, man unterhält sich und zieht dann weiter.
Wieso? Weil es eigentlich Halloween minus Süssigkeiten-Ekstase, minus «Sexy Krankenschwester»-Kostüm, plus gemütliche Runde mit Freunden ist.
Kanamara Matsuri – Ein Fest für den Penis
Wo? Kawasaki, Japan
Wann? Am ersten Sonntag im April
Was? Alles gründet in der Legende, dass sich ein verliebter Dämon in der Vagina einer jungen Frau versteckte, wo er in der Hochzeitsnacht jeweils die Penisse der Bräutigame abbiss. Daraufhin beschaffte sich die Frau einen eisernen Penis beim Schmied, was die Zähne des Dämons brechen liess – der Fluch war vorüber. Der Penis erhielt seinen Schrein, dessen Anbetung Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten gewähren und ein harmonisches Eheleben ermöglichen soll. Seit 1969 wird dieser Legende mittels Penis-Fest gehuldigt.
Bild: EPA
Wie? An diesem Tag ist alles einfach ziemlich Phallus-förmig. Grosse Penis-Skulpturen werden zur Schau gestellt, aber auch Kleinigkeiten wie beispielsweise Süssigkeiten sind in der Form eines Penis gehalten. Das Fest dient heutzutage vor allem der Förderung von Spendengeldern für Anti-AIDS-Kampagnen und der Prävention für sexuell übertragbare Krankheiten.
Wieso? Weil wir viel zu verklemmt sind. Natürlich kann aus dem Penis-Fest auch ein Penis-und-Vagina-Fest werden, Hauptsache, die ganze Geschlechter-Tabuisierung wird (zumindest für einen Tag) ein wenig aufgeweicht. Und für die, denen das zu anstössig ist: Niemand muss mitmachen und letztlich geht es um einen guten Zweck.
Auch eine Süssigkeit, die man am Penis-Festival antrifft.Bild: flickr
Songkran – Das einzige Fest, das wir alle wollen
Wo? Thailand
Wann? Vom 13.–15. April
Was? Auch hier handelt es sich, ähnlich wie bei Punkt 3 (Nyepi) um ein religiöses Reinigungsritual. Obwohl es sich um ein Neujahrsfest handelt, wird die Monatszählung nicht wieder auf eins gestellt. Denn dies geschieht im thailändischen Mondkalender je nach Mondphase bereits Ende November oder anfangs Dezember (Loi Krathong).
Die rituelle Säuberung der Älteren durch die Jüngeren.Bild: Lee Craker
Wie? In erster Linie werden die Häuser, Tempel und Buddha-Statuen gründlich gereinigt – quasi ein vollumfänglicher Frühjahrsputz. Dies beinhaltet aber auch (neben der traditionellen Auslegung, bei der die Hände älterer Menschen gewaschen werden) ausschweifende Wasserschlachten in der ganzen Stadt oder dem ganzen Dorf.
Wieso? Weil Wasserschlachten nie verkehrt sind. Wenn sie dazu noch in Verbindung mit dem Druck, endlich mal die Wohnung zu putzen, steht und der symbolischen Reinigung des Geistes dient, kann sich da doch kaum jemand dagegen aussprechen. Oder?
Die modernere Variante, hier ein Bild aus Bangkok.Bild: EPA
Auch in Sachen Sex allgemein läuft es vielerorts ganz anders ...
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Die beliebtesten Kommentare
Third_Lanark
08.10.2019 21:33registriert Juli 2016
Zu5 (Tomatenschlacht): In Zeiten des "Foodwasting" sicher eine fantastische Idee...
Zu Nr. 1: Ich weiss zwar nicht wie krass da die Isländer feiern und wie vielfältig ihre Bierkultur ist, aber in der Schweiz gibt es auch den Tag des Bieres. Verschiedenste Brauereien haben dann auch spezielle Events. Als Bierfan feiere ich diesen Tag schon lange. (Letzter Freitag im April)
Mummering: warum der Vergleich mit Halloween, wenn es doch die einheimische Fasnacht gibt? Tatsächlich ist Fasnacht nicht überall einfach nur Saufen, wie das Vorurteil oft lautet. Bei uns im Dorf ist es Usus, auch in Gruppen, verkleidet, Bekannte zu besuchen. Man bekommt meist Trinken und etwas zu essen, und versucht ebenfalls, den/die Verkleideten zu erkennen - bzw. als Verkleideter, nicht erkannt zu werden mittels Stimme verstellen. Ergibt oft richtig gemütliche Abende!
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