Gleich zu Anfang mein Lieblings-Hipster-Witz:
Und was ich ebenfalls gleich zu Anfang gerne noch klären möchte:
Nein, ich habe keine Gesichtsbehaarung.
Nun zum Artikel!
Wie wurden (und werden) doch die Hipster belächelt! In der Schweiz. In den Metropolen Europas. Eigentlich überall auf der Welt. Wo sich bärtige Skinny-Jeans-Träger breitmachen, ernten sie Spott und Hohn.
Ha! Sie verdienen ja nichts anderes als Häme! Das sind doch allesamt verwöhnte Söhnchen und Töchterchen, die dem Irrglauben verfallen sind, die Welt habe einzig auf ihr Genie gewartet (ob sich Letzteres nun auf ein Mode-Blog bezieht, auf eine Pop-up-Kaffeebar oder eine Synth-Pop-Meets-Crunk-Band)!
Ein interessantes Phänomen ist dabei, dass sich Hipster ungern als solche bezeichnen, obwohl man sie in freier Wildbahn gewöhnlicherweise mühelos als solche identifizieren kann. Hipster sind immer die anderen.
Das gab es schon mal. In den Achtzigern breitete sich eine damals neuartige Kreatur namens Yuppie (Young Urban Professional) aus. Ach, wie nervten diese föhnfrisierten, Lacoste-Pulli-über-die-Schultern-gebundenen Golf-GTI-Cabrio-Fahrer! Und auch sie stritten ab, Yuppies zu sein.
Hätten sie aber nicht müssen, denn ihnen haben wir einiges zu verdanken. Aceto Balsamico und Olio Extra Vergine etwa. Vor 1985 waren das erlesene Spezialitätenprodukte, die es nur in den teuersten Delikatessenläden zu erstehen gab. Dank der Yuppies und ihrem snobistischen Konsumverhalten hielt eine solide Auswahl an Salatcondimenten aus Modena Einzug in die Regale der Grossverteiler.
Deshalb: Wenn ihr das nächste Mal über Hipster schnödet, bedenkt doch bitte, dass wir ihnen einige im Alltag eindeutig spürbare Verbesserungen zu verdanken haben. Zum Beispiel:
Auch wenn die Fixies oder die Retro-Bikes nicht jedermanns Sache sind: Hübscher als die aufgeregten neonfarbenen Designs der Mountainbikes sind sie allemal.
Pale Ale. India Pale Ale. Porterhouse. Vor einigen Jahren verstand man darunter Bahnhof. Heute gibt es Brewdog Punk IPA aus Schottland oder Bad Attitude Kurt Ale aus dem Tessin beim Coop.
Moment, gleich geht's weiter mit den tollen Hipster-Dingen, doch vorher ein kleiner Hinweis:
Und nun weiter im Hipsticle :)
Okay, bisher konnte mich niemand überzeugen, dass kale (um ihn beim trendigen englischen Namen zu nennen) sich ausgerechnet als Hauptzutat für Smoothies eignen soll. Und auch nicht getrocknet als Chips. Aber Federkohl an sich ist ein grossartiges Gemüse! Roh als Salat (wobei man es zuerst mit Zitronensaft oder Essig ein wenig fermentieren lässt) oder knackig blanchiert und mit etwas Knoblauch und Chili angebraten – kale is killer!
Früher gab es entweder Fastfood-Burger oder überteuerte Menus in Restaurants, die einem grauenhaften Hurra-USA-Route-66-Kitsch fröhnten. Die Qualität des Fleisches in Burgern war mitunter Nebensache. Heute wird man gar gefragt, wie sehr durchgebraten man seinen Burger haben will! Ein Triumph! Und spannendere Variationen bekommt man auch. Ach ja, das hier natürlich auch:
Ob trendy oder nicht – superfein ist's allemal.
Ausser in ganz wenigen, eher obskuren, italienischen Arbeiterknellen gab es vor nicht allzu langer Zeit hierzulande ausschliesslich miserablen Espresso. Und heute? Siehe da: Der Typ mit dem albernen Schnauz und den Hosenträgern hinter dem Tresen macht dir einen perfekten Espresso. Und immer öfter auch ohne Kaffeerähmli (den man früher immer demonstrativ zurückreichen musste).
Du willst bei den Frauen gut ankommen? Dann bist du von Vorteil ein blendend aussehender Typ mit einem sympathischen Lächeln, einer wohlgeformten Kinnpartie und dergleichen. Oder: Du lässt dir einen Vollbart wachsen.
Hinter dieser Zierde viriler Schönheit wird so manches fliehendes Kinn verborgen, versteckt sich manch langweiliges Gesicht. Aber sie wird es nie erfahren! Chancengleichheit, Leute!
Man muss kein mega Fan von Quinoa sein, um zu merken, dass die vegetarische Option auf der Mittagskarte sich längst nicht mehr auf Vegi-Burger oder Tomatenspaghetti beschränkt. Und ja – auch Karnivoren sind dankbar, wenn sie auf die (oftmals tendenziell fantasieloseren) Fleischgerichte nicht gerade Lust haben.
«Wo der Puls von Brooklyn spürbar ist» ... Ewww. Das ist natürlich eine Anbiederung sondergleichen – aber auch ein eindeutiges Indiz dafür, aus welcher Ecke der Einfluss stammt. «Industriecharme», «Vintage», minimalistische Wohnungseinrichtungen, die den knappen urbanen Space gekonnt ausnutzen? Dank Lookbooks und Living-Blogs weiss jeder, wie's geht. Das haben auch die grossen Möbelhäuser längst gecheckt.
Schaut euch mal im Büro um: Je mehr hipsterige Mitarbeiter, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass die Firma ein Gemüse/Früchtekorb-Abo hat. Meistens sogar bio.
Tätowierungen. Früher war das was für Rock'n'Roller, Skinheads oder Matrosen ... Für Leute, die sich ausserhalb des Mainstreams bewegten (oder zumindest glaubten, das zu tun). Später kamen die Tribals dazu, die Schlampenstempel und die Fussballer-Tattoos. Somit war das «Schweizer Illustrierte»-Publikum bedient, doch der Asi-Dünkel blieb. Wohl erst dank der Hipster wurde es möglich, dass man bei einem Job-Interview seine Tattoos nicht mehr verstecken muss.
Das sind Sparky Phillips und Duncan James. Und nein, das sind keine Hipster, sondern Herren in den besten Jahren, die schon vor Dekaden abseits des Mainstreams agierten. Aber immerhin hat die Hipsterisierung unserer Gesellschaft dazu beigetragen, dass diese Tatsache (und deren Aufmachung) keinen Anlass für schiefe Blicke gibt. Gut so!
So. Jetzt aber noch das: Auf eine Sache können wir alle endgültig verzichten. Jap, ihr wisst, was nun kommt:
Hört. Auf. Damit.