Die Bäuerinnen und Bauern sind am Mittwoch nicht mit Kühen und Traktoren nach Bern gekommen, sondern mit einer gelben Schautafel. Darauf markiert ein roter Pfeil die Bundesausgaben, die zwischen 2003 und 2024 massiv gestiegen sind. Ein grüner Pfeil zeigt den Anteil der Landwirtschaftsausgaben am gesamten Bundeshaushalt im selben Zeitraum: Er ist von 7,4 auf 4,7 Prozent gesunken.
Die Botschaft ist klar: Die Bauern haben in den letzten zwanzig Jahren Mass gehalten. Sparmassnahmen sind deshalb ungerecht bei der Landwirtschaft.
Bauernpräsident und Mitte-Nationalrat Markus Ritter kündigt es unverblümt an: «Wir bekämpfen alle Sparübungen, die uns betreffen.» Nominal seien die Ausgaben für die Landwirtschaft seit zwanzig Jahren stabil geblieben. Kaufkraftbereinigt hätten Bäuerinnen und Bauern in dieser Zeit aber 13 Prozent verloren. Ritter: «Irgendwann ist das Mass voll.»
490 Millionen Franken soll die Landwirtschaft in den nächsten Jahren sparen – und zwar auf drei Ebenen:
Mit ihrem Lobbying haben Bäuerinnen und Bauern bereits einen ersten Erfolg verbucht – beim Zahlungsrahmen. Die Finanzkommission des Nationalrats will der dafür zuständigen Wirtschaftskommission WAK empfehlen, den Zahlungsrahmen so aufzustocken, dass er wieder im Rahmen von 2022 bis 2025 ist. Damit gäbe es keine Einbusse.
Das Beispiel der Bauern zeigt: Die Sparbemühungen des Bundes ziehen sich äusserst zähflüssig dahin. Dafür ist auch das Parlament als Ganzes verantwortlich. Es foutierte sich in der Herbstsession um Ausgabenbeschränkungen. Gleich in vier Bereichen erhöhte es die vom Bundesrat vorgesehenen Ausgaben. Das zeigt eine Zusammenstellung der Finanzverwaltung.
So beschloss das Parlament, den Zahlungsrahmen der Armee für die Jahre 2025 bis 2028 um vier Milliarden Franken anzuheben – von 25,8 auf 29,8 Milliarden Franken. Erhöhungen gab es auch bei den Programmvereinbarungen im Umweltbereich (2025 bis 2028): Das Parlament weitete den Verpflichtungskredit um 70 Millionen aus – für den Wald.
Für die Förderung von Bildung, Forschung und Innovation (2025 bis 2028) bewilligten National- und Ständerat zusätzliche 59 Millionen. Und bei der Kulturbotschaft (2025 bis 2028) hob das Parlament den Zahlungsrahmen um zwei Millionen an.
Interessant ist: Der Ständerat kippte sogar einen eigenen Sparentscheid. In der Sommersession wollte er den Zahlungsrahmen für die Armee mit Kürzungen bei der Internationalen Zusammenarbeit (IZA) aufstocken. In der Herbstsession kam er aber darauf zurück. Zwar will der Ständerat der Armee nach wie vor mehr Geld geben – aber nicht mehr auf Kosten der Entwicklungshilfe.
Das Hin und Her legt den Scheinwerfer auf den zentralen Konflikt bei der Spardebatte: Die Bürgerlichen wollen zwar mehr Geld für die Armee wegen der veränderten internationalen Bedrohungslage.
SVP und weite Teile der FDP sind aber nicht bereit, die Mehrausgaben durch Mehreinnahmen zu decken. Sie drängen auf Sparübungen vor allem bei der Entwicklungshilfe. Diese hat für die Jahre 2025 bis 2028 einen Zahlungsrahmen von 11,27 Milliarden Franken.
SVP-Nationalrat und Finanzspezialist Lars Guggisberg sagt es ohne Umschweife: «Das zusätzliche Geld für die Armee muss mit Sparen kompensiert werden. Unsere oberste Maxime ist es, die Schuldenbremse einzuhalten. Das ist sakrosankt.» Guggisberg sagt auch, wo die SVP als grösste Partei sparen will: «Die SVP will das ständige Ausgabenwachstum stoppen und vor allem im Asylbereich, bei der Entwicklungshilfe und beim Personal nicht immer mehr Geld ausgeben.»
Damit kann die SP nicht leben. «Wir sind nicht bereit, absurd hohe Rüstungsausgaben zu akzeptieren auf Kosten der globalen Krisen- und Armutsbekämpfung, der Kita-Förderung oder auf Kosten wichtiger Aufgaben des Bundes, wie zum Beispiel Grenzschutz und Zoll», sagt SP-Co-Präsident Cédric Wermuth. «Eine Aufrüstung ausgerechnet auf Kosten der Ärmsten auf dieser Welt werden wir bekämpfen.»
Sollte es doch so weit kommen, droht Wermuth mit einem weitgehenden Schritt: «Wir schliessen nicht aus, ein verunglücktes Budget im Dezember abzulehnen.»
Die SVP erhebt ähnliche Drohungen. «Wir lassen uns alle Optionen offen», sagt Lars Guggisberg. «Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass wir das Budget ablehnen, sollten unsere Anträge keine Mehrheiten finden.»
Eine unheilige Allianz könnte damit im Dezember zu einem Notbudget führen. «Die Gefahr, dass es dazu kommen könnte, ist effektiv vorhanden», sagt Mitte-Nationalrat Markus Ritter. «Wir suchen einen riesigen Betrag im Budget. Die ganze linke Seite will überhaupt nicht sparen. Und erfahrungsgemäss wird die rechte Seite sehr unzufrieden sein damit, dass zu wenig gespart wird.»
Grüne, SP und SVP haben im Nationalrat mit 131 Stimmen eine klare Mehrheit; Mitte, GLP und FDP kommen nur auf 69 Stimmen. Selbst ohne Grüne (23 Stimmen) kämen SP und SVP im Nationalrat mit 108 Stimmen auf eine Mehrheit.
Zu einem Notbudget kommt es, wenn ein Rat das Budget in der Gesamtabstimmung zweimal ablehnt. Seit 1872 geschah das siebenmal. Auch 2016 wäre es fast so weit gekommen.
In einem solchen Fall muss das Parlament noch im Dezember ein Übergangsbudget beraten für das erste Quartal 2025, wie die Finanzverwaltung sagt. Zusammengestellt wird es ad hoc durch den Bundesrat. Ohne Bundesbeschluss ist die Verwaltung handlungsunfähig. Das normale Budget würde im März 2025 beraten. Weitergehende Regeln für einen solchen Fall gibt es nicht. 2017 scheiterte ein Versuch, solche einzuführen.
Das Beispiel von 2023 zeigt, dass ein Notbudget ein durchaus ernsthaftes Szenario ist. Das Budget ging in der ersten Gesamtabstimmung des Nationalrats nur hauchdünn durch – mit 79 Ja zu 75 Nein bei 40 Enthaltungen. Markus Ritter, der damals für die Mitte verantwortlich war für das Geschäft, blickt nur ungern darauf zurück: «Ich bin um fünf Jahre gealtert und hatte fast einen Herzinfarkt.» (aargauerzeitung.ch/lyn)
Dies führt zu Stillstand, nicht Weiterentwicklung der Schweiz. Anscheinend so gewollt.
Dann ist man verwundert über die Politikverdrossenheit der Bevölkerung.