Es ist erst zehn Jahre her, da bewegten sich die Schweizer Fussballerinnen mit Spanien auf Augenhöhe – mindestens. An der WM 2015 stand die Schweiz in den Achtelfinals, Spanien schied in der Vorrunde aus. In der gleichen Saison schieden die FC Zürich Frauen in der Champions League in der Runde der letzten 16 aus. Genau wie das Frauenteam des FC Barcelona.
Doch danach trennten sich die Wege. Die Schweizer Nati war in den letzten vier Duellen gegen Spanien chancenlos (2:19 Tore). Spanien ist Weltmeister und steht am Sonntag im EM-Final. Und der FC Barcelona gewann bei den Frauen seit 2015 dreimal die Champions League, während kein Schweizer Klub je über die Achtelfinals hinauskam.
Das Beispiel des FC Barcelona ist bewusst gewählt. Die Institution aus Katalonien ist auch im Frauenfussball Triebfeder und spielerisches Vorbild für ganz Spanien. Im erwähnten Jahr 2015 wurde im Klub die Frauenabteilung professionalisiert. Der FC Barcelona erkannte früh das Marktpotenzial des Frauenfussballs – fünf Jahre bevor der Erzrivale Real Madrid überhaupt erst eine Frauenabteilung gründete.
Fortan nutzten auch Mädchen und Frauen die Infrastruktur des Ausbildungszentrums «La Masia». Schon bald gab es Mädchen-Teams für Fünf- und Sechsjährige, die mit einer ähnlichen Spielphilosophie dem Ball nachjagten wie die Frauen. Die Früchte erntete der Klub in den letzten Jahren. Der FC Barcelona stand zuletzt fünfmal in Folge im Final der Champions League und stellt elf Spielerinnen im aktuellen EM-Kader.
Mit seinem Konzept der Förderung von Mädchen und Frauen war der FC Barcelona indes lange fast eine Einzelmaske. Zunächst zog nur Atlético Madrid nach, während Real Madrid wie erwähnt erst 2020 nachzog. Dass die Qualität des spanischen Frauenfussballs eng an die Anstrengungen einzelner Klubs geknüpft ist, zeigt auch die Tatsache, dass die Liga erst vor vier Jahren professionalisiert wurde.
Während Spaniens Frauen ihre dominante Stellung also einer Handvoll Vereinen zu verdanken haben, entspringt der Aufschwung des Frauenfussballs in England einem nationalen Projekt. Nachdem die Briten den Zuschlag für die EM 2022 erhalten hatten, arbeiteten Fussballverband (FA), Regierung und Non-Profit-Gesellschaften zusammen, um den Frauenfussball voranzutreiben. Zwischen 2020 und 2024 entstanden Zehntausende Fussballangebote für Mädchen und Frauen.
Dass vor drei Jahren die Engländerinnen im eigenen Land den EM-Titel holten, wirkte dabei als Katalysator. In den letzten fünf Jahren erhöhte sich die Zahl an Fussballspielerinnen um über 60 Prozent, gegen 150’000 Mädchen begannen neu mit Fussball, wie die FA kürzlich mitteilte.
An der Spitze dieser Pyramide befindet sich die englische Women’s Super League (WSL), die seit sieben Jahren professionell aufgestellt ist und die zuvor führenden Ligen aus Frankreich und Deutschland abgehängt hat. Die Vormachtstellung kann die WSL seit letztem Sommer sogar noch ausbauen, weil sie sich der FA loslöste, um sich besser vermarkten zu können. Der neuste TV-Deal mit BBC und Sky bringt der WSL in den nächsten fünf Jahren rund 80 Millionen Euro ein.
Der Weg, den England mit den Frauen ging, erinnert ein wenig an den Männerfussball in den Neunzigerjahren. Auch damals waren die Abspaltung der Premier League von der FA (1992) und die EM im eigenen Land (1996) die ersten Schritte zu einer dominanten Rolle.
Auch in Spanien sind Parallelen zwischen der Entwicklung bei den Männern und den Frauen nicht von der Hand zu weisen. Wie jetzt das Team um Alexia Putellas und Aitana Bonmatí wurde auch die legendäre Männer-Auswahl um Xavi und Iniesta mit einer starken Basis und dem Spielstil des FC Barcelona zweimal Europameister (2008, 2012) und Weltmeister (2010).
Spanien und England. Entwicklung, Dominanz und Parallelen zu den Männern. Heute Abend kommt es im EM-Final zur Neuauflage des WM-Finals von 2023. Und zwischen diesen beiden Endspielen? Da standen 2024 Spanier und Engländer auch im Final der Männer-EM.