Es war das grosse Thema der vergangenen zwei Wochen: Wie sehr passen die fussballerischen Ideen von Murat Yakin und Granit Xhaka zusammen? Was sich im Spiel gegen Spanien angedeutet hat, fand nun gegen Portugal seine Fortsetzung: Xhaka kommt immer besser mit Yakins Vorstellungen zurecht. Und der Trainer scheint bereit, seinem Captain entgegenzukommen, indem er ihm zwei lauffreudige Mittelfeldspieler zur Seite stellt (gegen Portugal Freuler und Sow). Offen bleibt, ob Yakin auch dann auf einen dreifachen Mittelblock setzt, wenn die Schweiz in einer Partie Favorit ist. Seine Tendenz war, in diesem Fall einen aus dem Trio zu Gunsten eines weiteren Offensivspielers zu opfern.
Dass Xhaka in allen vier Spielen über 90 Minuten durchspielen durfte, war ein klares Zeichen von Yakin. Eines, das Xhaka ziemlich gefallen hat. Die Annäherung der beiden schreitet voran – und das ist wichtig. Denn Xhaka ist ein Spieler, der bei allem Selbstbewusstsein viel Vertrauen braucht, um die grossen Leistungen auf den Platz zu bringen.
Besondere Spieler brauchen besondere Freiheiten. Diese Sichtweise auf das Wirken von Xherdan Shaqiri hat sich über die letzten Jahre festgesetzt. Seine Position als Spielmacher hinter den Spitzen war entsprechend in Stein gemeisselt. Doch nun setzte Yakin Shaqiri in den letzten beiden Spielen wieder auf dem rechten Flügel ein. Natürlich darf sich Shaqiri auch in die Mitte bewegen, und doch: ein Shaqiri vorne rechts in der Grundordnung, das hat es seit dem Achtelfinal an der WM 2018 (0:1 gegen Schweden) nicht mehr gegeben.
Es ist eine Position, die mehr Arbeit mit sich bringt, und auch laufintensiver ist. Die Frage ist nun, wie sich das auf Shaqiris Kreativität auswirkt. Fast noch wichtiger aber ist dies: In welchem Zustand wird Shaqiri im November an die WM reisen? Genügen Rhythmus und Intensität, also Shaqiris Alltag mit Chicago in der Major League Soccer, für höhere Ansprüche? Ein kleines Fragezeichen ist durchaus angebracht.
Zunächst gilt es, den gezerrten Oberschenkel auszuheilen. «Ich denke, es ist nichts Gravierendes», sagt Shaqiri.
Die Erkenntnis ist nicht neu, dafür abermals mit dem Auftritt gegen Portugal bestätigt: Manuel Akanji ist der unbestrittene Chef im Defensivverbund der Schweizer, ohne ihn geht es kaum, mit ihm sind die verteidigenden Mitspieler besser. Die beiden ersten Begegnungen gegen Tschechien und in Portugal verpasste der 26-Jährige angeschlagen, es gab Niederlagen.
Gegen Spanien folgte mit Akanji bereits ein kleiner Aufschwung, nur schon, was die Körpersprache und das Selbstverständnis der Verteidigung anbelangt. Und nun gegen die Lusitaner kam das Ausrufezeichen der ganzen Mannschaft, angeführt von ihm, Manuel Akanji. Er sagte: «Ich war nicht sicher, ob die Kräfte reichen, aber ich wollte unbedingt durchspielen. Ich will Verantwortung übernehmen, versuche der Mannschaft Stabilität zu geben, Ruhe auszustrahlen. Das ist mir ganz gut gelungen.»
Im Prinzip war das eine Untertreibung und man kann Akanjis Wert nicht genug hervorheben, auch seine Konstanz, die er über mehrere Saisons schon auf dem Rasen zeigt. Das soll ja auch Klubs aus der Premier League aufgefallen sein, die dem Vernehmen nach um den Profi von Borussia Dortmund buhlen. Der Verteidiger selbst ist für den nächsten Schritt parat, was seine Zukunft bringt, liess er offen. Dafür fand er klare Worte, was er von der zusätzlichen mentalen und körperlichen Belastung in der Nations League hält: Sie dürfe nicht in jedem Jahr so sein.
Man war unsicher. Zählt Yakin noch auf Haris Seferovic? Oder hat der Zentrumsstürmer keinen Platz mehr, weil der Trainer das Spiel vertikaler, schneller haben will? Nach dem Sieg gegen Portugal muss es auch diese Erkenntnis geben: So schnell kann Yakin nicht über Seferovic hinwegsehen. Gerade wenn man auch einbezieht, dass Breel Embolo alles sein kann, Licht, aber auch Schatten.
Seferovic sagte: «Jeder Trainer hat seine eigene Philosophie, wie er spielen lassen will. Ich bin ein Stürmer, der noch immer gut mitmachen kann, und ich bin gewiss nicht zu alt. Wenn ich Rhythmus habe, dann hat man heute gesehen, was ich der Mannschaft bringen kann.»
Der 30-Jährige hat eine schwierige Saison hinter sich. Dass er nun ausgerechnet gegen jenes Land das Siegtor erzielte, in dem er bei Benfica Lissabon seit fünf Jahren arbeitet, machte es spezieller. Und es war ein Statement an die Adresse des Trainers, eines rein sportlicher Natur, dass es eben nicht so schnell ohne den Routinier mit seinen 86 Länderspielen geht. Yakin hat Seferovic im Frühling besucht, als es diesem nicht so gut ging, weil die Muskelverletzungen in der Wade mehrmals wieder aufbrachen und ihn deshalb quasi das letzte halbe Jahr verpassen liessen. Seferovic sagte, ihr Gespräch sei gut gewesen, «und jetzt war ich hier, um mich zu zeigen, am Ende entscheidet der Trainer».
Es komme schon gut, sagte der 25-fache Torschütze im Schweizerdress am Schluss, und schritt erschöpft, aber stolz in die Nacht von Genf.
Böse Zungen könnten das nun so sehen: Jonas Omlin vs Gregor Kobel 4:0. Kobel kassierte gegen die Portugiesen in Lissabon vier Gegentore, Omlin hielt seinen Kasten gegen denselben Gegner rein, mehr noch: Er zeigte eine Weltklasseleistung. Wenn es in diesem Zusammenzug vielleicht auch ein wenig darum ging, wer hinter Yann Sommer die Nummer zwei ist, war hierfür der Auftritt des Obwaldners in Genf eine eindrückliche Bewerbung.
Omlin sagte: «Ich bin froh, konnte ich die Null halten. Die Nati ist noch kein Selbstläufer für mich, so viele Partien hatte ich ja nicht. Jedes Spiel tut mir enorm gut.» Der 28-Jährige absolvierte bislang vier Länderspiele, erstmals blieb er unbezwungen. Körper und Geist seien in einem totalen Flow gewesen, sagte er. «Ich habe gespürt, dass heute kein Ball reingeht. Momentan ist es offen für die WM, der Trainer gab uns die Challenge. Und ich versuche einfach zu zeigen, dass ich bereit bin. Das ist mir nicht so schlecht gelungen.»
Geht man davon aus, dass Yakin drei Goalies mitnimmt an die WM, dann dürfte es für Yvon Mvogo schwierig werden, noch Unterschlupf zu finden. Die aktuelle Nummer vier kam in diesem Sommerzusammenzug nicht zum Einsatz, zudem ist seine Zukunft ungewiss. Wobei: Was die nächsten Monate bringen, weiss auch Omlin nicht so genau.
Er geht zwar davon aus, weiterhin für Montpellier zu spielen, wenngleich er gegen Ende der Saison trotz guter Leistungen nicht immer in der Startformation stand. Was wohl auch einer kleinen Verletzung geschuldet war. Doch Omlin hat in der Ligue 1 auf sich aufmerksam gemacht, gut möglich, dass sein Klub mit ihm noch Geld verdienen möchte. (aargauerzeitung.ch)