Eigentlich könnte ich mir die Mühe ja sparen und einfach die Analyse vor dem letzten Playoff-Final nochmals aufwärmen. Nein, das ist natürlich nur Spass und für euch, liebe User, scheuen wir natürlich keinen Aufwand. Und auch wenn die Affiche im Playoff-Final die gleiche ist wie letzte Saison, so hat sich die Ausgangslage natürlich verändert. Lausanne ist Qualifikations-Sieger und hat nun den Heimvorteil auf seiner Seite – wenn wir uns an den letzten Final erinnern, ein bedeutendes Detail.
Bevor es heute Abend (ab 20 Uhr im watson-Liveticker und live auf TV 24 und 3+) mit Spiel 1 losgeht, wollen wir aber noch die diesjährigen Stärkeverhältnisse analysieren.
Wie schon im Vorjahr kann kaum ein anderes National-League-Team mit der Starpower der ZSC Lions mithalten – insbesondere in der Offensive. Du hast die Linie mit Denis Malgin, Sven Andrighetto und Rudolfs Balcers neutralisiert? Ok, cool. Hier sind Juho Lammiko, Jesper Frödén und Yannick Zehnder oder Derek Grant, Vinzenz Rohrer und Willy Riedi. Da zieht auch das gut besetzte Team von Lausanne den Kürzeren. Die Lions waren sowohl in der Regular Season als auch in den Playoffs die torgefährlichere Mannschaft.
Und wie wir wissen, beschränkt sich die ZSC-Starpower nicht nur auf den Sturm: Dean Kukan, Yannick Weber, Patrick Geering, Mikko Lehtonen, Christian Marti – die Liste der hochdekorierten Verteidiger ist lang. Entsprechend gut haben die Zürcher in dieser Saison verteidigt. In der Regular Season waren sie schon gut, in den Playoffs haben sie von allen Teams am wenigsten Chancen zugelassen. Bei Lausanne verrichten Gavin Bayreuther, David Sklenicka, Andrea Glauser oder Lukas Frick ebenfalls gute Arbeit und haben sich in den Playoffs nochmals gesteigert, aber nicht ganz auf das Niveau der ZSC Lions.
In der Regular Season war Lausanne überraschenderweise kein extrem dominantes Team. Das Chancenverhältnis war in ihren Spielen oft sehr ausgeglichen. In den Playoffs hatten sie dann zumeist mehr Spielanteile. Auch hier kommen die Waadtländer aber nicht an die Dominanz der Zürcher heran. Auch in den Direktduellen hatten die Lions drei von vier Mal die Oberhand.
Um im Final eine Chance gegen den ZSC zu haben, muss Lausanne verhindern, dass sich die Zürcher über längere Zeit in der offensiven Zone installieren können. Gerade in den Playoffs waren die Lions dort extrem gefährlich. Lausanne hat aber in den Playoffs (etwas im Gegensatz zur Regular Season) auch bewiesen, dass es diese Szenarien gut verhindern kann.
Wenn das gelingt, könnte die Finalserie am Ende auf ein Rush-Duell hinauslaufen. Dort sind die ZSC Lions mit ihren schnellen Stürmern natürlich ebenfalls brandgefährlich, die Verteidigung der Zürcher aber auch etwas verwundbarer. Und Lausanne hat selbst genügend schnelle Stürmer, um dieses Rush-Duell auf die eigene Seite zu ziehen. Von der grundsätzlichen Spielanlage her ist aber auch hier der ZSC eher zu bevorteilen.
Kevin Pasche war in der Regular Season nach Stéphane Charlin der zweitbeste Goalie der National League – und das in seiner ersten Saison als Nummer 1. In den Playoffs brauchte der 22-Jährige etwas Angewöhnungszeit, wurde aber, je länger die Serien dauerten, immer besser. Auf der anderen Seite machte Simon Hrubec gerade in der Halbfinalserie gegen Davos nicht immer den gleich bestechenden Eindruck, wie man sich das sonst von ihm gewohnt ist. In der Regular Season kam der Tscheche zudem nicht ganz an die Statistiken von Pasche heran. Deshalb geben wir trotz leichten ZSC-Vorteilen in der Playoff-Statistik diesen Punkt an Lausanne.
Ein etwas kurioser Fall: Die ZSC Lions waren in der Regular Season eines der schwächsten Powerplay-Teams. In den Playoffs haben sie dann plötzlich mehr als ein Drittel ihrer Überzahlgelegenheiten in ein Tor umgemünzt. Haben sich die Zürcher derart gesteigert, oder haben sie einfach von schwachen Gegnern profitiert? Vermutlich eine Kombination von beidem. Auch Lausanne ist ein starkes Powerplay-Team. Man darf annehmen, dass die Lions im Final etwas auf den Boden der Realität zurückkehren und sich beide Mannschaften in Überzahl ungefähr auf Augenhöhe bewegen.
Ähnliches gilt auch in Unterzahl. Auch da hat der ZSC sich in den Playoffs nochmals gesteigert, aber wohl auch etwas von ungefährlicheren Gegnern profitiert. Lausanne hat in den Playoffs im Vergleich zur starken Regular Season eher etwas abgegeben. Vermutlich liegen die Vorteile in der Kategorie Special Teams ganz knapp in der Deutschschweiz.
Vor einem Jahr standen in diesem Finalduell auf beiden Seiten Stanley-Cup-Sieger. Doch ZSC-Meistertrainer Marc Crawford hat mitten in der Saison den Rücktritt erklärt, um sich auf seine eigene Gesundheit zu konzentrieren. Interimslösung Marco Bayer ist nicht unumstritten, doch der Zürcher hat die Lions wie sein Vorgänger in den Playoff-Final geführt und dazu noch die Champions-Hockey-League gewonnen.
Trotzdem bringt Geoff Ward an der Lausanner Bande natürlich wesentlich viel mehr Erfahrung mit. Der 62-jährige Kanadier stand letzte Saison bereits im Final und führte Lausanne beinahe zum ersten Titel der Klubgeschichte. Der langjährige NHL-Trainer wird daraus seine Lehren gezogen haben.
Die Form spricht natürlich für den ZSC. Die Zürcher haben in diesen Playoffs erst drei Spiele verloren und eigentlich immer überzeugt. Lausanne dagegen musste im Viertelfinal gegen Langnau und dann auch im Halbfinal gegen Fribourg-Gottéron über sieben Spiele. Die Waadtländer sind so sicher auch müder als ihr Finalgegner.
Doch Lausanne ist auch euphorisiert. Wer die Szenen am Samstag nach dem Sieg in Spiel 7 gegen Gottéron gesehen hat, weiss: Fans und Mannschaft sind heiss auf den ersten Titel. Im Gegensatz zum Vorjahr haben die Westschweizer nun den Heimvorteil auf der eigenen Seite. Zur Erinnerung: Im letzten Final gab es in allen sieben Spielen jeweils nur Heimsiege.
Und die Mannschaft von Geoff Ward hat auch bewiesen, dass sie über mentale Stärke verfügt. Statt sensationell auszuscheiden, fertigte sie Langnau im Spiel 7 des Viertelfinals überragend ab. In der Halbfinal-Serie gegen Fribourg holten die Westschweizer einen 1:3-Rückstand auf. Die ZSC Lions hatten hingegen noch keine solchen Tests zu bestehen. Man darf gespannt sein, was passiert, sollten die Zürcher erstmals dieses Jahr in einer Playoff-Serie zurückliegen.
Auf dem Papier sieht es nach Titelverteidigung für die ZSC Lions aus. Die Zürcher sind besser besetzt und breiter aufgestellt als Lausanne. Sie sorgen für mehr Torgefahr und verteidigen besser. Doch vor einem Jahr sprach die Ausgangslage noch viel deutlicher für die Lions und trotzdem sorgte Lausanne für eine extrem spannende Serie. Wenn Kevin Pasche sich weiter steigert und Lausannes Verteidigung sich von den ZSC-Stars nicht einschnüren lässt, bestehen realistische Chancen auf eine erfolgreiche Final-Revanche und den ersten Titel für Lausanne.