Es war nach Weihnachten, als Christian Gross noch einmal die Fussball-Welt überrascht. Er, der im Mai 2020 eigentlich sein Karrieren-Ende verkündete, steht plötzlich wieder auf der grossen Bühne. Neuer Trainer bei Schalke 04! Der vierte bereits in dieser Saison. Seine Mission ist so klar wie kompliziert: Irgendwie den Abstieg verhindern.
Die Bundesliga fragt sich: Wie lässt sich die Wahl von einem erklären, der in den letzten zehn Jahren ausschliesslich in Saudi Arabien und Ägypten gearbeitet hat? Die Schweizer Perspektive lautet derweil: Wie nur kann sich Gross einen derart vergifteten Verein antun? Der Trainer selbst sagt: «Der Reiz dieser Aufgabe ist riesig. Ein Klub irgendwo im Mittelfeld? Nein, das hätte ich nicht mehr getan. Aber an der Spitze oder im Abstiegskampf, das interessiert mich.» Der Rückstand von Schalke auf den Barrage-Platz beträgt zu diesem Zeitpunkt sechs Punkte.
63 Tage später liegen die Antworten bereit: Schalke und Gross, es ist ein Missverständnis von Anfang bis Ende. Das Abenteuer des Schweizers ist bereits nach zehn Bundesligaspielen (ein Sieg) wieder zu Ende. Einen Tag nach dem blamablen 1:5 in Stuttgart wird Gross genauso wie die gesamte sportliche Führung entlassen. Dr. Jens Buchta, Vorsitzender des Aufsichtsrates von Schalke, lässt sich in einer Mitteilung des Vereins so zitieren:
Und weiter: «Wir brauchen nicht Drumherum zu reden: Die sportliche Situation ist eindeutig, deshalb müssen wir bei jeder noch zu treffenden Personalentscheidung auch über die Saison hinausdenken.»
Der neue starke Mann bei Schalke heisst Peter Knäbel, ehemaliger technischer Direktor beim Schweizer Fussballverband und SRF-Experte. Knäbel leitete bis anhin die Nachwuchsabteilung bei Schalke. Er soll den Verein nun in die Zukunft führen. Wobei das nur eines bedeuten kann: Knäbel soll dafür sorgen, dass der Wiederaufstieg möglichst rasch gelingt. Denn der erste Abstieg seit 1988 ist bei Lichte betrachtet kaum mehr zu verhindern. Neun Punkte beträgt der Rückstand auf den Barrage-Platz, 13 Spiele verbleiben. Die Aufgabe ist auch so schwierig genug. Vorerst wird Klub-Legende Mike Büskens Interimstrainer. Ob er die Dauer-Lösung ist, muss sich zeigen.
Für Gross ist die schnelle Entlassung eine Enttäuschung – aber auch eine Erlösung. Für die tiefgreifenden Probleme dieses Chaos-Vereins ist er nicht verantwortlich. Nun wird er immerhin auch nicht als jener Mann in Erinnerung bleiben, der den Abstieg erklären muss und für die zahlreichen Probleme gerade stehen muss. Natürlich ist Gross gescheitert – die Frage ist einfach, ob es überhaupt einem Trainer gelingen würde, bei diesem Verein nicht zu scheitern.
Doch eines ist klar: Gross gelang es nicht, das Team zu einen und hinter sich zu bekommen. Im Gegenteil. Dass er beispielsweise ständig Namen von eigenen Spielern verwechselte, schadete seinem Ansehen in der Kabine. Zuletzt kam es gar soweit, dass wichtige Schalke-Akteure die Absetzung von Gross erzwingen wollten. Am Ende war sie erfolgreich.
Die Entlassung von Gross ist die zweite eines Schweizers in dieser Bundesliga-Saison. Kurz vor Jahresende musste Lucien Favre seinen Job bei Borussia Dortmund abgeben. Neckisches Detail: Auch für Favre war nach einer 1:5-Niederlage gegen Stuttgart Schluss.