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Die Frage, ob Xhaka in der Nati der richtige Captain für Yakin ist

IMAGO / NurPhoto

Switzerland v Kosovo - Friendly Match ZURICH, SWITZERLAND - MARCH 29: Granit Xhaka of Switzerland thanks the fans during the International Friendly, Länderspiel, Nationalmannschaft m ...
Wieder mal dreht sich vieles um ihn: Granit Xhaka.Bild: imago
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Ist Granit Xhaka der richtige Captain für Murat Yakins Fussball?

2021 qualifizierte sich die Schweiz ohne Granit Xhaka für die WM. 2022 kehrt er zurück – aber es läuft der Nati nicht gut. Was bedeutet das für den Captain und für Trainer Murat Yakin?
08.06.2022, 09:08
Etienne Wuillemin, Genf / CH MEdia
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Sein Name: Granit Xhaka. Seine Funktion: Captain der Nationalmannschaft. Seine Bestimmung: Mittelpunkt der Schweizer Fussballwelt.

Alles dreht sich um ihn. ­Immer wieder. Es ist längst zur Gewohnheit geworden. Und doch jedes Mal wieder faszinierend, wie er die Gemüter bewegt. Wer den Namen Xhaka hört, der denkt gewiss an einen grossartigen Fussballer. Aber es liegen auch andere Gedanken nahe: der Doppel-Adler, der Besuch zur Unzeit im Tattoostudio, die blonden Haare an der EM, das Impf-Theater danach. Sein Verhalten nach der Auswechslung gegen den Kosovo.

Immer wieder hat sein Verhalten neben dem Platz zur ­Frage geführt: Ist er eigentlich der richtige Captain für diese Schweizer Nati? Nie war diese Debatte grösser als nach dem 0:3 gegen Italien an der EM. Und nie war Xhakas Antwort auf dem Platz eindrucksvoller: Er zeigte gegen die Türkei und Frankreich zwei herausragende Partien, war einer der Hauptgründe für die erstmalige Viertelfinal-Qualifikation der Schweizer Nati an einem grossen Turnier in der Neuzeit.

Switzerland's Granit Xhaka celebrates end of the Euro 2020 soccer championship round of 16 match between France and Switzerland at the National Arena stadium, in Bucharest, Romania, Tuesday, June ...
Er hat's allen gezeigt: Xhaka feiert den Sieg über Frankreich im EM-Achtelfinal.Bild: keystone

WM-Quali ohne Xhaka

Den Schweizern flogen nach dieser EM die Herzen zu. Dass sich Vladimir Petkovic umgehend nach Bordeaux verabschiedete, tat der Begeisterung im Volk keinen Abbruch. Dafür sorgten Murat Yakin und eine generös kämpfende Mannschaft im Herbst 2021. Der Lohn: die direkte WM-Qualifikation, auf Kosten Italiens.

Doch einer fehlte: Granit Xhaka. Zunächst wegen Corona. Dann wegen einer Knie-Verletzung. Viel mehr als eine Randnotiz war das jedoch kaum, man fragte sich eher: Was ist für diese Mannschaft möglich, wenn sie ihren Mastermind Xhaka auch noch zurückerhält? Der Captain setzte im März bei seiner Rückkehr ins Team in gewohnter Art gleich den Ton. «Ja, auch für die WM in Katar ist für die Schweiz der Titel das Ziel.» Xhaka hat sich das grosse Denken zur Gewohnheit gemacht.

Erstmals im Fokus: Xhakas Rolle auf dem Feld

Nun sind 2022 vier Nati-Spiele dazugekommen. Vier Spiele mit Xhaka. Vier Spiele mit einer Bilanz, die so gar nicht zum Selbstverständnis dieser Mannschaft passt. Drei Niederlagen (England, Tschechien, Portugal) und ein Unentschieden (Kosovo) stehen zu Buche. Ein 0:4 in Lissabon zuletzt, das besorgniserregend war. Vor allem aber: wieder Diskussionen um Granit Xhaka.

Doch etwas ist neu: Erstmals seit sehr langer Zeit im Nationalteam wird die Rolle von Xhaka auf dem Platz verhandelt – nicht jene daneben.

Switzerland's Granit Xhaka, right, and Mario Gavranovic, left, look disappointed after losing the UEFA Nations League group A2 soccer match between Portugal and Switzerland at the Estadio Jose Al ...
Gegen Portugal zogen Xhaka und Co. einen Abend zum Vergessen ein.Bild: keystone

Unter Ottmar Hitzfeld spielte Xhaka meist noch auf der Position des Spielmachers, weil im zentralen Mittelfeld Inler und Behrami gesetzt waren. Unter Vladimir Petkovic änderte das nicht nur. Nein, Petkovic baute ein Nationalteam um Xhaka herum. Und er liess einen Fussball spielen, der auf Xhaka massgeschneidert war. Nach der Maxime: Möglichst viel Ballbesitz.

Murat Yakin nun möchte schneller spielen, vertikaler spielen. Verkürzt gesagt: Ballgewinn und ab die Post! Es ist eine Art des Fussballs, die gerade für Xhaka gewöhnungsbedürftig ist. Weil er nicht primär als Balleroberer bekannt ist. Und weil er das Spiel viel lieber vor sich hat.

Yakin und Xhaka – passt das überhaupt?

Die Frage ist darum nicht vermessen: Sind Yakins Vorstellungen seines Fussballs kompatibel mit dem Wesen und Wirken von Granit Xhaka? Klar ist: Wenn Yakin seinen Captain aus der Komfortzone lockt, wird er ihm auch genügend Zeit einräumen, um sich anzupassen. Doch die Zeit rennt. In gut fünf Monaten beginnt die WM. Es bleiben vier – allenfalls fünf – Spiele als Vorbereitung. Das ist nicht viel.

Switzerland's head coach Murat Yakin during a training session of the Switzerland's football national team at the Restelo stadium in Lisbon, Portugal, Monday, June 6, 2022. (KEYSTONE/Laurent ...
Trainer Yakin geht die Arbeit nach zuletzt schwachen Leistungen nicht aus bis zur WM.Bild: keystone

Yakins Denkarbeit über den Sommer ist immens. Es ist nachvollziehbar, dass er das Schweizer Spiel von Xhaka emanzipieren will. Doch genauso ist im Interesse aller, dabei behutsam vorzugehen. Einen Machtkampf zwischen Trainer und Captain vor einer WM braucht kein Team der Welt. Nur müssen das eben beide Seiten realisieren.

Von einem Captain darf man erwarten, dass er in der öffentlichen Aufarbeitung eines Spiels – gerade nach einer Niederlage – nicht mit dem Finger auf andere zeigt. Genau dies tut Xhaka aber nicht selten. Dabei müsste ein Captain integrativ wirken. Fehler intern klar ansprechen, gegen aussen aber das Team schützen. Gerade, weil der Captain viel mehr Blicken ausgesetzt ist.

Abgerechnet wird in Katar

Vielleicht stellt sich Murat Yakin still und heimlich irgendwann die Frage, ob die Captain-Binde für Xhaka vielleicht auch eine Bürde sein könnte. Bei ­Arsenal schien genau dies der Fall zu sein. Allerdings dauerte es bei seinem Verein auch eine gewisse Zeit, ehe Xhaka wieder zu sich fand, nachdem ihm die Binde entzogen wurde. Zeit, die es im Nationalteam nicht gibt.

Und schliesslich naht auch dieses eine Duell, das es nicht unbedingt noch einmal geben müsste: Schweiz-Serbien, zum Abschluss der WM-Vorrunde. Auch Xhaka wird mithelfen müssen, die Erinnerungen an das Duell 2018 in Russland zu moderieren, vielleicht zu deeskalieren.

Die derzeitige Gemütslage ist unangenehm, gewiss. Ein 0:4 in Portugal im Gepäck schmerzt. Doch die Schweizer sind in Genf auch mit dieser Gewissheit gelandet: Bilanz gezogen über dieses Nati-Jahr wird erst, wenn die WM vorbei ist.

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30 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Jureitis
08.06.2022 09:25registriert Januar 2022
Was für eine Frage! Wie schnell man doch vergisst. Der Pass in die Tiefe zum Ausgleich gegen Frankreich, absolute Weltklasse! Wie er die Mannschaft nach vorne trieb, Weltklasse! Unser Problem ist, dass wir einen Trainer haben, der mit der absolut vorhandenen Substanz der Mannschaft nichts anfangen kann.
Weil er auf diesem Niveau überfordert ist. Darum hat er ausserhalb der Schweiz auch nichts gerissen, steht auf keiner Liste, zum Beispiel in der Bundesliga.
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the_soccer17
08.06.2022 10:06registriert November 2020
Was sollen solche Artikel?
Warum lässt man es nicht einfach gut sein? Mit solchen Artikeln wird doch nur noch mehr Öl ins Feuer gegossen.
Wie schnell die liebe Fussball-Schweiz doch vergisst.
An der EM gegen TUR und vor allem FRA war er DER Antreiber im Mittelfeld, seinem genialen Pass auf Gavra (und natürlich dessen Abschluss) verdanken wir überhaupt solch (sorry) geile Emotionen damals.
Ich dachte nach der EM, yess, endlich ein Fussballfieber in der CH, endlich steht ein Land geschlossen hinter der Nati. Und 1 Jahr später fagen wieder die Diskussionen um Xhaka an, wie traurig!
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Raembe
08.06.2022 09:24registriert April 2014
Hier wird die falsche Person von Beiden in Frage gestellt.
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