Sein Name: Granit Xhaka. Seine Funktion: Captain der Nationalmannschaft. Seine Bestimmung: Mittelpunkt der Schweizer Fussballwelt.
Alles dreht sich um ihn. Immer wieder. Es ist längst zur Gewohnheit geworden. Und doch jedes Mal wieder faszinierend, wie er die Gemüter bewegt. Wer den Namen Xhaka hört, der denkt gewiss an einen grossartigen Fussballer. Aber es liegen auch andere Gedanken nahe: der Doppel-Adler, der Besuch zur Unzeit im Tattoostudio, die blonden Haare an der EM, das Impf-Theater danach. Sein Verhalten nach der Auswechslung gegen den Kosovo.
Immer wieder hat sein Verhalten neben dem Platz zur Frage geführt: Ist er eigentlich der richtige Captain für diese Schweizer Nati? Nie war diese Debatte grösser als nach dem 0:3 gegen Italien an der EM. Und nie war Xhakas Antwort auf dem Platz eindrucksvoller: Er zeigte gegen die Türkei und Frankreich zwei herausragende Partien, war einer der Hauptgründe für die erstmalige Viertelfinal-Qualifikation der Schweizer Nati an einem grossen Turnier in der Neuzeit.
Den Schweizern flogen nach dieser EM die Herzen zu. Dass sich Vladimir Petkovic umgehend nach Bordeaux verabschiedete, tat der Begeisterung im Volk keinen Abbruch. Dafür sorgten Murat Yakin und eine generös kämpfende Mannschaft im Herbst 2021. Der Lohn: die direkte WM-Qualifikation, auf Kosten Italiens.
Doch einer fehlte: Granit Xhaka. Zunächst wegen Corona. Dann wegen einer Knie-Verletzung. Viel mehr als eine Randnotiz war das jedoch kaum, man fragte sich eher: Was ist für diese Mannschaft möglich, wenn sie ihren Mastermind Xhaka auch noch zurückerhält? Der Captain setzte im März bei seiner Rückkehr ins Team in gewohnter Art gleich den Ton. «Ja, auch für die WM in Katar ist für die Schweiz der Titel das Ziel.» Xhaka hat sich das grosse Denken zur Gewohnheit gemacht.
Nun sind 2022 vier Nati-Spiele dazugekommen. Vier Spiele mit Xhaka. Vier Spiele mit einer Bilanz, die so gar nicht zum Selbstverständnis dieser Mannschaft passt. Drei Niederlagen (England, Tschechien, Portugal) und ein Unentschieden (Kosovo) stehen zu Buche. Ein 0:4 in Lissabon zuletzt, das besorgniserregend war. Vor allem aber: wieder Diskussionen um Granit Xhaka.
Doch etwas ist neu: Erstmals seit sehr langer Zeit im Nationalteam wird die Rolle von Xhaka auf dem Platz verhandelt – nicht jene daneben.
Unter Ottmar Hitzfeld spielte Xhaka meist noch auf der Position des Spielmachers, weil im zentralen Mittelfeld Inler und Behrami gesetzt waren. Unter Vladimir Petkovic änderte das nicht nur. Nein, Petkovic baute ein Nationalteam um Xhaka herum. Und er liess einen Fussball spielen, der auf Xhaka massgeschneidert war. Nach der Maxime: Möglichst viel Ballbesitz.
Murat Yakin nun möchte schneller spielen, vertikaler spielen. Verkürzt gesagt: Ballgewinn und ab die Post! Es ist eine Art des Fussballs, die gerade für Xhaka gewöhnungsbedürftig ist. Weil er nicht primär als Balleroberer bekannt ist. Und weil er das Spiel viel lieber vor sich hat.
Die Frage ist darum nicht vermessen: Sind Yakins Vorstellungen seines Fussballs kompatibel mit dem Wesen und Wirken von Granit Xhaka? Klar ist: Wenn Yakin seinen Captain aus der Komfortzone lockt, wird er ihm auch genügend Zeit einräumen, um sich anzupassen. Doch die Zeit rennt. In gut fünf Monaten beginnt die WM. Es bleiben vier – allenfalls fünf – Spiele als Vorbereitung. Das ist nicht viel.
Yakins Denkarbeit über den Sommer ist immens. Es ist nachvollziehbar, dass er das Schweizer Spiel von Xhaka emanzipieren will. Doch genauso ist im Interesse aller, dabei behutsam vorzugehen. Einen Machtkampf zwischen Trainer und Captain vor einer WM braucht kein Team der Welt. Nur müssen das eben beide Seiten realisieren.
Von einem Captain darf man erwarten, dass er in der öffentlichen Aufarbeitung eines Spiels – gerade nach einer Niederlage – nicht mit dem Finger auf andere zeigt. Genau dies tut Xhaka aber nicht selten. Dabei müsste ein Captain integrativ wirken. Fehler intern klar ansprechen, gegen aussen aber das Team schützen. Gerade, weil der Captain viel mehr Blicken ausgesetzt ist.
Vielleicht stellt sich Murat Yakin still und heimlich irgendwann die Frage, ob die Captain-Binde für Xhaka vielleicht auch eine Bürde sein könnte. Bei Arsenal schien genau dies der Fall zu sein. Allerdings dauerte es bei seinem Verein auch eine gewisse Zeit, ehe Xhaka wieder zu sich fand, nachdem ihm die Binde entzogen wurde. Zeit, die es im Nationalteam nicht gibt.
Und schliesslich naht auch dieses eine Duell, das es nicht unbedingt noch einmal geben müsste: Schweiz-Serbien, zum Abschluss der WM-Vorrunde. Auch Xhaka wird mithelfen müssen, die Erinnerungen an das Duell 2018 in Russland zu moderieren, vielleicht zu deeskalieren.
Die derzeitige Gemütslage ist unangenehm, gewiss. Ein 0:4 in Portugal im Gepäck schmerzt. Doch die Schweizer sind in Genf auch mit dieser Gewissheit gelandet: Bilanz gezogen über dieses Nati-Jahr wird erst, wenn die WM vorbei ist.
Weil er auf diesem Niveau überfordert ist. Darum hat er ausserhalb der Schweiz auch nichts gerissen, steht auf keiner Liste, zum Beispiel in der Bundesliga.
Warum lässt man es nicht einfach gut sein? Mit solchen Artikeln wird doch nur noch mehr Öl ins Feuer gegossen.
Wie schnell die liebe Fussball-Schweiz doch vergisst.
An der EM gegen TUR und vor allem FRA war er DER Antreiber im Mittelfeld, seinem genialen Pass auf Gavra (und natürlich dessen Abschluss) verdanken wir überhaupt solch (sorry) geile Emotionen damals.
Ich dachte nach der EM, yess, endlich ein Fussballfieber in der CH, endlich steht ein Land geschlossen hinter der Nati. Und 1 Jahr später fagen wieder die Diskussionen um Xhaka an, wie traurig!