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Analyse: Die Schweizer Nati ist bereit, um neue Helden-Geschichten zu schreiben

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Xhaka, Rodriguez und Dzemaili bejubeln den einzigen Schweizer Treffer in Athen.Bild: EPA/KEYSTONE
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Bereit, um neue Helden-Geschichten zu schreiben

Die Schweiz besiegt im ersten WM-Test Griechenland mit 1:0. Die wichtigsten Erkenntnisse nach einem soliden ersten Auftritt im WM-Jahr.
24.03.2018, 09:2324.03.2018, 15:42
etienne Wuillemin / schweiz am wochenende
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Der Auftakt ist geglückt. Die Schweiz gewinnt ihr erstes Spiel 2018 in Griechenland 1:0. Es war keine berauschende Leistung, aber eine grundsolide – garniert mit einem schönen Tor von Blerim Dzemaili.

Das Spiel in Athen war der Aufgalopp ins WM-Jahr. In ein Jahr, in dem die Schweizer Nationalmannschaft wieder einmal Geschichte schreiben will. Konkret: irgendwie einmal einen Achtelfinal an einem grossen Turnier gewinnen. 2014 und 2016 ist das knapp misslungen. An der WM verlor die Schweiz gegen Argentinien nach Verlängerung (0:1). An der EM gegen Polen sogar erst nach Penaltyschiessen (zuvor 1:1). Die Niederlagen sind verdaut, und doch sind die Wunden der Vergangenheit noch nicht ganz geheilt.

Das grosse Ziel dieser Schweizer Generation um Sommer, Behrami und Lichtsteiner bleibt also dasselbe. Und doch scheinen die Stolpersteine grösser als auch schon. Das liegt primär an den Gegnern, auf welche die Schweizer treffen werden. Brasilien, Serbien und Costa Rica – erstmals seit langem hat das Glück die Schweiz bei einer Auslosung verlassen.

Nüchtern betrachtet, gilt darum: Bereits die Qualifikation für den Achtelfinal wäre ein Erfolg. Ob es dann zum grossen Duell gegen Weltmeister Deutschland kommt, darf Trainer Vladimir Petkovic und sein Team noch nicht interessieren.

Gute Stimmung, keine Experimente

Die Stimmung rund um das Nationalteam ist hervorragend. Das ist, drei Monate vor der WM, nicht ganz unwichtig. Und sollte Petkovic ermöglichen, sich ganz auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren. Der Unterschied zu den letzten Monaten vor der EM ist frappant. Vor zwei Jahren kämpfte Petkovic mit einigen Problemen an allen Ecken und Enden. Mittendrin: er selbst.

Er kämpfte um Anerkennung. Um Akzeptanz auch. Gleichzeitig witterte er ständig Misstrauen. Intern wie extern. Petkovic gefiel die öffentliche Wahrnehmung der Leistungen seines Teams und seiner selbst ganz und gar nicht. Seine Vertragsverlängerung zog sich gefühlt ewig hin. Die Beziehung zwischen Nationalteam und Petkovic ähnelte eher einer Zweckehe denn der grossen Liebe.

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Vladimir Petkovic und Valon Behrami dürfen mit dem ersten WM-Test zufrieden sein.Bild: KEYSTONE

Das Team selbst hatte mit dem Balkangraben zu kämpfen. Die verschiedenen Gruppen der Spieler mussten erst wieder aufeinander zugehen. Dazu kam, dass mit Gökhan Inler der Captain immer mehr Einfluss verlor, ehe er wegen fehlender Einsatzzeiten von Petkovic gar nicht mehr aufgeboten wurde. Es war das Zeichen des Trainers, dass er für einen Neuanfang bereit ist.

Er rang sich durch, sich zu öffnen. Ging aktiv auf die Spieler aller Gruppierungen zu, brachte jeden Einzelnen dazu, die Probleme offen anzusprechen und auf den Tisch zu bringen. Petkovic wurde belohnt dafür. Die Mannschaft fand sich immer besser. Spielte eine gute EM. Gestoppt von den Polen. Petkovic sagte später einmal: «Ich bin überzeugt, wir hätten das Spiel gewonnen, wenn in den Monaten davor mehr Ruhe geherrscht hätte.»

Barrage hilft im Reifeprozess

Sein Team nahm den Schwung jedenfalls gleich mit. Es folgte die beste WM-Qualifikation einer Schweizer Equipe überhaupt. Doch trotz neun Siegen aus zehn Spielen gelang die direkte WM-Qualifikation nicht. Aber die Erfahrungen in der nervenaufreibenden Barrage gegen Nordirland dürften im Reifeprozess noch einmal geholfen haben. Und die Gruppe weiter zusammengeschweisst haben.

So sehr, dass Petkovic nun überzeugt ist, die optimalen Voraussetzungen für eine erfolgreiche WM vorzufinden. Petkovic gefällt, wie sich seine Mannschaft entwickelt hat. Er sieht darum auch keinerlei Grund, Veränderungen vorzunehmen. Nicht einmal bei den Ergänzungsspielern.

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Haris Seferovic hat seinen Platz in der Nationalmannschaft trotz Reservisten-Rolle im Klub auf sicher.Bild: EPA/KEYSTONE

Petkovic setzt lieber auf bewährte Kräfte. Darauf, dass sich die natürlichen Hierarchien bewähren. Egal, ob Spieler wie Seferovic, Schär oder Dzemaili schwierige Zeiten hinter sich haben. Auch im Wissen, dass ihn seine Spieler in den entscheidenden Momenten nie enttäuscht haben. Das ist eine bemerkenswerte Qualität. Eine Qualität, die auch dazu geführt hat, dass Petkovic statistisch gesehen der beste Schweizer Nationaltrainer der Geschichte ist

Lichtsteiner, Behrami und Sommer sind die Chefs dieser Equipe. Xhaka nimmt auf dem Feld die Rolle des Gehirns ein. Daneben ist auch Shaqiri unverzichtbar. Seine Formkurve zeigte in den vergangenen Monaten steil aufwärts. Dass er nun in diesen Tagen eine Ruhepause erhält, könnte sich an der WM positiv auswirken.

Ob all der positiven Anzeichen nun gleich in Euphorie zu verfallen, wäre aber verfrüht. Denn trotz der bemerkenswerten Ruhe gibt es einige kleine Sorgen, die sich vor der WM noch zu echten Problemfällen vergrössern könnten. In Erinnerung bleiben vorab die Pfiffe des eigenen Publikums in der Barrage gegen Haris Seferovic. Der Stürmer dreht sich auch nach dem x-ten Neuanfang im Kreis. Wie sich die Beziehung des Publikums zu ihm entwickelt, wird ein erstes Mal am Dienstag in Luzern gegen Panama zu sehen sein. Zudem haben in letzter Zeit die Meldungen von Schweizer Nationalspielern zugenommen, die in ihren Klubs nur noch Ersatzspieler sind

Wie weit kommt die Nati an der WM in Russland?

Am 17. Juni beginnt für die Schweiz die WM. Gegen Brasilien. Dann wird ein erstes Mal sichtbar, wie reif diese Schweizer Generation mittlerweile ist. Die Spieler selbst lassen keine Zweifel offen. Sie sind bereit, um neue Helden-Geschichten zu schreiben.

3 wichtige Lehren aus dem Griechenland-Spiel:

Akanji nähert sich dem WM-Startplatz

Der Profiteur der vergangenen Monate in der Schweizer Abwehr heisst eindeutig Manuel Akanji. Er zeigt in Athen abermals eine starke Leistung. Gewinnt fast jeden Zweikampf. Behält jederzeit die Ruhe. Kurbelt das Schweizer Spiel clever an. Nach seinem Wechsel von Basel zu Borussia Dortmund ist er der derzeit der stabilste Schweizer Innenverteidiger. Nicht nur, weil er am meisten Spielzeit im Verein erhält. Er harmoniert gegen Griechenland gut mit Fabian Schär. Diese Kombination sollte künftig öfters zu sehen sein.

Greece's forward Kostas Mitroglou, center, fights for the ball with Switzerland's defender Manuel Akanji, right, and Switzerland's midfielder Blerim Dzemaili, left, during an internatio ...
Akanji ist gerade daran, sich unverzichtbar zu machen.Bild: KEYSTONE

Dzemaili profitiert von seiner Rückkehr

Die gute Nachricht für Blerim Dzemaili: Egal, was passiert, er geniesst das Vertrauen von Nationaltrainer Petkovic. Das ist nicht selbstverständlich. Hat sich doch Dzemaili in seiner Nati-Karriere vor Petkovic stets mit einer Reservistenrolle begnügen müssen. Nun ist er gesetzt. Petkovic hält auch dann an ihm fest, wenn er in Kanada spielt und ihm fast nichts mehr gelingt. Wie in Portugal oder in der Barrage. Doch nun ist Dzemaili zurück in der Serie A bei Bologna – und scheint neues Selbstvertrauen geschöpft zu haben. Ein schönes Tor. Mehrere gute Aktionen. So ist er eine Hilfe. Und lässt erahnen, dass er an guten Tagen den häufig vermissten offensiven Spielmacher geben kann.

Der herrliche Treffer von Dzemaili.Video: streamable

Embolo gehört in den Sturm

In Abwesenheit von Xherdan Shaqiri nimmt Breel Embolo dessen Position auf der rechten Seite ein. Die Idee ist gut. Aber Embolo ist ganz vorne besser aufgehoben. Er ist mit seiner physischen Präsenz Gold wert im Strafraum. Seine Tempoverschärfungen sind für fast jede Abwehr ein Problem. Aber er ist zu wenig flink, um von der Seite Gefahr zu entwickeln.

Switzerland's forward Breel Embolo controls the ball during an international friendly soccer match between Greece and Switzerland at the Olympic stadium, in Athens, Greece, Friday, March 23, 2018 ...
Die Chancenauswertung ist bei Emoblo noch verbesserungswürdig.Bild: KEYSTONE

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In diesen Arenen wird die Fussball-WM 2018 entschieden. (Bild: Stadion in Nischnij Nowgorod)
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15 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Le_Urmel
24.03.2018 09:49registriert Juni 2014
Ich weiss ja nicht, was der Autor für ein Spiel gestern abend verfolgt hat, aber das war ein Grottenkick, im Vergleich zu dem Spiel Spanien gegen Deutschland lagen da Welten zwischen
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fcsg
24.03.2018 10:03registriert Juni 2015
Solider Auftritt gestern?! Ganz ehrlich, das war etwas vom Schlechtesten was ich je auf Nati-Stufe gesehen habe (mit Ausnahme des Treffers). Es gab keine Kombinationen, keinen Zug aufs Tor, der 1. Schuss in Richtung Tor kam nach 26 Minuten etc. Klar, der Gegner war auch keine Augenweide, aber gerade dann muss das Ziel doch sein saubere Kombinationen und Auslösungen zu spielen... Zum Glück spielte nachher noch Deutschland-Spanien, das ist Fussball und die sind heiss auf die WM. So wird das mit der CH-Nati nichts an der WM, Achtelfinale könnte drinliegen, aber die Mannschaft wird nichts reissen.
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de_spy
24.03.2018 10:31registriert April 2016
Ich bin leider skeptischer als der Autor. Sie machen das zwar nicht schlecht und kontrollieren so gut wie jeden Match. Allerdings fehlt es sehr daran wirklich hochkarätige Chancen herauszuspielen. So ist die Wahrscheinlichkeit grösser drei Mal 0:0 in der Gruppenphase zu spielen als ins Achtelfinale einzuziehen...
(auch wenn sich beides nicht mal ausschliessen muss)
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