Das vergangene Wochenende dürfte als eines der peinlichsten in die Schweizer Eishockeygeschichte eingehen. Dabei beginnt es eigentlich gut: Am frühen Samstagabend fertigt der EV Zug das finnische Team JYP Jväskylä mit 6:3 ab. Endlich haben auch die Zentralschweizer in der Champions Hockey League (CHL) den Tritt gefunden. Wenig später schlagen sich die ZSC Lions gegen den zweifachen Titelhalter Frölunda achtbar, verlieren aber knapp. Nichts wofür man sich schämen muss.
Doch in der Zwischenzeit hat die Peinlichkeit parallel zum Spiel in Zürich seinen Lauf genommen. Der Schweizer Meister SC Bern gerät im englischen Nottingham nach einer 2:0-Führung plötzlich noch in Bedrängnis. Weil Jérémie Kamerzin und Yannick Burren im Lauf der Partie verletzt ausfallen, spielt der SCB nur noch mit vier Verteidigern. Das hat Folgen. Nach zwei Dritteln hat Nottingham die Partie ausgeglichen. Im dritten Abschnitt gehen die Hausherren gar in Führung und schaukeln den Sieg über die Zeit.
Hockey-Europa schmunzelt über die Berner Blamage. Auch im Davoser Fanlager ist die Schadenfreude gross. Doch HCD-Anhänger werden bald wieder auf den Boden der Realität zurückgeholt. Der Schweizer Rekordmeister verliert am Sonntag auswärts bei den Cardiff Devils nach Verlängerung. Es ist das letzte Kapitel eines blamablen Wochenendes.
Doch wie kann es zu einer solchen Peinlichkeit kommen? Im Vorfeld konnte damit nicht gerechnet werden, schliesslich gewann Davos das Hinspiel gegen Cardiff zuhause mit 10:1. Und auch Bern feierte vor eigenem Anhang einen ungefährdeten 5:2-Sieg gegen Nottingham. Nehmen die Schweizer Klubs die CHL etwa immer noch nicht ernst?
Nein, daran liegt es in diesem Jahr nicht. Bei Davos steht die Champions Hockey League weit oben auf der Prioritätenliste. Trainer Arno Del Curto sieht in ihr einen Wettbewerb, den er noch nie gewonnen hat, aber unbedingt noch gewinnen will. Dass man im Hinspiel gegen Cardiff immer noch intensiv weiterspielte, obwohl man nach 34 Minuten 5:0 führte, ist ein klares Indiz dafür, dass Davos eigentlich konsequent zur Sache gehen will. Und seit beim SCB Kari Jalonen an der Bande steht, wird der europäische Vergleich ebenfalls ernst genommen.
Vielen Dank und gute Nacht to the impressive @Hockeysince1921 fans who were passionate and loud all game long 👏Safe travels home! pic.twitter.com/OkOOD66Qhi
— Cardiff Devils 🏒 (@cardiffdevils) 3. September 2017
Viel eher wurden nach den lockeren Heimsiegen die britischen Gegner unterschätzt. Bern trat auswärts gegen ein nach zwei Siegen gegen das tschechische Mountfield euphorisiertes Nottingham an. Die Mutzen trafen auf erstaunlich viel Gegenwehr. Die Schussverteilung zeigt: Nottingham gelang es, die Berner aus dem Slot herauszuhalten.
Dazu kommt, dass dem SCB aufgrund der verletzten Spieler etwas die Luft ausging. Dennoch erzeugten die Berner in der Schlussphase nochmals viel Druck. Der späte Ausgleichstreffer hätte genau so gut fallen können wie der Empty-Netter der Panthers.
Die Niederlage des HCD in Cardiff lässt sich dagegen ausschliesslich an der eigenen Leistung festmachen. Die Bündner machten den Eindruck, als wären sie gar nie richtig in Wales angekommen. Sie krochen förmlich übers Eis, reihten Fehlpass an Fehlpass, waren im Abschluss absolut harmlos und in der Defensive unglaublich fehlerhaft.
Es war keine typische Niederlage gegen einen krassen Aussenseiter. Die Devils standen nicht unter Dauerdruck und sie kamen nicht dank einer aussergewöhnlichen Torhüterleistung und einem Lucky-Punch zum Sieg. Nein, der britische Vertreter war von A bis Z die bessere Mannschaft, was vor allem an der fehlenden Davoser Gegenwehr lag. Cardiff hatte deutlich mehr Schüsse zu verzeichnen und gewann rund zwei Drittel aller Bullys. Oder anders formuliert: Mit einer Leistung wie am Sonntag in Cardiff hätte Davos auch in der Swiss League (ehemals NLB) Mühe.
Bern muss sich keine Sorgen machen. Die Mannschaft funktioniert und lässt sich auch durch einen einmaligen Ausrutscher nicht aus dem Tritt bringen. Mit zwei Siegen gegen Mountfield sind auch die Achtelfinals in der Champions Hockey League noch problemlos möglich. Davos dagegen muss reagieren. Derart blutleere Auftritte können sie sich weder in der CHL noch in der National League leisten. Andernfalls steckt der Rekordmeister bald in grossen Schwierigkeiten.