Auf dem Papier war die Sache vor dem Playoff-Viertelfinal zwischen Qualifikationssieger Genf und dem Zehntplatzierten Lugano eigentlich klar. Und doch steht es nach vier Spielen und dem gestrigen Sieg von Lugano in der Verlängerung 2:2 unentschieden.
Ist die Serie tatsächlich derart auf Augenhöhe, wie uns das Resultat glauben machen will? Diese Dinge sind bislang aufgefallen.
Klar ist: Genf müsste in dieser Serie eigentlich führen. Sie waren in allen vier Spielen bislang die klar aktivere und torgefährlichere Mannschaft. Das zeigt sich bei der Chancenkontrolle (prozentualer Anteil der Expected Goals in den einzelnen Spielen). In keiner Partie hatte Genf weniger als 58 Prozent der Expected Goals auf seiner Seite – eigentlich ein herausragender Wert.
Beeindruckend ist auch, in wie vielen unterschiedlichen Situationen Genf gefährlich werden kann. Mal dominieren sie ein Spiel mit Rush-Angriffen, dann installieren sie sich in der offensiven Zone und schnüren Lugano so ein. Und wiederum ein andermal kreieren sie ihre Chancen mit Puck-Eroberungen durch gutes Forechecking.
Doch dass Expected Goals für einzelne Spiele nicht die Welt bedeuten, zeigt die Tatsache, dass es in dieser Serie 2:2 steht. Der Fall ist klar: Diesen Umstand hat Lugano hauptsächlich Mikko Koskinen zu verdanken. Der finnische Keeper hat sich nach dem missratenen ersten Spiel gefangen und ist seither nur noch schwer bezwingbar.
Aufgrund der Genfer Chancen hätte Koskinen bereits mehr als 17 Tore erhalten müssen. Tatsächlich musste der langjährige NHL-Goalie in den vier bisherigen Playoff-Spielen erst neunmal hinter sich greifen. Damit geht das Goalie-Duell klar an den HC Lugano. Gauthier Descloux (3 Spiele) und Robert Mayer (1 Spiel) haben auf Genfer Seite gerade etwa so viele Tore erhalten, wie sich Lugano Expected Goals herausgespielt hat.
Man hat in den ersten vier Spielen aber auch gesehen, dass Servette beim Toreschiessen in den Playoffs noch viel abhängiger ist von seinen besten Spielern. Teemu Hartikainen, Linus Omark, Sami Vatanen oder auch Marco Miranda und Tanner Richard liefern.
Von der zweiten Genfer Garde kommt bislang noch zu wenig. Vincent Praplan (15 Tore, 21 Assists in der Regular Season) und Josh Jooris (8/13) stehen in den Playoffs noch ohne Skorerpunkt da. Marc-Antoine Pouliot (13/16) hat nach vier Spielen gegen Lugano ein Tor und keinen Assist auf dem Konto. Dazu fällt bei Genf sicher der Ausfall von Captain Noah Rod ins Gewicht, der seit der Auftaktpartie nicht mehr gespielt hat.
Aber auch Lugano kämpft mit Ausfällen. Mark Arcobello und Brett Conolly haben noch kein Playoff-Spiel bestritten. Zuletzt fiel auch Kris Bennett aus. So bleibt die Frage, wer in dieser intensiven Serie – es ging schon zwei Mal in die Verlängerung – die grösseren Energiereserven hat.
Genf hat seine besten Spieler (insbesondere die Import-Spieler Tömmernes, Vatanen, Omark und Filppula) schon in der Regular Season stark forciert. In den Playoffs haben nun alle nochmals eine gute Schippe mehr Eiszeit erhalten. Besonders krass ist der Fall von Henrik Tömmernes, der nach der dreifachen Verlängerung vom vergangenen Samstag auf durchschnittlich mehr als 35 Minuten Eiszeit pro Spiel kommt.
Dass Servette-Trainer Jan Cadieux seine besten Spieler noch stärker forciert, zeigt sich auch an der Tatsache, dass trotz des langen Spiels 3 sieben Spieler in den Playoffs durchschnittlich weniger Eiszeit erhalten als in der Regular Season. Noah Rod kann man nach seiner Verletzung nicht dazuzählen.
Da verteilt Luganos Cheftrainer Luca Gianinazzi trotz Ausfällen die Eiszeiten regelmässiger. Kein Spieler kommt in die Nähe von durchschnittlich 30 Minuten Eiszeit pro Spiel. Nur zwei Spieler erhalten weniger Eiszeit als in der Regular Season. Besonders krass ist der Einbruch der Einsatzzeit bei Elia Riva, der in den Playoffs nur noch als siebter Verteidiger zum Einsatz kommt.
Die besten Spieler geben dir natürlich die beste Chance, ein Spiel zu gewinnen. Es ergibt Sinn, möglichst oft auf sie zu setzen. Es wird erst zum Problem, wenn diese Spieler dann so erschöpft sind, dass sie für sie untypische Fehler begehen. Was den Energiehaushalt angeht, dürfte Lugano also für den weiteren Verlauf leichte Vorteile haben.
-Energiehaushalt/Verteilung der Eiszeit
-kein Secondary Scoring
-Koskinen
Und zu Lugano:
Da zeigt sich, dass der Entscheid einen jungen Trainer aus der eigenen Organisation das Vertrauen zu geben, die richtige wahr. Gianinazzi wird nicht verbraten, wie einige die Befürchtung hatten, vielmehr scheint es als ob die Luganesi nun den richtigen Coach für die Zukunft gefunden haben.