In der letzten Septemberwoche kam bereits leichte Unruhe im Landwassertal auf. Der HC Davos holte aus den ersten vier Spielen der Saison nur einen Sieg. Am 24. September gipfelte die frühe Minikrise in einer 0:7-Klatsche auswärts bei den SCL Tigers. Die Bündner waren im Tabellenkeller zu finden.
Auch HCD-Trainer Josh Holden war sich der kritischen Situation bewusst. Er sagte nach der Pleite in Langnau: «Ich muss mich intensiv mit unserer Situation befassen und dann die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Dann gilt es, diese oder jene Knöpfe zu drücken.» Welche Knöpfe das tatsächlich waren, wissen wohl nur Holden und seine Spieler, aber es scheint funktioniert zu haben. Seit dem Debakel in Langnau hat Davos neun seiner zwölf Spiele gewonnen und ist in der National League bis auf den dritten Platz vorgerückt.
Was also macht Davos seither konkret besser? Schauen wir es uns etwas genauer an.
Sandro Aeschlimann ist einer der besten Torhüter der National League. Gemeinsam mit Luca Hollenstein haben die Davoser sogar potenziell eines der besten Tandems der Liga zusammen. Bis zum Debakel in Langnau haben aber beide ihr Potenzial nicht ausgeschöpft.
Seither scheint aber ein Ruck durch das Torhüter-Duo gegangen zu sein. Bis auf ein Spiel gegen die ZSC Lions haben beide Keeper immer weniger Gegentreffer kassiert, als es aufgrund der zugelassenen Chancen zu erwarten gewesen wäre. Es ist ziemlich offensichtlich: Will der HCD vorne mitspielen, braucht er starke Torhüter. Und auf solche konnten die Bündner zuletzt stets zählen.
Ist es jetzt ein negativer Höhepunkt oder ein Tiefpunkt (siehe Grafik), wenn man extrem viele gegnerische Torchancen zulässt? Jedenfalls kam dieser Höhe- oder Tiefpunkt nicht beim Debakel in Langnau, sondern vier Tage später bei einem Spiel gegen den EV Zug. Dort liessen die Davoser bei 5-gegen-5 Chancen für 3,47 Gegentore zu, trotzdem gewannen sie dank starken Goalies am Ende mit 6:2.
Seither hat sich die HCD-Verteidigung aber gefangen. Gerade in den Spielen danach hat Holdens Hintermannschaft nur noch sehr wenig zugelassen – eine Qualität, die sie auch in den letzten Jahren ausgezeichnet hat. Davos schafft es, dass die Gegner vorwiegend aus eher ungefährlichen Situationen zum Abschluss kommen. Nach Fribourg und Zug lassen die Bündner die drittwenigsten Schüsse aus dem Slot pro Spiel zu.
Der defensiv stärkste Verteidiger ist übrigens überraschenderweise Julius Honka. In Bern noch als «Zirkusspieler» verschrien, lässt Davos mit keinem Verteidiger auf dem Eis weniger zu als mit dem Finnen. Ein gutes Zeichen, zumal Honka beim HCD auch viel Eiszeit erhält.
Das alles hat zur Folge, dass Davos nun auch fast immer mehr Spielanteile hat als der Gegner. Nach dem Zug-Spiel hat der HCD nur einmal in elf Spielen weniger Chancen gehabt als der Gegner. Das ist natürlich eine gute Basis, um Spiele zu gewinnen.
Der HC Davos betreibt in dieser Saison wenn nötig ein sehr vehementes und wirkungsvolles Boxout. Das bedeutet: Wenn ein gegnerischer Spieler versucht, sich vor dem Tor zu installieren, schaffen die Verteidiger diesen konsequent, aber meist mit fairen Mitteln weg.
Das hilft in zweierlei Hinsichten. Einerseits hat der Goalie so fast immer eine gute Sicht auf den Schützen. Gerade ein Torhüter wie Sandro Aeschlimann macht dank seiner Ruhe und seiner Reflexstärke so fast immer den Save. Auch bei 1-gegen-1-Duellen in direkten Gegenstössen kann er sich behaupten. Andererseits wissen die HCD-Goalies auch, dass ihre Verteidiger zumeist den Slot kontrollieren. Auch wenn Aeschlimann und Hollenstein mal wenig sehen und einen Abpraller zulassen, so sind die Davoser oft zur Stelle, um diese wegzuräumen.
Im Sturm hat es im Landwassertal auf diese Saison hin einige Veränderungen gegeben – hauptsächlich bei den Importspielern. Leon Bristedt, Aleksi Mustonen, Tomas Jurco und Denis Rassmussen sind weg, Filip Zadina, Simon Ryfors und Adam Tambellini sind auf den Ausländerpositionen neu dabei.
Es scheint, als hätte diese neue Truppe einen Moment Zeit gebraucht, um auf Touren zu kommen. Doch seit dem verhaltenen Saisonstart ist ein Aufwärtstrend zu erkennen. Es gelingt den HCD-Stürmern (und Verteidiger Honka, der offensiv ebenfalls brilliert), nun regelmässig Chancen für mehr als drei 5-gegen-5-Tore pro Spiel zu kreieren. Neben Topskorer Tambellini, dem extrem starken Zadina und dem konstanten Knipser Stransky sorgt auch Tino Kessler, der kürzlich von einer Verletzung zurückgekehrt ist, bei den Gegnern für Probleme.
Wie zu besten Del-Curto-Zeiten ist Davos bei den sogenannten Rush-Angriffen (Abschluss innert 5 Sekunden nach Betreten der Offensivzone) brandgefährlich. Die Bündner können ihre Gegner aber auch einschnüren. Einzig nach Forecheck-Situationen sind sie nicht besonders effektiv.
Das «Geheimrezept» der Davoser ist eigentlich ein simples, aber umso effizienter: Bei der grossen Mehrheit ihrer Tore haben sie einen oder gar zwei Spieler vor dem Tor platziert. Diese nehmen dem gegnerischen Torhüter die Sicht, lenken Scheiben ab oder verwerten Abpraller. Sie schaffen also das, was die Gegner vor Sandro Aeschlimann und Luca Hollenstein noch zu wenig oft hinkriegen.
Was auffällt: Der HCD hat nicht nur Spieler direkt vor dem Tor, wenn sie länger installiert sind. Auch bei Rush-Angriffen sucht ein zweiter Spieler – sofern einer mitläuft – immer den direkten Weg aufs Tor. Dabei opfert Davos teilweise gar eine mögliche Passoption, aber auch hier kann der Goalie gestört oder können Abpraller verwertet werden.
Noch ist beim HCD aber nicht alles rosig. Die ausländischen Spieler performen gut, von den Schweizern kommt eher noch etwas zu wenig. Valentin Nussbaumer ist weit von seiner letztjährigen Form entfernt. Enzo Corvi kommt auch nach überstandener Verletzungsmisere nicht an seine besten Zeiten als Spielmacher heran. Und Andres Ambühl und Marc Wieser sind die einzigen Davoser Stürmer, die bei ihren Einsätzen mehr gegnerische Chancen zulassen, als sie selbst kreieren.
Das Bündner Powerplay ist zudem eines der ungefährlichsten der Liga. Die Effizienz ist zwar akzeptabel (19,05 Prozent, leicht unter dem Ligadurchschnitt). Doch mit einem Mann mehr gelingt es dem HCD viel zu selten, für Torgefahr zu sorgen. Nur die ZSC Lions und der EHC Biel kreieren in Überzahl noch weniger Chancen.
Das alles scheint der HCD aktuell aber kompensieren zu können. Die Ausländer funktionieren genauso hervorragend wie das 5-gegen-5-Spiel und das Penalty Killing. Sollten Tambellini, Zadina oder Honka mal in eine Baisse geraten, gibt es berechtigte Zweifel, ob die etwas veraltete Schweizer Garde beim HCD das zu kompensieren vermag. Doch Davos und Josh Holden werden die aktuelle Erfolgswelle reiten, solange sie können. Heute Abend (19.45 Uhr) steht auswärts bei den SCRJ Lakers der nächste Test an.
Die Handschrift Holdens ist zu erkennen, das ganze Potential der Mannschaft ist aber noch nicht ausgeschöpft. Dieses braucht es ja aber auch bekanntlich erst im Frühjahr…!
Sehr schnell kann's gehen.
Für die Davoser hoffe ich natürlich, dass die dort oben bleiben!