Die Hornusser – senkrechte Musterschweizer und konservative Blocher-Buben? Völlig falsch. Hornusser sind aufmüpfiger, moderner, kritischer und internationaler als die meisten anderen Sportler. Seit mehr als 300 Jahren.
Alle drei Jahre wird den Hornussern urwüchsige Art, bodenständiges Wesen, erdgebundener Charakter quasi amtlich bescheinigt. Wenn die Politiker beim «Eidgenössischen» ihre Lobreden halten. Ueli Maurer wird beim diesjährigen Eidgenössischen in Limpach der Festredner sein.
Hornusser sind in der Tat Musterschweizer – aber anders, als die Festredner glauben. Hornusser sind kritisch, intelligent, weltoffen, gewiss im Geiste. Frank A. Meyer oder Adolf Muschg so nahe wie Christoph Blocher oder Adolf Ogi.
Hornussergesellschaften waren schon vor 300 Jahren im autoritären Stadtstaat Bern Keimzellen der Demokratie. Von Kanzeln herab wetterten die Pfarrherren gegen die Hornusser, und die Obrigkeit versuchte vergeblich, das Spiel zu verbieten.
Unabhängig von Beruf, Stand und Religion schlossen sich die Männer in den Hornussergesellschaften zu einer Interessengemeinschaft zusammen – Bauer und Knecht, Viehhändler und Melker, Advokat und Taglöhner, Söhne, Väter und Grossväter.
Als man in Paris die Wörter Guillotine und Robespierre noch nicht einmal buchstabieren konnte, wussten die Emmentaler dank den Hornussern schon, was die französische Revolution wollte.
Im 19. Jahrhundert, als die demokratischen Ideale in der Bundesverfassung verankert waren, wurden die unbändigen Energien der Hornusserkultur frei, die Hornusser mutierten vorübergehend zu «Agrar-Rockern».
Sie sahen sich mehr als hundert Jahre vor dem modernen Sport in ihrem Spiel mit den Problemen Alkohol und Gewalt konfrontiert. Die Spieler, vom Branntwein erhitzt, machten rasch Schindel und Stecken zu Schlagwerkzeugen. Das «Nachspiel» zu einer Partie in Form wüster Schlägereien und Gerichtshändel entheiligte das Hornussen.
1886 forderte die Kirchensynode des Kantons Bern gar ein generelles Hornussenverbot. Doch die Hornusser brachten selber, ohne fremde Einmischung, Ordnung in ihr Spiel. Sie gründeten 1902 ihren Verband, organisierten 1907 eine Unfallversicherung für sämtliche Spieler.
Die Hornusserbewegung hat sich dem Wandel der Schweiz vom Agrar- zum Industrie- und Dienstleistungsstaat angepasst. Heute sind die Bauern in der Minderheit. Ärzte, Juristen, Bänkler und Versicherungsfachleute in der Mehrheit.
Durch den Beitritt zum Landesverband für Sport (1978) unterliegen die Hornusser sogar den Doping-Gesetzen. Fairplay wird grossgeschrieben. Vorbei die Zeiten, als der Nouss blau eingefärbt wurde, damit ihn die Abtuer vor dem Hintergrund des blauen Himmels nicht sahen. Heute ist undenkbar geworden, dass die Verlierer durch flegelhaftes Benehmen die Siegerehrungen verunmöglichen.
Heute wird Schlauheit und Kreativität in immer sorgfältigere Materialvorbereitung investiert. Die Hornusser passen laufend die Reglemente und das Material zweckmässiger und umsichtiger den Erfordernissen der Entwicklung an, als die meisten olympischen Sportarten.
Aber doch politisch konservativ? Mitnichten. Im Bernbiet respektierten die Hornusser weibliche Kampfrichter, lange bevor die erste Frau im Grossen Rat sass und das Wort «Emanze» in die deutsche Sprache kam. Im Emmental sind Tamilen geschätzte und tüchtige Aktivmitglieder in Hornussergesellschaften. Die Trinkhörner als symbolische Preise importierten Hornusser aus Kostengründen schon in den 30er Jahren aus Argentinien. Gegen südafrikanische Gesellschaften trugen sie Wettkämpfe aus, als über dem Burenstaat wegen der Apartheid noch ein weltweiter Boykott lag.
Weil sich eine Hornusserpartie in der Regel über einen halben Tag lang hinzieht, bleibt viel Zeit für Gespräche – in den Emmentaler und Oberaargauer Dörfern sind die Hornussergesellschaften mächtiger als die politischen Parteien, mächtiger als die Fussball- und Hockeyklubs. So mancher politische Entscheid ist während des Hornusser-Spiels aufgegleist worden.
Hornusser – die besseren Schweizer? Vielleicht. Jedenfalls haben Hornusser Stil. Der legendäre Ruedi Etter war während Jahren als Zentralpräsident oberster Hornusser und hatte als Offizier, Unternehmer und Nationalrat auch neben dem Ries viel Wasserverdrängung.
Er pflegte im pechschwarzen Mercedes vorzufahren. Als sein Mosterei-Imperium unter einem Schuldenberg zusammenbrach, floh er nicht feige auf die Bahamas. Er wählte den Freitod wie ein Mann von Welt.
Im schwarzen Benz.