Bei der aktuellen Aufregung im Snooker-Sport handelt es sich um einen mutmasslichen Wettskandal. Die «World Professional Billiards & Snooker Association» (WPBSA) hat innerhalb weniger Wochen gleich sieben chinesische Snooker-Profis gesperrt, weil sie Spiele manipuliert haben sollen, um Wettgewinne zu ermöglichen.
Wie die WPBSA mitteilt, handelt es sich dabei um eine «weiterhin laufende Ermittlung aufgrund von Vorwürfen der Spielmanipulation und Verstössen gegen die WPBSA-Vorschriften».
Spielmanipulationen im Snooker können einerseits Partien sein, die vom favorisierten Spieler absichtlich verloren werden. Andererseits kam es in der Vergangenheit auch schon vor, dass stark favorisierte Spieler Geld akzeptierten und im Gegenzug dafür sorgten, dass ihr Sieg einfach knapper ausfiel (mit mehr verlorenen Frames, den «Sätzen» im Snooker), als dies von den Wettbüros erwartet wurde.
Bei den mittlerweile sieben gesperrten Spielern handelt es sich um die Chinesen Yan Bingtao, dessen Sperre gestern bekannt wurde, Lu Ning, Li Hang, Zhao Jianbo, Bai Langning und Chang Bingyu, die seit vergangenem Freitag gesperrt sind, und Liang Wenbo, der bereits Ende Oktober suspendiert wurde.
Gerade Yan Bingtao als Nummer 16 der Weltrangliste und zweitbester Chinese nach Zhao Yingtong ist ein grosser Name. Der 22-Jährige hat vor zwei Jahren das Masters gewonnen und stand vor einem Jahr im WM-Viertelfinal. Aber auch Lu Ning (Weltnummer 41), Liang Wenbo (Weltnummer 52) und Li Hang (Weltnummer 62) sind keine kleinen Fische.
Bingtao hätte am Montagmorgen zu seiner Partie am British Open gegen Ashley Hugill antreten sollen, wurde auf dem Weg dorthin aber abgefangen und noch im Brentwood Centre befragt. Wenig später gab der WPBSA-Vorsitzende Jason Ferguson bekannt, dass der Chinese bis auf Weiteres gesperrt wurde. Wie genau die einzelnen Spieler in den Skandal verstrickt sind, ist aktuell noch nicht bekannt.
Als bislang einziger involvierter Spieler hat Chang Bingyu gestanden, dass bei einem seiner Spiele etwas nicht mit rechten Dingen zu- und hergegangen sei. Der 20-Jährige schrieb in einem mittlerweile gelöschten Post auf dem chinesischen sozialen Netzwerk Weibo, dass er von seinem ebenfalls gesperrten Landsmann Liang Wenbo bedroht worden sei.
Chang Bingyu today published a statement on weibo. He claimed that he was threatend by Liang to lose to Jamie Jones in British Open with the scoreline of 1-4. Liang insisted Chang to lie when the investigation started, but Chang chose to tell WPBSA everything. https://t.co/QwOe56YAYM pic.twitter.com/MEPCXzJUXa
— sinosports (@sinosportsCHN) December 10, 2022
Bingyu erklärte: «Liang Wenbo hat mich gezwungen, mein Spiel gegen Jamie Jones beim British Open 2022 mit 1:4 zu verlieren. Er rief mich an und sagte in drohendem Ton, er habe darauf gewettet. Ich hatte Angst, weil er so viel Geld gesetzt hatte.»
Here is the end of a match b/w Chang Bingyu and Jamie Jones which Liang Wenbo forced Chang to lose 4-1. He lost the cue ball on purpose and missed pink by a mile.#Snooker pic.twitter.com/wvxB2h5A1D
— 147mag (@147Magtr) December 12, 2022
Weiter schrieb Bingyu, dass er aktiv an den Ermittlungen mitarbeiten und seine Strafe akzeptieren werde. Liang Wenbo hingegen stritt die Vorwürfe ebenfalls mit einem Post in sozialen Netzwerken ab. Er sagte, dass er noch nie in Spielmanipulationen involviert gewesen sei. Wenbo wurde bereits im Oktober gesperrt und hat sich seither zurückgezogen.
Eurosport-Experte Jimmy White sprach von «einem wirklich schlimmen Tag für das Snooker». Man müsse das Ende der Untersuchungen abwarten, um zu sehen, was wirklich passiert sei. Doch für den Engländer ist klar: «Die Spielmanipulationen müssen aus dem Spiel verschwinden. Das muss ausgemerzt werden, und ich bin sicher, das wird es auch.»
Der frühere Profi Neal Foulds nahm unter anderem den beschuldigten Yan Bingtao in Schutz: «Ich habe ihn während seiner gesamten Karriere beobachtet und gesehen, dass er am Tisch immer alles gegeben hat. Ich bin also sehr schockiert.»
Eurosport-Kommentator Rolf Kalb warnt davor, jetzt gleich den Stab über alle Spieler aus China zu brechen: «Eine derartige Verallgemeinerung ist nicht zulässig und wäre rassistisch.» Wer das als chinesisches Problem abtue, verkenne die Strukturen dahinter.
Nein. Im Jahr 2013 wurde der Brite Steven Lee für 13 Jahre gesperrt, weil er 2008 und 2009 Spiele manipuliert hatte. Deutlich mehr Milde erfuhr der vierfache Weltmeister John Higgins im Jahr 2010. Er wurde für sechs Monate gesperrt, weil sein Agent absichtliche Niederlagen seines Klienten anbot.
Die Untersuchung im jüngsten Snooker-Wettskandal ist noch nicht abgeschlossen. Die vorsorgliche Sperre gegen die sieben betroffenen Spieler bleibt bestehen, bis die definitiven Ergebnisse vorliegen. Ob noch weitere Spieler gesperrt werden, lässt sich Stand jetzt unmöglich abschätzen. Experten nehmen an, dass es noch mehrere Monate dauern wird, bis der Fall abgeschlossen ist.