
Bayerns Thomas Müller (mit Schale in der Hand) beschrieb die Gefühlslage nach dem sechsten Meistertitel in Serie wie folgt: «So wie wenn man in der Kreisklasse aufsteigt, nur vielleicht ein bisschen gedämpfter.»Bild: EPa
Zweitliga-Klub Union Berlin hat ein Positionspapier zum Profifussball in Deutschland veröffentlicht. Der Arbeitgeber von Trainer Urs Fischer will die Ligen revolutionieren – und denkt dabei auch an die Fans.
04.10.2018, 11:2905.10.2018, 06:11
Die DFL, welche die 1. und 2. Bundesliga führt, plant auf nächste Saison zahlreiche Änderungen ihrer Strukturen. Das hat der 1. FC Union Berlin zum Anlass genommen, sich grundlegende Gedanken zum Profifussball in Deutschland zu machen. Und der Zweitligist – vom Zürcher Urs Fischer momentan auf Rang 2 geführt – hat ein Positionspapier mit Änderungsvorschlägen veröffentlicht.
Union-Präsident Dirk Zingler stellt einen Kurswechsel zur Diskussion: «Wir sollten uns damit auseinandersetzen, in welche Richtung wir künftig gehen wollen.» Zinglers Meinung und die von Union Berlin ist sehr deutlich. «Wir halten einen Kurswechsel für dringend notwendig.»

Public Viewing auf mitgebrachten Sofas: Union Berlin gilt als «etwas anders».Bild: reuters
Denn der Hauptstadtklub sieht deutliche Anzeichen dafür, dass der deutsche Profifussball an einem Scheideweg steht. Bayern München fehle die Konkurrenz im Kampf um den Titel, im Europacup würden die Bundesliga-Vertreter frühzeitig scheitern und es sei eine zunehmende Entfremdung zwischen wichtigen Interessengruppen festzustellen. «Der Profifussball entfernt sich von denen, die ihn ausmachen – den Menschen.»
Eine geringe Zahl von Klubs sei dem Rest uneinholbar enteilt, heisst es weiter. «Der sportliche Wettbewerb ist vor allem ein wirtschaftlicher geworden.» Diese Entwicklung bedrohe den deutschen Fussball insgesamt, denn die Spirale könnte sich weiter in die falsche Richtung drehen. «Wird der nationale Wettbewerb uninteressant, sinkt zuerst das Interesse der Menschen, danach das der Medien und schliesslich das Interesse der Sponsoren. Ein schwacher nationaler Wettbewerb schwächt auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit.»
Die 5 wichtigsten Punkte des Positionspapiers:
Aufstockung der Ligen
Die höchsten drei Ligen sollen neu 20 Teams haben. Bisher bestehen die 1. und die 2. Bundesliga aus 18 Mannschaften. Die 3. Liga, bisher nicht von der DFL organisiert, soll ebenfalls unter das gemeinsame Dach kommen, da auch sie Profiteams beherbergt. Die 3. Liga hat jetzt schon 20 Teams.
«Deutschland verfügt über eine Vielzahl attraktiver Vereine mit hohem Zuschaueraufkommen und wettbewerbsfähiger Infrastruktur. Eine Aufstockung der Profiligen erhöht die Chance der Vereine auf Teilnahme daran. Klubs, die nicht in europäischen Wettbewerben vertreten sind, erzielen einen wichtigen Teil ihrer Einnahmen durch die Austragung von Fussballspielen. Im Vergleich zu den dort vertretenen Klubs fehlen ihnen nicht nur die Prämien aus diesen Wettbewerben, sondern sie tragen auch deutlich weniger Spiele aus. Die zusätzliche Anzahl von vier Meisterschaftsspielen ist daher für diese Klubs sportlich und finanziell attraktiv und für die Top-Klubs eine verkraftbare Belastung.»
Durchlässigkeit
Nur noch der Meister soll direkt aufsteigen, die weiteren Aufstiegsplätze sollen in Playoffs ermittelt werden. Damit könnten mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden:
«In den Regionalligen ist derzeit nicht einmal jedem Meister der Aufstieg in die 3. Liga sicher. Eine angemessene sportliche Würdigung der Meisterschaft ist der alleinige feste Aufstieg des Titelträgers. Die Durchlässigkeit zwischen den Ligen wird über Playoff-Spiele mehrerer Mannschaften gewährleistet, in deren Rahmen mehrere Teilnehmer der benachbarten Ligen um eine bestimmte Anzahl an Plätzen in der höheren Liga spielen. Alle Teilnehmer profitieren von zusätzlichen attraktiven Spielen.»
Wir machten uns vor einem Jahr grundlegende Gedanken:
Salary Cap
Sind die ersten beiden Änderungsvorschläge noch in erster Linie moduskosmetischer Natur, so dürfte diese Änderung für viel Juristenfutter sorgen. Für Union Berlin ist ein Salary Cap, wie ihn die nordamerikanischen Sport-Ligen kennen, aber der richtige Weg:
«Der deutsche Profifussball sollte bei Begrenzung von Gehaltsetats sowie Anzahl der Leihspieler eine Vorreiterposition einnehmen und dafür werben, diese auch europaweit einzuführen. Die Begrenzung von Spielergehältern ist ein deutliches Zeichen, die stetige Aufwärtsspirale in längst nicht mehr vermittelbare Höhen nicht länger mitzugehen. Gleiches gilt für die Begrenzung der Anzahl der Leihspieler je Verein. Die Tendenz, mehr und mehr Spieler zu leihen bzw. zu verleihen, gefährdet die Identifikation mit den Klubs, sowohl von Seiten der Spieler als auch von Seiten der Fans. Diese Entwicklung kann und sollte in einem noch relativ frühen Stadium gestoppt werden.»
Deutsche Fussballfans wollen keine Montagsspiele
1 / 13
Deutsche Fussballfans wollen keine Montagsspiele
Selten sind sich Fans aller Teams so einig: Sie wollen am Wochenende ins Stadion gehen.
quelle: epa/epa / armando babani
Anspielzeiten
Nebst der sinkenden Identifikation der Fans mit dem Klub, weil ständig Spieler kommen und gehen, aber kaum einer länger bleibt, sorgt sich «Eisern Union» auch sonst um die Anhänger. Den in weiten Kreisen verhassten Montagsspielen soll es an den Kragen gehen:
«Eine auf die Stadionbesucher ausgerichtete Anpassung der Anstosszeiten und die Beachtung von Maximalentfernungen bei Freitags- bzw. Wochentags-Spielen ermöglichen vielen Menschen den Stadionbesuch und werten die Atmosphäre auf. Montagsspiele gehören abgeschafft.»

«11 Freunde» widmete sich bereits vor zwei Jahren dem Thema.bild: 11 freunde Der Klub, dessen Alte Försterei mit über 20'000 Zuschauern zumeist nahezu ausverkauft ist, will den Sport wieder näher ans Publikum bringen:
«Neben den Akteuren auf dem Platz sind die Stadionbesucher zentraler Bestandteil der Faszination Fussball. Ohne die live im Stadion von den Menschen, die Fussball lieben, entfachte Atmosphäre wäre der Fussball medial kaum zu vermarkten und auch für Sponsoren nur von geringem Interesse. Eine Fokussierung auf den Kern des Fussballs, das Spiel und die Stadionbesucher, ist die Voraussetzung für den Erhalt der Attraktivität des Fussballs.»

Seit dieser Saison in der Alten Försterei: Trainer Urs Fischer.Bild: DPA
TV-Gelder
«Wer hat, dem wird gegeben», lautet aktuell das Motto. Will heissen: Je erfolgreicher ein Klub ist, umso mehr Fernsehgelder erhält er. Unterschiede zwischen den Klubs werden so eher grösser und sicher nicht kleiner. In den Augen von Union ein massiver Fehler:
«Aus eigener Kraft können Vereine den Unterschied nicht mehr verringern. Sie müssen die bestehenden Verhältnisse akzeptieren oder erhebliche wirtschaftliche Risiken eingehen, um den Anschluss zur nächsthöher gelegenen Gruppe zu vollziehen. Im Ergebnis wird der nationale Wettbewerb weitgehend zerstört. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit wird nicht gestärkt. Eine ligaübergreifende, stufenlose Art der Verteilung muss für eine Verringerung der Unterschiede zwischen den Klubs sorgen und dadurch einen attraktiveren sportlichen Wettbewerb fördern. Der Abstieg aus einer Liga bleibt eine sportliche Niederlage, ist jedoch nicht zwangsläufig eine existenzielle Bedrohung für die betreffenden Klubs.»
Weitere Vorschläge im Positionspapier von Union Berlin sind eine Professionalisierung des Schiedsrichterwesens, eine drastische Erhöhung von Ausbildungsentschädigungen für Nachwuchsspieler und die Beibehaltung der 50+1-Regel, welche die Übernahme deutscher Profiklubs durch private Investoren wie Oligarchen oder Scheichs verhindern soll.
Die 10 ältesten Bundesliga-Spieler im Herbst 2018
1 / 12
Die 10 ältesten Bundesliga-Spieler im Herbst 2018
Alles Gute zum runden Geburtstag! Claudio Pizarro (Werder Bremen) feiert am 3. Oktober 2018 seinen 40. Geburtstag. Er führt damit die Top Ten der momentan ältesten Bundesliga-Spieler an.
quelle: epa/dpa / carmen jaspersen
Nico Hischier beantwortet unsere ungewöhnlichen Fragen
Video: watson/Emily Engkent, Sandro Zappella
Das könnte dich auch noch interessieren:
Die höchste Liga im Schweizer Eishockey der Frauen nimmt für die nächste Saison eine historische Regeländerung vor. Im Rahmen der Ligaversammlung am Wochenende wurde beschlossen, dass in der Women's League ab nächster Saison Bodychecks erlaubt sind.
Der Fußball ist nicht mehr dort, wo er hingehört, bei den Fans.
Deshalb finde ich die vorgeschlagenen Punkte gut, sie bringen den Sport wieder mit den Fans zusammen!