Als wenn nichts gewesen wäre, schlenderte Roman Bürki mit seinen weiss-roten Sneakers 45 Minuten nach Spielende am Freitagabend durch die Hamburger Mixed Zone. Der SC Freiburg hatte gerade zwei wichtige Punkte im Abstiegskampf verloren und das auch noch durch einen umstrittenen Treffer in der Schlussminute, doch für Bürki war der Krimi in Hamburg schon wieder Geschichte.
Der Schweizer Nati-Keeper war über 90 Minuten lang wie schon in der gesamten Saison ein überragender Rückhalt für sein Team. Bislang hat der 24-Jährige nach seinem Wechsel von den Grasshoppers zum SC Freiburg im Sommer alle 32 Bundesliga-Spiele bestritten. Kein Torhüter in der Bundesliga musste mehr Bälle abwehren als der in Münsingen geborene Bürki.
In Hamburg bewahrte er sein Team in Minute 24 mit einem Klassereflex vor dem Rückstand. Einen Schuss des Hamburgers Zoltán Stieber fälschte Abwehrspieler Pavel Krmaš unglücklich ab, doch Bürki war gedankenschnell auf dem Posten und konnte per Fussabwehr den Ball abwehren. «Dass wir einen super Torwart haben, wissen wir», lobte Teamkamerad und Landsmann Admir Mehmedi. «Wenn wir die Klasse halten sollten, hat Roman einen ganz grossen Anteil daran.»
Mehmedi sollte nur eine Minute nach der Riesenchance für den HSV im Mittelpunkt stehen. Der Stürmer des SC wuchtete den Ball aus zwölf Meter volley zum 1:0 für die Breisgauer in die Maschen und liess HSV-Keeper René Adler keine Chance. Es war der dritte Saisontreffer für Mehmedi. «Admir hat ein super Tor geschossen. Er hat hart gearbeitet und ich wusste, dass er bald wieder trifft», freute sich Bürki.
Die beiden Schweizer im Trikot des SC Freiburg waren am Freitagabend vor 57'000 Zuschauern in der Hamburger Imtech Arena an den spielentscheidenden Szenen unmittelbar beteiligt. Besonders Bürki sollte in der Schlussphase im Mittelpunkt der Diskussionen stehen. In der 90. Minute hatten die Hamburger noch einmal eine Ecke. Der niederländische Nationalspieler Rafael van der Vaart schlug den Ball an den Fünfmeterraum, wo Stürmer Ivica Olić per Kopfball Bürki zu einer Glanzparade zwang. Den Abpraller nutzte Gojko Kačar wiederum per Kopf zum glücklichen Ausgleich für die Hanseaten.
Der Treffer des Serben war jedoch umstritten, weil er im Fünfmeterraum im Luftduell mit Bürki den Arm sehr hoch nahm und den Schweizer behinderte. «Wenn es die 40. Minute gewesen wäre, hätte der Schiedsrichter wahrscheinlich abgepfiffen», glaubt Bürki. «Für den Unparteiischen war es schwer, diesen Treffer abzupfeifen. Es war eine hitzige Atmosphäre und die Situation spielte sich direkt vor der Kurve des HSV ab. Da kostet es schon Überwindung für einen Referee, die Pfeife in den Mund zu nehmen.»
Dieses Gegentor ausgerechnet Bürki anzukreiden, davon war Mehmedi meilenweit entfernt. «Es war sicherlich kein Torwartfehler.» Nati-Teamkollege Johan Djourou war froh, dass Kačar noch den Ausgleich erzielten konnte, zollte Bürki aber grossen Respekt: «Er ist Weltklasse. Für uns war es gut, dass er in der 90. Minute den Ball nicht gehalten hat. Er ist ein sehr guter Freund und ein guter Junge.»
Doch nur ein Punkt! Ein Auswärtssieg in Hamburg hätte die prekäre Situation für Bürki und Co im Abstiegskampf deutlich verbessert. Trübsal blasen war aber nicht angesagt. «Das 1:1 ist sehr ärgerlich. Wir haben das Spiel über weite Strecken kontrolliert und uns viele Torchancen erarbeitet. Wenn wir das 2:0 schiessen, dann ist die Partie gelaufen und wir müssen nicht mehr zittern. Wir müssen effizienter werden», so Bürki.
Viel Zeit um an den Schwächen zu arbeiten bleibt den Freiburgern aber nicht mehr. Nur noch zwei Spiele stehen in der Endphase der Bundesliga-Saison auf dem Programm. Am kommenden Samstag gastieren dann ausgerechnet die schwächelnden Bayern an der Dreisam. «Wir glauben alle noch zu 100 Prozent an den Klassenerhalt», versichert Bürki.
Der zweifache Schweizer Nationalspieler glaubt auch gegen den deutschen Rekordmeister eine Chance zu haben. «Es wäre kein Wunder, wenn wir gegen die Bayern etwas Zählbares holen würden. Ein Wunder wäre es jedoch, wenn die Bayern noch gegen Barcelona weiterkommen», flachste Bürki.
Da war sie wieder, diese unglaubliche Lockerheit. Es schien bald so, als wenn alle Freiburger trotz der angespannten Lage im Kampf um den Klassenerhalt vollkommen beseelt die Situation angingen. «Das ist Freiburg», sagte Bürki lapidar. «Unsere Stärke ist es, nicht nervös zu werden. Bei uns herrscht keine Unruhe. Wir können uns auf die Arbeit fokussieren.»
In der Tat ist es eine Freiburger Philosophie, im Abstiegskampf keine vorschnellen Entscheidungen zu treffen. Keine Trainerdiskussion, keine Panikmache. Coach Christian Streich ist für die Verantwortlichen des Klubs schier unantastbar. «Der Trainer ist für uns unheimlich wichtig, da wir auch eine sehr junge Mannschaft sind. Er findet immer die richtigen Worte und baut uns schnell wieder auf», erklärt Bürki. «In der Kabine hat der Trainer uns gesagt, dass wir eine klasse Partie abgeliefert haben und dass es keinen Sinn macht, lange über den Ausgleich nachzudenken. Er ist ein unglaublicher Motivator. Er sagt uns immer direkt seine Meinung, das ist manchmal hart, aber ehrlich. Wir brauchen das.»
Freiburgs grosses Manko ist die Schlussviertelstunde. 13 Gegentore kassierten die Breisgauer bereits in diesem Zeitraum. Sechsmal mussten die Freiburger sogar Treffer nach der 87. Minute hinnehmen. Insgesamt verschenkte der SCF dadurch zwölf Punkte und wäre mit diesen jenseits von Gut und Böse.
«Wir werden das Spiel wie immer analysieren und versuchen die Fehler abzustellen. Wenn wir die Leistung gegen den HSV auch am Samstag gegen die Bayern abliefern, bin ich optimistisch», so Bürki, der sich trotzdem schon einmal auf einen Showdown am letzten Spieltag bei Hannover 96 einstellt. Völlig mit sich im Reinen und entspannt verliess Bürki mit weissen Ohrstöpseln in der Hand am Freitagabend das Stadion des Hamburger SV. «Es ist doch nur Fussball», so der 24-Jährige. «Ich mache mich doch nicht kaputt, wenn wir mal ein Spiel verlieren.»