Die immer exakteren Analysemöglichkeiten von Dopingproben sind Fluch und Segen zugleich. Segen, weil die Luft für Betrüger im Sport dünner wird. Das Zeitfenster, in welchem die Rückstände von unerlaubten Substanzen beim Dopingtest auffindbar bleiben, ist in den vergangenen Jahren stetig grösser geworden.
Fluch, weil auch unabsichtliches Doping durch eine nicht wissentliche Einnahme aus kontaminierter Quelle beim Test anzeigt. Weil in diesem Fall die Konzentration der Arznei im Urin deutlich geringer ist, kamen sie bis vor kurzem bei Standardtests gar nicht zum Vorschein.
Eine geringe Menge etwa von Anabolika im Urin kann auch bedeuten, dass der Zeitpunkt des bewussten Dopings weiter zurückliegt. Den Unterschied zur unabsichtlichen Einnahme etwa durch kontaminiertes Fleisch, durch Nahrungsergänzungsmittel oder gar durch ein verunreinigtes Medikament zu bestimmen, ist eine schwierige analytische Arbeit. Im Fall des Schweizer Sprinters Alex Wilson und dessen Rindfleisch-Theorie ist es offensichtlich gelungen.
Für Dopingexperten sind es beliebte Forschungsthemen. Im Juni haben australische Wissenschafter nun eine weitere Erklärung für den möglichen Übertragungsweg beim Sex gefunden. Die Resultate helfen Sportlerinnen – und homo- oder bisexuellen Sportlern – bei der Erklärung von Rückständen verbotener Substanzen im Urin.
Sex war in der Geschichte der positiven Dopingtests oft ein beliebtes Erklärstück für die eigene Unschuld. In manchen Beispielen durchaus mit Erfolg. In anderen Fällen sorgten die Schilderungen der Angeklagten eher für Stirnrunzeln, Kopfschütteln, oder Erheiterung.
US-Sprinter Dennis Mitchell erklärte sich 1998 das Testosteron in seiner Probe mit dem vierfachen Geschlechtsverkehr in der Nacht vor dem Wettkampf. Mit seiner inzwischen oft zitierten Aussage – «Die Lady hatte Geburtstag, sie verdiente etwas Besonderes.» – bediente er primär das Sprinter-Klischee des Machos mit aussergewöhnlichen Mengen des männlichen Sexualhormons im Körper. Was in diesem Fall durchaus zutraf und zu zwei Jahren Sperre führte.
Ebenfalls kein Erbarmen vor den Richtern fand der deutsche Radprofi Christian Henn, der sich die unzulässige Dopingprobe im Jahr 1999 mit den Nebenwirkungen eines natürlichen Potenzmittels erklärte, das den lang ersehnten Kinderwunsch befriedigen sollte.
In anderen Fällen führte die Sex-Theorie zum Erfolg, aber durchaus auch zum peinlichen Outing. Der kanadische Stabhochspringer Shawn Barber konnte 2016 den Kokainfund in seinem Urin mit dem Kontakt zu einer Prostituierten zwecks Stressabbau vor den Meisterschaften glaubhaft erklären.
In jüngerer Vergangenheit erhielten aber auch Frauen dank der Sextheorie vor Sportgerichten Recht. US-Boxerin Virginia Fuchs wies die Rückstände von muskelaufbauenden Produkten beim Test ebenso plausibel dem Sex mit dem Anabolika-schluckenden Partner zu wie die ukrainische Tennisspielerin Dajana Jastremska. Bei ihr übertrug ein Potenzmittel das Doping auf sie, was ihr männlicher Sexualpartner übrigens abstritt.
Die Studie aus Down under bringt nun eine neue Plausibilität zum Übertragungsweg via Austausch von Körperflüssigkeiten. Sie stellte bei einer Testreihe fest, dass auch die Urinrückstände im Sperma bei der männlichen Ejakulation Einfluss auf die Konzentration von Medikamentenspuren hat.
Angesichts des zunehmenden Anabolika-Missbrauchs bei jungen Menschen kann eine auf den ersten Blick positive Dopingprobe also durchaus eine ebenso lustvolle wie komplizierte Vorgeschichte haben. Selber genommen oder als Nebenprodukt vom Freund übertragen – die Antworten darauf werden nicht einfacher.