Die Saison 2015/16 ist als sehr düsteres Kapitel in die Geschichte des kanadischen Eishockey eingegangen. Sämtliche sieben Teams aus dem Mutterland der Sportart verpassten die Qualifikation für die Playoffs – zum ersten Mal seit 1970, als Kanada noch nur mit drei Teams vertreten war.
Offensichtlich hat man diesen Tiefschlag im Sommer weggesteckt – oder wie ist folgende, leicht zynische Passage des kanadischen Hockey-Journalisten Michael Traikos in der «National Post» zu erklären?
Klar ist es noch früh in der Saison, doch der erste Trend ist eindeutig: Die Kanadier sind zurück! Montreal und Edmonton liegen an der Tabellenspitze und auch die anderen Vertreter aus dem «Great White North» spielen ansprechend auf. Mit einer Ausnahme: Die Calgary Flames können die Erwartungen bislang nicht erfüllen.
Es scheint sich die NHL-Weisheit zu bewahrheiten, dass ein Team erst richtig schlecht sein muss, bevor es wieder richtig gut werden kann. Und das hat seine Gründe: Zum einen kommen die schwächsten Teams in der Draft-Lotterie zuerst zum Zug und erhalten dadurch Zugriff auf die vielversprechendsten Talente (was nicht zwingend von Erfolg gekrönt sein muss, wie das Beispiel Edmonton zeigt).
Zum anderen erlaubt es der sportliche Misserfolg, drastische Massnahmen zu ergreifen. «Burn-it-to-the-ground»-Wiederaufbau nennt das der kanadische Schreiber Sean McIndoe. Will ein NHL-Team wieder leben, muss es erst richtig sterben.
Bemerkung: Für die Positionen wird hier ausnahmsweise die NHL-Gesamttabelle beigezogen.
Letzte Saison: 22.
Zum Leidwesen von Sven Andrighetto, der im Farmteam spielen muss, läuft es den Canadiens wie geschmiert. Als einziges Team haben sie bisher in jedem Spiel gepunktet und zuletzt vier Siege in Serie gefeiert. Zwei Erfolgsfaktoren sind auszumachen: Die vergangene Saison erlaubte es den Verantwortlichen in Montreal, den äusserst populären Star-Verteidiger P.K. Subban (27) nach Nashville zu tauschen, ohne dass darum übermässiger Klamauk entstanden wäre.
Dafür hat man den erfahreneren Shea Weber (31) in den Norden geholt. Roman Josis bisheriger Defensivpartner hat bei seinem neuen Arbeitgeber eingeschlagen: Nicht nur hat er die Abwehr stabilisiert, sondern er zeigte sich mit sieben Punkten aus sechs Spielen auch offensiv äusserst produktiv.
Noch wichtiger ist aber, dass Stargoalie Carey Price, der letzte Saison lange verletzt war, mit Al Montoya neu einen äusserst kompetenten Ersatz neben sich weiss. Die beiden belegen unter den Torhütern mit mindestens drei Spielen aktuell die Plätze 1 und 3, was die Fangquote anbelangt. Ein starkes Indiz dafür, dass der Erfolg Montreals längerfristiger sein könnte.
Letzte Saison: 29.
Der chronische Misserfolg der Edmonton Oilers wird auch begünstigt durch ihr schlechtes Händchen im Draft – die diesjährige Nummer 4, Jesse Puljujärvi, hat übrigens auch noch keine Stricke zerrissen (4 Spiele/1 Tor). Immerhin haben die Oilers aber mit der Vergangenheit aufgeräumt und zwei «faule Pflaumen» aus der Vergangenheit abgeschoben: Taylor Hall (1. Pick 2010) und Nail Jakupow (1. Pick 2012).
Stark am aktuellen Erfolg beteiligt ist dafür der Top-Pick des letzten Jahres: Der 19-jährige Captain (!) Connor McDavid befindet sich in Topform und hat bereits neun Punkte auf dem Konto. Aber auch der Rest der Oilers-Offensive kann sich sehen lassen und kompensiert aktuell die defensiven Schwächen zur Genüge.
Und dass Klub-Legende Wayne Gretzky seit neustem fix in der Chefetage tätig ist, bringt die Erfolgswelle definitiv auch nicht zum Verebben.
Letzte Saison: 28.
Trainer Willie Desjardins scheint in Vancouver in der Vorbereitung Mentaltraining gemacht zu haben. Eine grosse Schwäche der Canucks in der letzten Saison, einen Rückstand nach zwei Dritteln praktisch nie aufholen zu können, ist plötzlich eine Stärke: In dieser Saison haben sie schon dreimal ein Spiel nach der zweiten Drittelspause noch drehen können.
Auffallend stark sind im Team der beiden Schweizer Sven Bärtschi und Luca Sbisa der neue Verteidiger Erik Gudbranson und der junge Bo Horvat. Die aktuelle Erfolgsquote des 21-jährigen Kanadiers (3 Tore mit 8 Schüssen, also 37,5 Prozent) lässt die Nachhaltigkeit allerdings etwas infrage stellen.
Letzte Saison: 19.
In Ottawa durfte man im Frühjahr von den kanadischen Teams noch am längsten auf einen Playoff-Platz hoffen. In dieser Saison ist die Zuversicht noch grösser, weil die Offensive nicht allein auf den Schultern von Erik Karlsson ruht. Der Schwede hat zwar bereits wieder sieben Punkte gesammelt, doch auch Kyle Turris (3 Tore) und Bobby Ryan (2 Tore) wirkten an den vier Saisonsiegen mit.
Letzte Saison: 26.
Trotz immerhin drei Siegen aus sieben Spielen hat man sich bei den Calgary Flames mehr vom Saisonstart erhofft. Unter dem neuen Trainer Glen Gulutzan, dem Nachfolger von Bob Hartley, greifen noch nicht alle Mechanismen. Die Hütte brennt bei den Flames zwar noch nicht lichterloh, doch wollen sie realistische Playoff-Chancen haben, müssen vor allem die Leistungen der Goalies besser werden.
Letzte Saison: 30.
Die Lage der Toronto Maple Leafs ist dagegen entspannter, als das der Tabellenausschnitt erahnen lässt. Es steht zwar erst ein Sieg zu Buche, doch die Niederlagen kamen, abgesehen vom 3:7 gegen Tampa Bay gestern Dienstag, jeweils nur mit einem Tor Unterschied zustande. An der hohen Pleite symptomatisch das Schussverhältnis: 40:27 für Toronto!
Die Zuversicht, dass es bei den «Leafs» bald regelmässig Siege geben wird, ist an einer Person festzumachen: Nummer-1-Draft Auston Matthews. Der 19-jährige Ex-Zürcher hat sein historisches Vier-Tore-Debüt in dieser Form allerdings (noch) nicht bestätigt, er ist aber dennoch mit zehn Punkten alleiniger NHL-Topskorer. Mit so einer Rookie-Perle lässt sich problemlos nach vorne blicken.
Letzte Saison: 25.
Ähnlich sieht es bei den Winnipeg Jets aus, dem «neusten» NHL-Team (2011 aus den Atlanta Thashers hervorgegangen): Die Franchise nimmt Schritt für Schritt und scheint in dieser Saison defensiv einen weiter zu sein. Die Offensive ist dafür eng mit dem Namen Patrik Laine verknüpft. Vom 18-jährigen Finnen, der dem Team schon den Prestige-Sieg gegen Toronto beschert hat, erhofft man sich, dass er noch besser wird, als er es schon ist. Wird er es, sind die Jets bald Playoff-Kandidat.
Zum Start: Letzte Saison hatten die Canadiens den besten Saisonstart seit.. irgendwann. Und danach folgte der grosse Absturtz. Es sind Parallelen erkennbar.