Sport
Eishockey

Bei Servette Genf sind vor Spiel 7 gegen Biel die Psychologen gefragt

Servettes Cheftrainer Patrick Emond troestet Arnaud Jacquemet im dritten Eishockey Playoff-Finalspiel der National League zwischen dem EV Zug und Geneve-Servette HC am Freitag, 7. Mai 2021, in der Bos ...
Enttäuschte Genfer nach dem verlorenen Final 2021.Bild: keystone

Reine Kopfsache: Wie Servette alte Dämonen zu vertreiben versucht

Drei Playoff-Finals und ebenso viele Niederlagen – das ist die Bilanz von Servette. Ein Erbe, das sich in einen Albtraum verwandeln oder ein Segen sein kann. Alles hängt davon ab, wie die Grenats vor dem entscheidenden Duell gegen den EHC Biel heute Abend (20 Uhr) auftreten werden.
Cet article est également disponible en français. Lisez-le maintenant!
27.04.2023, 16:5827.04.2023, 18:09
Yoann Graber
Yoann Graber
Folge mir
Mehr «Sport»

Servette und Biel sind sehr nahe beieinander. Man kann diese Aussage anhand der gleichen Anzahl an Siegen in diesem Final, der gleichen Anzahl an Punkten in der regulären Saison oder mit sehr engen Direktbegegnungen begründen. Aber die «Adler» aus Genf ähneln einem anderen Verein aus dem Jurabogen noch mehr. Keinem aus dem Eishockey, sondern aus dem Fussball: Neuchâtel Xamax.

Die Rede ist nicht von den aktuellen Ergebnissen, da die Xamaxiens das Schlusslicht der Challenge League sind, sondern von ihrer Geschichte in den Finals. In drei Anläufen hat Servette keinen einzigen Playoff-Final gewonnen (2008, 2010 und 2021). Neuchâtel Xamax hat eine noch katastrophalere Bilanz in den Endspielen des Schweizer Cups: 0 Siege, 5 Niederlagen.

Ist es möglich, dass frühere Mannschaften den folgenden Teams ein Verlierer-Erbe hinterlassen, eine Eigenschaft, die quasi in ihrer DNA verankert ist? Und Traumata, die im kollektiven Unterbewusstsein vor sich hin vegetieren? Wenn es ein wenig davon gäbe: Würde Servette nicht mit einem ernsthaften Handicap in das entscheidende Spiel 7 steigen?

Motivation dank Eroberermentalität

Bernard Challandes, Xamax-Trainer beim letzten verlorenen Cupfinal (0:2 gegen Sion im Jahr 2011), wischt diese Hypothese beiseite. «Wenn es um Termine geht, die so weit auseinander liegen wie die der Finalspiele in Genf, spielt das keine Rolle. Ich glaube nicht daran.» Er selbst hatte vor zwölf Jahren vor dem Duell mit den Wallisern keine besondere Verkrampfung bei seinen Spielern gespürt. Challandes glaubt auch nicht, dass die Genfer am Donnerstagabend eine solche haben werden. «Da ich die Mentalität von Eishockeyspielern kenne, wird ihre Eroberermentalität ihnen zusätzliche Motivation zum Gewinnen bringen und nicht die Angst vor dem Verlieren.»

Federal Councilor Doris Leuthard, left, consoles Neuchatel's coach Bernard Challandes, right, after the Swiss Cup final soccer match between Neuchatel Xamax and FC Sion at the St. Jakob-Park stad ...
Challandes holt 2012 sich einen Händedruck von Bundesrätin Leuthard, aber den Cup darf er nur anschauen.Bild: KEYSTONE

Glaubt man dem Neuenburger, sind Eishockeyspieler psychologisch noch besser gerüstet als Fussballer, um zum Beispiel diese Angst vor dem Versagen zu überwinden. Es sei eine Frage der Erfahrung. «Im Hockey wechseln sich bei der grossen Anzahl von Spielen Siege und Niederlagen häufiger ab. Ein Spiel zu verlieren ist üblicher», beobachtet er.

Final-Bilanz nicht thematisieren

Romain Ducret, ein Mentaltrainer, der auch mit Eishockeyspielern arbeitet, ist weniger kategorisch als Bernard Challandes. Er schliesst nicht aus, dass die alten Dämonen wieder auftauchen könnten. «Das kollektive Unterbewusstsein kann einem einen Streich spielen», warnt der Freiburger, ohne jedoch zu behaupten, dass das Unterbewusstsein der «Adler» gestört sein wird. Um jedoch böse Überraschungen zu vermeiden und einen eventuellen Rest an Skepsis (sofern es ihn überhaupt gibt) auszulöschen, würde der Experte einige Initiativen ergreifen, wenn er im Staff der Grenats wäre.

Der erste Schritt? Statt auf die traurige Finalbilanz sollte man sich auf positive Erinnerungen konzentrieren, um das Selbstvertrauen der Spieler zu stärken. «Ich würde sie zum Beispiel daran erinnern, dass sie in dieser Saison eine tolle Mannschaft waren, die die Meisterschaft die ganze Zeit über angeführt hat, und dass sie alle Qualitäten haben, um dieses letzte Spiel zu gewinnen», betont Romain Ducret.

Geneve-Servette's forward Linus Omark #67 celebrates his goal with his teammate Geneve-Servette's defender Henrik Toemmernes #7 after scoring the 0:1, during the sixth leg of the National Le ...
Omark und Tömmernes liessen Servette in dieser Saison oft jubeln.Bild: keystone

Sherkan kann helfen

Es geht nicht um Intellektualisierung, sondern darum, die emotionale Ader der Eishockeyspieler anzusprechen und in ihnen positive Gefühle zu wecken. Mentaltrainer Ducret würde sich dabei auch auf das Umfeld der Grenats stützen – und insbesondere auf einen bestimmten Gegenstand. «Ich würde versuchen, mich mit dem Adler, dem Symbol des Vereins, zu identifizieren», schmunzelt er.

«Es muss gelingen, die Spieler davon zu überzeugen, dass sie wie dieses Tier sind, kraftvoll und elegant.» Der Vergleich bietet nicht nur ein konkretes Modell, sondern hat noch einen weiteren Vorteil: «Er bringt einen zum Lachen, also kann er eine Umkleidekabine auflockern.»

Routinen beibehalten

Der Genfer Trainer Jan Cadieux und mehrere Spieler beider Finalisten haben immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre Vorbereitungsroutine nicht ändern wollen, auch nicht vor einem entscheidenden Termin wie dem siebten Spiel. Wenn man einfach seine Gewohnheiten beibehält, gibt das Sicherheit (Tennis-Star Rafael Nadal wird nicht widersprechen) und vermeidet zusätzlichen Druck.

Romain Ducret unterstützt diese Argumentation, weshalb er nur einige positive und wohlwollende Interaktionen hinzufügen würde, um den Kopf der Grenats (und übrigens auch der Bieler) zu lüften. In seiner Methodik stellt sich der Freiburger einen letzten Schritt vor, um alle Zweifel und Ängste zu zerstreuen: eine Visualisierungsübung nur wenige Minuten bevor man das Eis betritt.

«Der Trainer stellt sich in die Mitte eines Kreises, der von seinen Spielern gebildet wird. Er bittet sie, die Augen zu schliessen, und beginnt zu sagen: ‹Stellt euch vor, ihr habt dieses Spiel gespielt, das Publikum ist begeistert und ihr stemmt den Meisterpokal in die Höhe.› Oder wenn ich Trainer von Servette wäre, würde ich meine Spieler bitten, sich an ein Training zu erinnern, bei dem der Puck perfekt zwischen ihnen zirkulierte und Vatanen ‹ein Praliné› ins Tor schoss, um die Aktion abzuschliessen (lacht). Zwei bis drei Minuten reichen für diese Übung aus.»

Servettes Sami Vatanen bejubelt sein Tor zum 1:1 im vierten Eishockey Playoff Halbfinalspiel der National League zwischen dem EV Zug und Geneve Servette HC am Donnerstag, 6. April 2023 in der Bossard  ...
Vatanen klatscht nach einem Treffer mit den Kollegen ab.Bild: keystone

Ein hochklassiger Final als Erbe

Wie man sich denken kann, ist das Ziel auch hier, positive Gefühle bei den Athleten zu wecken. «Ich würde ihnen auch sagen, dass ein Titelgewinn eine tolle Erinnerung ist und eine lebenslange Bindung schafft», ergänzt Louis Matte, der als Assistent in Genf zwei Finals verloren hat (2010 und 2021). Wie Bernard Challandes ist auch der neue Cheftrainer des HC La Chaux-de-Fonds der Meinung, dass frühere Misserfolge eher die Motivation zum Gewinnen schüren als die Angst, eine solche Enttäuschung noch einmal zu erleben.

Wichtiger als der Inhalt eines Erbes ist die Frage, was man daraus zu machen beschliesst. Aber egal, was heute Abend passiert: Die Eishockeyspieler aus Genf und Biel können sich in diesem tollen Finale rühmen, ihren Nachfolgern und dem Schweizer Eishockey zumindest einen vorbildlichen Esprit hinterlassen zu haben.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
So ähnlich sehen diese Hollywood-Stars ihren Stunt-Doubles
1 / 22
So ähnlich sehen diese Hollywood-Stars ihren Stunt-Doubles
Das sind die Stunt-Doubles der Hollywood-Stars.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
YouTuber baut Velo mit viereckigen Rädern und es fährt – aber nicht, wie du denkst
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
6 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
6
Eine Trinkflasche greifen? Offenbar nicht so einfach, wie es aussieht 😂
Was du hier findest? Aussergewöhnliche Tore, kuriose Szenen, Memes, Bilder, Videos und alles, das zu gut ist, um es nicht zu zeigen. Lauter Dinge, die wir ohne viele Worte in unseren Sport-Chats mit den Kollegen teilen – und damit auch mit dir. Chat-Futter eben.
Zur Story