Sherkan wirkt etwas gereizt. Die Lockerheit, die ihn sonst auszeichnet, scheint Anspannung gewichen zu sein. Verständlich: 2008, 2010 und 2021 erlebte der stolze Weisskopfseeadler als Maskottchen, das vor Heimspielen durch die Genfer Halle fliegt, in den Playoffs Final-Niederlagen. Nun soll es endlich klappen mit dem ersten Meistertitel in der 118-jährigen Klubgeschichte des Genève-Servette Hockey Club.
Sherkan, nur noch ein Sieg. Flattern die Nerven schon?
Sherkan: Hören Sie, das Einzige, was bei mir flattert, sind meine Flügel.
Aber ein wenig aufgeregt sind Sie bestimmt? Es könnte Ihr letztes Mal sein.
Wer sagt das?
Ihr Trainer. Er kündigte einst an, er wolle Sie so lange fliegen lassen, bis Servette einmal Meister geworden ist.
Das sehen wir dann. Fliegt er oder fliegt Sherkan? Also.
Wo kommt überhaupt Ihr Name her?
(schmunzelt) Das ist eine gute Geschichte. Raten Sie mal!
Etwa von der Sängerin Chaka Khan?
Völlig falsch. Ich höre lieber The Eagles oder vielleicht mal Eagle Eye Cherry.
Verraten Sie mir nun, weshalb Sie Sherkan heissen?
Natürlich wegen der zwei grossen Schweizer Fussball-Stars. Der Name ist inspiriert von Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka.
Sie scherzen.
Sehe ich aus wie ein Komiker?
Nein.
Eben. Als ich meine Stelle in Genf antrat, ging ich aufgrund des Namens, der mir gegeben wurde, von Einsätzen bei den Fussballern aus. Als ich das Eis anstelle des Rasens erblickte, ging mir irgendwann ein Licht auf.
Sie sind halt ein Adlerauge.
Ihre Witze waren auch schon besser.
Wenigstens hat man Sie nicht für Radler der Tour de Suisse engagiert.
Wir brechen gleich ab, wenn das so weitergeht.
Schon gut. Sind Sie glücklich, dass es dann statt der Fussball- die Eishockey-Ausgabe von Servette wurde?
Ja, sehr. Immerhin durfte ich schon zwei Triumphe am Spengler Cup feiern und im Playoff-Final flog ich auch schon …
… wobei das vermutlich nicht die schönsten Erinnerungen sind.
Eigentlich war es schon sehr schön. Natürlich war das Ende dann traurig. Nur schon einen Final zu erreichen, ist grossartig. Aber klar: Jetzt wollen wir endlich den Titel holen. Auch damit wir dann wie Neil Armstrong sagen können: «The Eagle has landed.»
Der legendäre Servette-Macher Chris McSorley engagierte Sie einst. Stehen Sie noch mit ihm in Kontakt?
Nur noch selten (seufzt). Es ist schade, was alles passiert ist. Sie verstehen mich sicher, wenn ich nicht darüber reden möchte. Im Fokus steht der Final.
Wie gross ist denn eigentlich Ihr Einfluss? Auf dem Eis geben in der Regel andere Imports den Ton an.
Ich mag es, wenn man mich unterschätzt. Fragen Sie doch mal Gaëtan Haas. Der hat mächtig Angst vor einem Adler.
Können in einem Profiteam eigentlich Freundschaften entstehen oder ist es letztlich ein Job wie jeder andere?
Nein, das ist er ganz bestimmt nicht. Ich erachte es als grosses Privileg. Artgenossen müssen in der Wildnis leben und sich selber ums Überleben kümmern. Da ist es schon praktisch hier. Zu den Freundschaften: Im vergangenen Sommer nahm mich Henrik Tömmernes mit in die Ferien nach Schweden. Sehr schön, alles weit, viel Wald und Wasser. Aber nach zwei Wochen freute ich mich dann, wieder im Gewusel von Genf zu sein. Ich habe den Lärm und die Abgase vermisst.
Haben Sie eigentlich eine Meisterprämie in Ihrem Vertrag?
Gute Frage! Da muss ich mich bei meinem Agenten erkundigen. Für mich steht die Freude im Zentrum, nicht der Verdienst. Bestimmt liegt ein Extra-Happen drin. Der Servette-Boss heisst nicht zufällig Didier Fischer. Als Weisskopfseeadler habe ich bei ihm natürlich einen besonderen Platz im Herzen.