Mit 65 Siegen und mit 135 Punkten hatten die Boston Bruins die Regular Season beendet. Beide Werte sind neue NHL-Rekorde. Doch nun, da es um den Stanley Cup geht, sind die Bruins ebenso nicht mehr dabei wie alle anderen Teams der «Original Six» und generell alle Mannschaften, in denen das Eishockey traditionell zuhause ist.
Stattdessen kommen drei von vier Halbfinalisten aus den US-Südstaaten und das vierte sogar aus der Wüste. Dass kein einziger Halbfinal-Teilnehmer aus einem Ort stammt, in dem Winter noch viel Schnee und Eis bedeuten, gab es noch nie.
Im Final der Eastern Conference fordern die Florida Panthers die Carolina Hurricanes heraus. In der Western Conference heisst das Duell um den Einzug in den Stanley-Cup-Final Vegas Golden Knights – Dallas Stars. Die nördlichste der vier Städte? Las Vegas. Aktuelle Tagestemperatur? 35 Grad.
Die Expansions-Strategie der NHL hat mit diesen Halbfinals einen neuen Höhepunkt erreicht. Unter Gary Bettman, seit mittlerweile dreissig Jahren als Commissioner der «Tätschmeister» der NHL, wurde verstärkt versucht, auch jene Städte und Landstriche fürs Eishockey zu begeistern, die den Sport vorher noch gar nicht kannten.
Die Florida Panthers wurden 1993 aus der Taufe gehoben. Die Dallas Stars wurden im gleichen Jahr «gegründet», indem die Minnesota North Stars nach Texas verpflanzt wurden. Aus den Hartford Whalers mit ihrem wunderschönen Logo wurden 1997 die Carolina Hurricanes, und die Vegas Golden Knights wurden 2017 als 31. Team neu in die NHL aufgenommen. Dass das Eishockey-Mutterland Kanada in der Liga zunehmend an Einfluss verliert, sei so, «wie wenn die Deutschen immer mehr das Eidgenössische Schwingfest dominieren würden», hielt Eismeister Zaugg einst fest.
Nun ist es zwar kaum so, dass im Grossraum Miami, wo die Florida Panthers direkt am Rand der Everglades in Sunrise spielen, mittlerweile jeder über Eishockey spricht. Aber die Stadionauslastung, in der Vergangenheit oft ein Grund, über das Team zu lästern, ist gestiegen, auf immerhin 87 Prozent in dieser Saison. Das ist ein besserer Wert, als ihn etwa die Chicago Blackhawks aufweisen können.
16'682 Zuschauer waren bei den Panthers in der Regular Season im Schnitt dabei. Bei den Dallas Stars betrug die Auslastungsquote 96 Prozent, bei den Carolina Hurricanes in Raleigh und in Las Vegas war die Arena immer voll.
Andernorts hingegen scheint Eishockey in der Wüste zu scheitern. Nach einer Volksabstimmung am Dienstag ist die Zukunft der Arizona Coyotes, die im Grossraum Phoenix zuhause sind, unklar. Eine Mülldeponie in Tempe hätte durch ein Sport- und Unterhaltungsviertel ersetzt werden sollen. Geplant war ein privat finanzierter Komplex mit einem Stadion, aber auch mit Hotels, Läden, Kinos und 1600 Wohnungen. «Wie es mit den Coyotes weitergeht, werden unsere Eigentümer und die NHL in den kommenden Wochen entscheiden», sagte Geschäftsführer Xavier A. Gutierrez.
Sportlich konnte Arizona nie grosse Stricke reissen. In all den Jahren, seit das Team im Süden daheim ist (1996 wurden die «alten» Winnipeg Jets versetzt), gewannen die Kojoten bloss zwei Playoff-Serien, beide in der Saison 2011/12, als man die Conference Finals erreichte. In dieser Saison spielte das Team in einem Mini-Stadion auf dem Universitäts-Campus, nachdem der Mietvertrag für die Arena in Glendale ausgelaufen und nicht erneuert worden war.
NHL-Commissioner Bettman will den Grossraum Phoenix mit seinen knapp fünf Millionen Einwohnern nicht aufgeben. «Es ist ein Ort, an dem wir weiterhin präsent sein wollen. Es ist ein grossartiger, pulsierender Markt mit tollen Fans», betonte er vor der Abstimmung. Allerdings gibt es Gerüchte, dass nach dem Volks-Nein ein rascher Umzug erfolgen könnte. Schon in der nächsten Saison würde es die Arizona Coyotes nicht mehr geben, stattdessen ein Team in der texanischen Öl-Metropole Houston.
Fans, die auf eine Rückkehr der NHL ins kanadische Quebec hoffen, würden wohl ein weiteres Mal in die Röhre schauen. Die National Hockey League will weiter auf den Süden setzen – wo der Titel in dieser Saison mit Sicherheit hingeht.