«Eishockey ist noch immer die Sportart der Weissen», sagt Glody Bonga-Bonga. Das hat der einzige schwarze Spieler in der 1. Liga Gruppe Ost in seiner Karriere schon oft zu spüren bekommen. Trotzdem ist ihm die Lust am Sport auf der rutschigen Unterlage nie verloren gegangen. Viel eher wurde sie dadurch zusätzlich bestärkt.
Dass er mit 23 Jahren immer noch Eishockey spielt, ist bewundernswert. In seiner Karriere hätte er schon tausend Gründe dafür gehabt, die Schlittschuhe an den Nagel zu hängen. Rassismus und Diskriminierung waren während seiner bisherigen Laufbahn stetiger Wegbegleiter.
Aufhören kam für ihn allerdings nie in Frage. Im Gegenteil, Glody Bonga-Bonga verfolgt seit seiner Kindheit den Traum vom Profi-Eishockey. Inzwischen läuft ihm dafür zwar allmählich die Zeit davon, doch dem Flügelspieler ist das Alter egal: «Wenn ich hart an mir arbeite, kann ich alles erreichen», ist sich der Zürcher Unterländer sicher.
Für sein grosses Ziel nimmt er viel in Kauf. Seit 2019 pendelt der Sachbearbeiter, der gemeinsam mit den Eltern und zwei Schwestern in Kloten wohnt, dreimal pro Woche nach Reinach. Kein Katzensprung.
Bei den Red Lions will er sich endlich für höhere Aufgaben anbieten. Eine Durchbruchssaison mit ordentlich Skorerpunkten ist ihm bis heute noch nicht gelungen. Das hat aber auch mit schwierigen Umständen zu tun. Coronabedingt haben die Erstligisten seit Frühling 2020 kaum Eis gesehen.
Bonga-Bonga lässt sich davon allerdings nicht unterkriegen. Warum sollte er auch? Schwierige Bedingungen begleiten ihn in der Hockeywelt schon von klein auf. Immer wieder hatte er mit Anfeindungen zu kämpfen. Leute gaben ihm zu verstehen, dass er aufgrund seiner Hautfarbe nicht in die Hockeywelt passen würde.
Dabei ist es eigentlich gar keine Überraschung, dass er seine Liebe dem Eishockey verschrieben hat. Wie fast jedes gebürtige Klotener Kind kam er früh mit der Sportart in Berührung.
Durch ein Kursangebot der Schule begab er sich erstmals aufs Eis. Kurz darauf stieg er mit acht Jahren bei den «Bambinis» ins Training ein. «In den meisten Regionen ist Fussball sehr populär. Bei uns ist das anders, in Kloten hat der Eishockeyverein die grössere Ausstrahlung.»
Bonga-Bonga durchlief beim EHC Kloten sämtliche Juniorenstufen. An seine Zeit im Nachwuchs hat er aber nicht nur gute Erinnerungen. Vor allem die Zeit bei den «Piccolos» und «Minis» im Alter zwischen 9 und 14 Jahren war hart. «In jedem zweiten Spiel fiel das N-Wort, auch Sätze wie ‹Geh zurück nach Afrika!› musste ich mir anhören. Das machte mich enorm wütend. Ich konnte nicht verstehen, warum meine Hautfarbe ein Thema war.»
Auch bei seinem ersten Besuch eines Matchs des EHC Kloten spielten sich unfassbare Szenen ab. Von einem Fan aus der Kurve wurde er absichtlich mit Bier beworfen. Glody Bonga-Bonga war damals gerade mal neun Jahre alt. «Er sagte zu mir, dass ich nicht hierhin passen würde. Ich dachte zuerst, dass ich einen Fehler bei der Platzwahl gemacht habe. Erst später wurde mir klar, dass er damit meine Hautfarbe gemeint hatte. Seither bin ich eigentlich nur noch sehr selten ins Stadion gegangen.»
Die schlimmste Diskriminierung auf dem Eis erlebte er während eines Zürcher-Derbys im Alter von 13 Jahren. «Ich kassierte einen Crosscheck gegen den Kopf und flog zu Boden. Danach hat der Gegner mit dem Schlittschuh nachgetreten und mich rassistisch beleidigt. Der ist komplett durchgedreht, weil ich ein Tor geschossen habe», erinnert sich der Klotener zurück.
Immerhin habe der Schiedsrichter darauf bei ihm nachgefragt, ob die Partie abgebrochen werden soll. Doch Bonga-Bonga wollte sich davon nicht einschüchtern lassen, und liess weiterspielen.
Nicht immer reagierte er so ruhig auf Anfeindungen. «Ich kassierte sehr viele Strafen, weil ich mir diese rassistischen Sprüche nicht gefallen lassen wollte. Irgendwann bekam ich dann zum Glück auch Hilfe meiner Mitspieler, die mich konsequent verteidigten.» Sogar eigene Trainer hätten oft primitive Sprüche im Training von sich gegeben. Auf die Frage, auf welcher Position er spielen dürfe, antwortete einst ein Juniorencoach: «Ich könnte mir vorstellen, dass du als Puck spielst.»
Ein anderer Coach sagte Dinge wie «Du bist mein Lieblingsneger», obwohl ihm Bonga-Bonga versuchte zu erklären, dass er dieses Wort nicht mehr hören möchte. «Bei den Trainern waren mir die Hände gebunden. Wenn ich mal richtig ausgerastet wäre, dann hätte ich mir damit nur selber Steine in den Weg gelegt. Ich war ja schliesslich darauf angewiesen, dass ich ein gutes Verhältnis zu ihnen habe, um weiterzukommen.»
Inzwischen ist es ruhiger geworden. Auch dank zunehmender Sensibilisierung der Gesellschaft bezüglich Diskriminierung und Rassismus in den letzten Jahren. Trotzdem bleibt seine Hautfarbe ein Thema. Bei seinem Wechsel nach Reinach schrieb ein lokales Blatt: «Der pfeilschnelle, dunkelhäutige Stürmer hat sich ebenfalls für die Red Lions Reinach entschieden und bringt damit im wahrsten Sinne des Wortes etwas Farbe ins Spiel.»
Ein anderes Beispiel vor wenigen Wochen: «Ich wurde im Bus mit meiner Hockeytasche von einem fremden Herrn fotografiert. Dieser fand es offensichtlich so faszinierend, dass ich diese Sportart betreibe.»
Mathias Seger fährt mit dem Tram den Meisterpokal nach Hause! #sowasvonsympathisch http://t.co/zUI1iPgG pic.twitter.com/R1muRuky
— Reto Stalder (@riiitou) April 18, 2012
Geblieben sind auch die Sprüche aus dem Publikum. Dabei würden sich die Zuschauer auch über seinen Nachnamen lustig machen. «Ich habe Wurzeln in der Demokratischen Republik Kongo und bin sehr stolz darauf. Wenn dann Leute über meinen Namen witzeln, fühle ich mich nicht ernst genommen. Aber ich habe gelernt, das zu ignorieren. Ich kann es ja sowieso nicht ändern.»
Dabei müsste sich Glody Bonga-Bonga solch diskriminierende Situationen eigentlich gar nicht antun, denn Eishockey ist nicht alles in seinem Leben. Gemeinsam mit einem Cousin und einer Cousine betreibt er ein Tanzstudio in Zürich. «Tanzen ist meine zweite grosse Leidenschaft. Ich bewege mich da zwischen zwei Welten», schwärmt er. «Ich habe viele schwarze Freunde, die nichts mit Eishockey zu tun haben. Sie verstehen zwar nicht, warum ich diesen Sport betreibe, aber unterstützen mich trotzdem. Manchmal auch lautstark vor Ort im Stadion. Das macht mich sehr stolz und gibt mir Kraft, damit ich weiter an meinem Traum vom Profispieler festhalte.»
Glody Bonga-Bonga ist eine Frohnatur. Die gute Laune hat er sich über die Jahre nie nehmen lassen. Er ist immer für ein Spässchen zu haben und bemüht sich auch in der Reinacher Garderobe stets um eine gute Stimmung. Als Vorbild dient ihm dabei NHL-Star P.K. Subban: «Gäbe es ihn nicht, würde ich nicht mehr Eishockey spielen. Er hat es geschafft, dass die Leute nicht mehr über seine Hautfarbe sprechen, sondern über seine Skills. Das würde ich auch gerne erreichen.»
Dass er dereinst auch selber zum Vorbild (unabhängig der Herkunft) wird, ist für ihn ein zentraler Antrieb: «Ich musste viele Rückschläge einstecken, aber ich bin immer wieder aufgestanden und habe es weiter probiert. Wenn ich mit dieser Willenskraft auch andere motivieren kann, wäre ich sehr stolz auf mich. Die Herkunft ist nicht relevant, sondern der Ehrgeiz. Dafür möchte ich einstehen.»
@watson, danke für das spannende Interview, wichtiges Thema ☝️
Er kann es nicht ändern. Aber wir können. Wir als Gesellschaft. Indem wir solche Aussagen, Sprüche oder auch „Witze“ nicht mehr hinnehmen. Indem wir konsequent die Übeltäter darauf hinweisen, dass ihr Verhalten nicht mehr akzeptabel ist