Die Atmosphäre ist testosterongeschwängert. In hautengen Lederkostümen gekleidete Frauen empfangen die Gäste im mit dem Logo des Hauptsponsors geschmückten Bürotrakt des Zürcher Hallenstadions. In dem Raum, in welchem der Hauptdarsteller des Anlasses auftreten wird, wird eine Sponsorenwand von Tarnnetzen eingerahmt. Der Hauptdarsteller ist: Nico Hischier. 19 Jahre alt. Schweizer Nummer-Eins-Draft und bereits in seinem ersten Jahr in der NHL, der besten Eishockey-Liga der Welt, zu einem unverzichtbaren Bestandteil seines Teams, den New Jersey Devils, geworden.
Seit wenigen Tagen ist der Oberwalliser Markenbotschafter des Energydrinks «Monster», in dessen Zeichen der Medienanlass im Hallenstadion steht. Am Freitag verabschiedet sich Hischier wieder in Richtung Nordamerika. Bevor er mit dem Auftakt zum offiziellen Trainingscamp der New Jersey Devils am 13. September seine zweite NHL-Saison in Angriff nimmt, stellt er sich den Fragen der hiesigen Journalisten. Eingerahmt vom Logo seines neuen persönlichen Sponsors.
Nomen est Omen gilt für Nico Hischier natürlich nicht. Ein Monster ist er nicht. Auch kein Rock ’n’ Roller, wie andere Botschafter des Energy-Drinks – zum Beispiel Töff-Superstar Valentino Rossi oder Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton. Ja, er wirkt in dieser etwas martialisch angehauchten, machohaften Umgebung fast ein wenig deplatziert.
Aber der Blick auf den Jungstar verrät, dass aus dem jungenhaften Teenager des vergangenen Sommers inzwischen ein gestandener Mann geworden ist. Die Devils gaben ihrem Schlüsselspieler im vergangenen Mai ein paar Hausaufgaben mit auf den Heimweg. Unter anderem: Muskelmasse zulegen.
Fast drei Kilo sind dazugekommen. Knapp 86 Kilogramm wiegt der 1,85 Meter grosse Mittelstürmer nun. Das sind in der NHL eher unterdurchschnittliche Werte, aber für Nico Hischier fast ideale Masse. «Ich darf auch nicht zu schwer sein, damit ich meine Beweglichkeit nicht verliere», sagt er. Und sowieso: Er sei kein Spieler, der seine Gegner mit roher Kraft aus dem Weg räumen kann. «Ich habe andere Möglichkeiten, die ich einsetzen kann.» Trotzdem: Im Infight vor dem gegnerischen Tor, wo es in der NHL bisweilen wie bei einer Kneipenschlägerei zu- und hergeht, da sind die zusätzlichen Muskelkilos wertvoll.
Nach seiner eindrücklichen ersten NHL-Saison (inklusive Playoffs 87 Spiele, 21 Tore, 32 Assists) wird die kommende Meisterschaft für ihn zu einer doppelten Herausforderung. Einerseits muss Nico Hischier seine konstant guten Leistungen bestätigen und seine Rolle als Teamstütze der Devils zementieren, andererseits werden ihn die Kontrahenten als designierten Schlüsselspieler des Gegners noch mehr in den Schwitzkasten nehmen.
Hischier lässt sich dadurch nicht beirren und geht mit viel Selbstvertrauen und grosser Zuversicht in die neue Spielzeit. Einerseits konnte er sich im Gegensatz zum Sommer 2017, als er mit dem Draft und dem folgenden Trubel über Wochen beschäftigt war, diesmal voll und ganz auf das Off-Ice-Training konzentrieren. Ausserdem habe er inzwischen die Gewissheit, dass er in der NHL bestehen könne. Hischier: «Ich weiss diesmal, wie alles läuft. Ich kenne meine Mitspieler, ich kenne das Umfeld, die Organisation.»
Neu orientieren muss sich der Oberwalliser eigentlich nur in einer Beziehung: bei der Wohnungssuche. Sein neues Appartement wird ziemlich sicher wieder in Hoboken, am Ufer des Hudson Rivers, mit Blick auf die Skyline von Manhattan, stehen. In Nachbarschaft seiner jüngeren Devils-Teamkollegen wie Jesper Bratt, Mirco Müller oder Pavel Zacha.
Der andere Schweizer bei New Jersey, Mirco Müller, war im Frühling – im Gegensatz zu Nico Hischier – Teil des Schweizer WM-Silberteams. Der Jungstar verpasste die Titelkämpfe in Dänemark, weil ihm sein Arbeitgeber eine Ruhepause verordnete. Eine hartnäckige Handgelenkverletzung war gegen Ende der vergangenen Saison wieder aufgebrochen.
«Ich habe die WM natürlich verfolgt. Es wäre schön gewesen, dabei zu sein, aber langfristig gesehen war es für mich besser, keine Risiken einzugehen», sagt Hischier, der schon bald wieder in die Schweiz zurückkehren wird. Die New Jersey Devils bestreiten ihre ersten Saisonspiele in Schweden. Vorher, am 1. Oktober, machen sie in Bern halt, wo sie in einem Vorbereitungsspiel auf den SCB treffen. Der Monster-Muskel-Mann kann es kaum erwarten.