Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!
- watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
- Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
- Blick: 3 von 5 Sternchen
- 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen
Du willst nur das Beste? Voilà:
Die wichtigste, mächtigste, reichste Liga der Welt. Unser aller Vorbild. Aus der NHL kommen die sportlichen Trends. Die Regeländerungen. Die Hockey-Technologien.
Noch vor 30 Jahren war die NHL wie eine Liga auf einem anderen Planeten. Keine TV-Bilder. Um Resultate, Statistiken und Storys musste sich der Fan bemühen. Heute genügen ein paar Klicks und schon öffnet sich über das Internet eine Welt mit TV-Livebildern, Interviews, Texten, umfangreichen Statistiken und Videos. Alle Spiele, alle Tore – kein Problem.
Und doch ist die Zeit in einem Bereich auf eine seltsame Weise stehen geblieben. Für den Chronisten hat sich in den vergangenen 30 Jahren vor Ort fast nichts verändert.
Die Medienwelt mag eine gänzlich andere geworden sein. Aber die Rituale und die Arbeitsbedingungen vor Ort sind beinahe unverändert geblieben.
Nach wie vor betreten die ChronistInnen die Arenen durch den separaten Medieneingang. Dort wird dem akkreditierten Fremden aus der alten Welt wie vor 30 Jahren ein Ausweis aus dünnem Karton mit einer Schnur ausgehändigt. Damit er seine Legitimation um den Hals hängen kann.
Im Medienraum gibt es warmes Büffet mit der gleichen Kost wie vor 30 Jahren. An den meisten Orten inzwischen nicht mehr gratis. Ein Obolus zwischen 10 und 15 Dollar ist zu entrichten. Die New Jersey Devils gehören zu den wenigen Organisationen, die den «Nachrichtenzug» nach wie vor gratis verpflegen.
Dabei gibt es ganz erhebliche kulinarische Unterschiede. Grundsätzlich gilt: Die Verpflegung bei den kanadischen Organisationen ist viel besser als jene bei den Teams in den USA. Dafür haben die Kanadier seit 1993 (Montréal, u.a. mit Paul DiPietro) keinen Stanley Cup mehr gewonnen.
Wie vor 30 Jahren werden vor jedem Spiel Berge von Papier verteilt. Aktuell sind es 45 beidseitig bedruckte A-Blätter mit den Statistiken aller Teams plus 32 A-Blätter mit allen Angaben zu den beiden Teams, die gegeneinander antreten werden. In der gleichen Schrift und Aufmachung wie vor 30 Jahren. In allen Stadien genau gleich.
Oben in der «Press-Box» – die Medienplätze sind immer ganz oben in der Arena – ist die Nostalgie gut sichtbar. Auf vielen Medienplätzen stehen immer noch Festnetz-Telefonapparate und nach wie vor sitzen alle auf den gleichen schweren, sperrigen Klappstühlen mit dem abgewetzten roten Polster wie im letzten Jahrhundert. Diese seltsamen Stühle gibt es in den meisten Stadien.
Nach dem Spektakel das gleiche Ritual wie seit Anbeginn der Zeiten. Die Spieler stehen gleich nach der Partie in der Kabine Red und Antwort. Gleiches gilt übrigens auch nach jedem Training und auch nach dem Warm-Up am Vormittag vor dem Spiel.
Diese bei uns nach wie vor undenkbare Ungezwungenheit hat etwas mit einem ehernen Gesetz der nordamerikanischen Medien zu tun. Es gilt das gesagte Wort. Alle Aussagen werden wortwörtlich in den Medien wiedergegeben. Aus diesem Grund werden Interviews – das gilt für Sport und Politik - nicht gegengelesen und sind viel lebhafter als die von PR-Beratern oft bis zur Unkenntlichkeit glattgebügelten Interviews, wie wir sie bei uns kennen.
Allerdings ist die Sache in Nordamerika ein wenig einfacher: Aussagen müssen vor der Publikation nicht erst von Mundart in eine Hochsprache (Hochdeutsch) übersetzt werden.
Die einzige Veränderung zu den Gepflogenheiten im letzten Jahrhundert: Es darf vor dem Spiel (nach dem Training und dem Warm-Up) nur über das anstehende Spiel und nach dem Spiel nur noch über das vorangegangene Spiel gesprochen werden. Es wäre ein unerhörter Tabubruch, wenn einer gefragt würde, ob er eine neue Freundin habe oder wie es dem Hund gehe.
Die Medienchefs (richtige Medien-Generäle) und ein oder zwei Assistenten stehen herum, lauschen da und lauschen dort. Sie schreiten freundlich ein, sollte jemand diese Regel missachten.
Sie geraten in Verlegenheit, wenn sich ein Chronist mit einem Landsmann auf Schweizerdeutsch unterhält. Dann braucht es die beruhigende Bemerkung, man rede, natürlich, nur über das Spiel. Und im Gegensatz zur guten alten Zeit ist es heute den Spielern untersagt, sich ohne ausdrückliche Bewilligung des Mediendepartementes ausserhalb des Stadions mit einem Medienvertreter zum Gespräch zu treffen.
Die Stadien sind inzwischen in Nordamerika fast überall erneuert worden. Und trotzdem ist die Zeit stehen geblieben: in den Kabinen riecht es noch genauso wie in den alten Tempeln. Genauso wie einst im Boston Garden, im Forum zu Montréal, im Great Western Forum in Los Angeles, im Toronto Maple Leafs Garden.
Dieser Geruch, der aus dem Schweiss in den Ausrüstungen kommt und sich wahrscheinlich auch in den Wänden festsetzt wie das Salz in alten Käsereien, hat eine betörende Wirkung und verbindet die ganze Hockey-Welt von Oberlangenegg bis New York.
Diese seltsame Mischung aus Moderne und altem Brauchtum, die an die Kultur unseres Schwingens mahnt, gehört zur Faszination des Erlebnisses NHL.
Und noch etwas hat sich nicht verändert. Die Vertreter der NHL mögen im internationalen Business arrogant auftreten. Wie nordamerikanische Imperialisten halt. Aber die NHL ist in ihrem Inneren, gegenüber ihren Gästen aus Europa, eine freundliche Liga. Das hat mit einer Eigenheit der nordamerikanischen Kultur zu tun: Rede nur über andere, wenn du etwas Freundliches zu sagen hast. Daraus ergibt sich: Wer freundlich ist, wird freundlich beurteilt. Eine uralte, ewige Weisheit, die bei uns oft vergessen geht.