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Wie gleich zwei Kontroversen die Eishockey-Welt in Aufruhr versetzten

Former Vancouver Canucks NHL hockey player Jake Virtanen returns to British Columbia Supreme Court after a lunch break in his sexual assault trial, in Vancouver, British Columbia, Friday, July 22, 202 ...
Jake Virtanen, der neue Visp-Stürmer, erscheint im Juli 2022 vor dem Gericht in Vancouver.Bild: keystone

In der NHL nicht erwünscht – 2 Vertrags-Unterschriften (eine in Visp) sorgen für Aufruhr

07.11.2022, 14:5908.11.2022, 07:24
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Die letzten zwei Tage haben bei Hockey-Fans in Nordamerika und nun auch in der Schweiz Diskussionen ausgelöst. Zuerst war da der Fall von Mitchell Miller. Der heute 20-jährige Verteidiger hat 2016 in der High School einen Klassenkollegen über Wochen derart übel rassistisch beleidigt und physisch und psychisch missbraucht, dass er vor einem Jugendgericht verurteilt wurde.

Trotzdem wurde Miller 2020 von den Arizona Coyotes gedraftet. Nachdem bekannt wurde, dass sich Miller nie bei seinem Opfer entschuldigt hat und auch sonst keine Reue zeigte, trennten sich die Coyotes wieder vom US-Amerikaner. Nun hat wieder ein NHL-Team versucht, sich die Dienste Millers zu sichern. Die Boston Bruins statteten den Verteidiger mit einem Vertrag aus, hatten die Rechnung aber ohne die Liga und die Reaktion der Fans gemacht.

NHL-Commissioner Gary Bettman sagte wenige Stunden nach der Verpflichtung, dass Miller keine Erlaubnis erhalte, in der NHL zu spielen. Auch die Spieler und Fans der Bruins wehrten sich gegen die Entscheidung des Managements. Mit Erfolg: Keine 48 Stunden nach der Unterschrift teilten die Bruins mit, man habe den Vertrag mit Mitchell Miller wieder aufgelöst.

Cam Neely, der Präsident der Boston Bruins, sagte: «Wir haben geglaubt, dass es sich beim Vorfall mit Mitchell Miller um ein singuläres Ereignis handelte. Doch nun haben wir neue Informationen erhalten.» Das Statement mutet seltsam an, zumal das Ausmass von Millers Fehlverhalten längst bekannt war. Neely entschuldigte sich bei Millers Opfer und dessen Familie «für den zusätzlichen Schmerz, den wir mit unserer Aktion verursacht haben».

Neuer Visp-Stürmer stand vor Gericht

Nun hat auch das Schweizer Eishockey einen ähnlichen Fall. Der EHC Visp gab heute Morgen die Verpflichtung des kanadischen Flügelstürmers Jake Virtanen bekannt. Einst ein Erstrunden-Draftpick der Vancouver Canucks, ist Virtanen in der kanadischen Metropole ausser Rang und Traktanden gefallen. Der Grund: ein Gerichtsverfahren wegen sexueller Nötigung.

Virtanen wurde beschuldigt, im September 2017 eine damals 18-jährige Frau in einem Hotelzimmer sexuell missbraucht zu haben. Bei den Gerichtsverhandlungen bestätigte der Kanadier, dass die Frau dem Geschlechtsverkehr nie mit Worten zugestimmt habe, aber ihre Aktionen und Körpersprache als Zustimmung zu werten gewesen seien. Er sei zudem zu diesem Zeitpunkt sturzbetrunken gewesen.

Die Frau widersprach den Darstellungen und sagte, dass sie mehrfach ihre Ablehnung äusserte und versuchte, Virtanen von sich zu stossen. Sie sei extrem verängstigt gewesen und habe nicht gewusst, was sie noch machen soll.

Am Ende stand Aussage gegen Aussage. Beide Parteien versuchten der Jury weiszumachen, dass die Zuverlässigkeit der Zeugenaussagen von Virtanen und der Frau nicht gegeben sei. Nach kurzer Beratung entschied die Jury, Virtanen freizusprechen. In der NHL erhielt Virtanen bislang trotzdem keine Chance mehr – die Vancouver Canucks lösten seinen Vertrag auf. Diesen Sommer durfte er bei den Edmonton Oilers trainieren, erhielt am Ende aber keinen Vertrag.

Stattdessen hat ein umstrittener Spieler nun also in der Swiss League unterschrieben. In seiner Mitteilung lässt der EHC Visp das Gerichtsverfahren unerwähnt. Die Zeit, als Virtanen in der NHL nicht mehr erwünscht war und stattdessen in Russland anheuerte, bezeichnet der Klub als «Abstecher in die KHL». (abu)

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46 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Skunk42
07.11.2022 16:57registriert Februar 2022
Man stelle sich vor, dass ein Einbrecher nach dem Absitzen seiner Strafe nicht mehr in seiner Stelle als Restaurationsfachmann arbeiten darf.

Virtanen wurde sogar freigesprochen. Sehe das Problem nicht.
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holden27
07.11.2022 16:32registriert Februar 2015
Die zwei Fälle kann man nicht wirklich vergleichen. Einer wurde verurteilt, der andere nicht. Solange er nicht verurteilt wurde gilt die Unschuldsvermutung!
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uhl
07.11.2022 15:26registriert Februar 2019
Meiner Meinung nach werden hier wieder Dinge vermischt. Beispiel: Sollte ein erwachsener Juniorinnen-Trainer, der sich nachweislich an Mädchen verging, lebenslang für seinen Job gesperrt werden? Ich finde: Ja, denn da besteht ein unmittelbarer Zusammenhang.
Aber sollte man jemanden aus Prinzip von seinem Beruf ausschliessen, weil er sich nicht an das Recht gehalten hat? Die Strafe wird doch von den Gerichten ausgesprochen und muss verbüsst werden. Ausserdem ist die Chance auf einen Vertrag per se vermindert. Warum aber erhebt sich die NHL hier zur Alleinherrscherin und -richterin?
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