Es ist ein ungewöhnliches Bild, das es in den Fankurven der Schweizer Eishockeyszene erst kürzlich zu sehen gab. Davos, Zug, Ambri, Langnau, um einige Beispiele zu nennen: Sie alle zeigen mit einer Choreo ihren Unmut zur Entwicklung der Liga und Klubs. Doch es sind nicht nur Spruchbänder in den Stadien, es steckt mehr dahinter.
Seit Monaten gehen Fussballfans auf die Barrikaden. Nun ziehen die Eishockeyfans mit. Während sie sich bis jetzt bei den Spielen gerne gegenseitig provozierten, ziehen sie künftig an einem Strang. Sie setzen sich für eine Fankultur ein, die laut, bunt und kreativ sein soll. So heisst es seitens der neuen Kampagne Pro Fans.
Diese wird von 12 der 14 Fankurven und Gruppen der National League organisiert und getragen. Auf deren Website steht: «Wir wollen verhindern, dass die Fankultur im Schweizer Eishockey bald Geschichte ist.»
Die Solidarisierung der Fanszenen im Schweizer Eishockey hat während der Ligareform begonnen, sagt Tom Maurer, Vertreter von Pro Fans. «Nun stellen wir seither fest, dass die fanunfreundliche Entwicklung zugenommen hat», sagt er. Konkret seien nicht nur Umfrageergebnisse in der damaligen Ligareform nicht respektiert worden, sondern seien auch weitere Themen umgesetzt worden, ohne die Sicht und Bedürfnisse der Fans anzuhören. So lauten die Vorwürfe von Pro Fans.
Als Beispiele nennt die Kampagne etwa die verkleinerten Gästesektoren, extreme Ticketpreisanpassungen wie es etwa Anfang Saison in Ambri passierte, ID-Kontrollen oder auch Materialverbote.
In der Vaudoise Aréna in Lausanne sowie in der Bossard Arena in Zug herrschen seit je ID-Kontrollen. Das ist Pro Fans ein Dorn im Auge. «ID-Scans an den Eingängen zu den Fankurven sind unverhältnismässig und auch betreffend Datenschutz fragwürdig», heisst es aus ihrer Sicht. Die Genfer Fangruppierungen stört dies nicht. Diese boykottieren die Stadien mit ID-Kontrollen nicht. «Das steht im Widerspruch mit unseren Grundsätzen», sagt Maurer.
Genf ist aktuell kein Teil von Pro Fans. Auch die Ambri-Fankurve ist nicht mit dabei. Die Ambri-Fans unterstützen die Aktion zwar aktiv, ihre Mentalität sei es aber, dass sie weder in den sozialen Medien noch auf der Website integriert werden möchten, so Maurer weiter.
Wie auch im Fussball stellen sich die Eishockeyfans gegen das Kaskadenmodell mit Kollektiv-Strafen. Eine Zusammenarbeit gebe es noch nicht, aber es sei nicht auszuschliessen, dass sie auch den Kontakt zu Fussballfans suchen werden, sagt Maurer und fügt hinzu: «Egal ob Fussball oder Eishockey, das zeigt, dass es eine negative Entwicklung für die Fans gibt.»
Die Fans der beiden Sportarten haben bereits beim Hooligan-Konkordat zusammengearbeitet und gemeinsam das Referendum ergriffen. Dennoch sei die Ausgangslage, was die Kollektivstrafen angehe, eine andere, sagt Alain Brechbühl, Projektverantwortlicher der Forschungsstelle Gewalt bei Sportveranstaltungen der Universität Bern.
Brechbühl konkretisiert: «Beim Fussball sind es die Behörden, die das Kaskadenmodell vorantreiben, im Eishockey stammt das Kaskadenmodell von der Liga respektive den Klubs.» Er sagt weiter: «Rechtlich ist es für Liga und Klubs einfacher, solche Massnahmen anzuordnen, als für die Behörden.» Die Solidarisierung und das Protestverhalten der Fans zeige sich momentan aber in beiden Sportarten, findet der Fanforscher.
Pro Fans hat ihre Forderungen in einem offenen Brief an die Liga sowie die Klubs geschickt. Darin fordern sie etwa bezahlbare Tickets, eine Ombudsstelle für bestrafte Personen oder den Erhalt der Stehplatzsektoren. Zu allen Forderungen präsentieren sie Lösungsvorschläge.
«Wir geben den Beteiligten etwas Zeit, uns einzubeziehen und mit uns Lösungen oder Sachverhalte zu diskutieren», so Maurer. Aufmerksamkeit und Dialog sind das Ziel. Und wenn nicht? Dann würden sie weitere Aktionen umsetzen und Druck machen: «Es wird keine Ruhe mehr geben, das ist ein Versprechen», sagt Maurer.
Bei der Liga hat man den Brief erhalten. «Wir werden den Inhalt analysieren und versuchen, mit den Verfassern einen Dialog herzustellen», sagt Reto Bürki, Marketingverantwortlicher der National League. Sie würden die Inhalte mit den Klubs im Sommer besprechen und schliesslich entscheiden, ob und welche Änderung für die kommende Saison umgesetzt werden können. Eines kann Bürki bereits sagen: «Es hat interessante Ansätze darunter.» (aargauerzeitung.ch)