Existiert das National-League-Abstiegsgespenst oder ist es nur ein Mythos? Diese Frage wird in diesen Tagen in Basel und Visp geklärt. Nur wenn Visp den Swiss-League-Final gewinnt, kommt es zu einer Ligaqualifikation mit dem Playout-Verlierer der National League. Der EHC Basel, der das erste Spiel für sich entschieden hat, will nicht aufsteigen.
Doch auf dieser Hoffnung dürfen sich die beiden schwächsten National-League-Teams der Saison – es sind dies der HC Lugano und der HC Ajoie – nicht ausruhen. Im Gegenteil: Lugano befindet sich derzeit in akuter Abstiegsgefahr. Die Tessiner liegen in der Playout-Serie gegen Ajoie mit 0:2 zurück, haben das erste Spiel unglücklich, das zweite absolut verdient verloren. Es ist nicht auszuschliessen, dass ein HCL in dieser Form allenfalls auch gegen Visp Mühe hätte.
Doch was läuft schief im Sottoceneri? Die Antwort lautet: einiges. Der HC Lugano versinkt nach Jahren der Konstanz im Mittelmass wieder einmal im Chaos. Der junge Trainer Luca Gianinazzi wurde in seiner dritten Saison doch noch entlassen und Mitte Januar durch Uwe Krupp ersetzt. Doch auch die deutsche Trainerlegende konnte den Tessinern bislang kein neues Leben einhauchen. Krupp übernahm die Mannschaft auf Rang 13 und beendete die Saison auch dort.
Gleichzeitig mit Gianinazzi musste auch Sportchef Hnat Domenichelli gehen. Anfang März wurde sein Nachfolger bekannt: Janick Steinmann wechselte per sofort von den Rapperswil-Jona Lakers ins Tessin. Und dort ist der 38-Jährige nun bereits in einer ungemütlichen Situation. Nach der gestrigen zweiten Niederlage gegen Ajoie gaben Spieler und Trainer keine Auskunft, stattdessen musste Steinmann den Journalisten Red und Antwort stehen. «Wir sind der Meinung, dass es für sie besser ist, nach Hause zu gehen und sich auf das Spiel am Mittwoch vorzubereiten», erklärte der Sportchef den Entscheid im Blick.
Diese Unruhe hilft in einer sportlich sonst schon schwierigen Situation garantiert nicht. Die Krise auf dem Eis ist in zwei grossen Brandherden erklärbar: die Torhüterposition und die Effizienz.
Eigentlich scheint Lugano auf der Goalieposition perfekt aufgestellt zu sein. Mit Joren van Pottelberghe und Niklas Schlegel verfügen die Bianconeri über ein starkes Schweizer Duo. Doch ein Fehltritt Anfang Saison bringt alles durcheinander. Van Pottelberghe bricht sich im Oktober bei einem Spaziergang mit seinem Hund den Knöchel mehrfach. Schlegel, der eine gute Nummer 2, aber als Stammgoalie oft überfordert ist, kann diese Last alleine nicht stemmen.
Auch Adam Huska, den Lugano aus der KHL holt, um van Pottelberghe zu ersetzen, kann nicht überzeugen. Er wie auch Schlegel erlauben über den Verlauf der Saison mehr Tore, als aufgrund der zugelassenen gegnerischen Chancen (Expected Goals) zu erwarten gewesen wäre. Das zieht sich nun auch in den Playouts weiter. Im ersten Spiel zog Schlegel einen katastrophalen Abend ein. Gestern Abend konnte Huska die Niederlage in Pruntrut ebenfalls nicht verhindern. Zudem können die Tessiner jedes Mal, wenn Huska spielt, einen ausländischen Feldspieler weniger einsetzen.
Nun hat van Pottelberghe zum Saisonstart auch nicht gerade brilliert, aber fünf Spiele sind auch eine sehr kleine Stichprobengrösse. Durchaus möglich, dass Lugano mit dem eigentlich vorgesehenen Duo nicht in den Playouts gelandet wäre.
Aber eben, es gibt ja auch noch einen zweiten Brandherd am anderen Ende des Eisfelds. Die Effizienz. Kein anderes Team in der National League schlägt aus seinen Chancen weniger Profit als der HC Lugano. Eigentlich spielen die Tessiner schon die ganze Saison über solides, wenn auch nicht grossartiges Eishockey. Aber die Team-Schusseffizienz liegt knapp über 8 Prozent und damit mehr als einen Prozentpunkt unter dem Ligadurchschnitt. Daraus resultieren im Verlauf der ganzen Saison rund 12 fehlende Tore.
Zur Veranschaulichung: Lugano hat in der Regular Season zehn Spiele mit nur einem Tor Unterschied gewonnen. Mit einer nur schon durchschnittlichen Effizienz hätten sie wohl den einen oder anderen Punkt mehr gesammelt und wären plötzlich in der Nähe der Play-Ins gewesen.
Der Konjunktiv ist die Sprache der Verlierer und begleitet Lugano auch weiterhin. Auch bei den beiden Playout-Niederlagen gegen Ajoie zeigten sich die Tessiner zu ineffizient und hätten den Jurassiern schon früh den Wind aus den Segeln nehmen können. Was dem Team von Uwe Krupp allerdings zu denken geben muss, ist die Tatsache, dass es gestern auswärts bei Ajoie nicht einmal mehr die bessere Mannschaft war.
Und so sitzt dem stolzen Lugano, das schon lange nicht mehr «grande» ist, das Abstiegsgespenst hartnäckig im Nacken. Dem neuen Sportchef Janick Steinmann wird die Arbeit auch künftig nicht ausgehen.
Zuerst wird der Zuger die Trainerfrage klären müssen. Uwe Krupps Vertrag läuft nur bis zum Ende dieser Saison und bislang hat der Deutsche wenige Argumente gesammelt, die ein verlängertes Engagement rechtfertigen. Danach wird Steinmann sich um die Ausländerpositionen kümmern müssen. Die Verträge von Mark Arcobello, Daniel Carr und Radim Zohorna laufen aus. Jener von Zhorna wird kaum verlängert. Arcobello kann wohl nur auf ein neues Arbeitspapier hoffen, wenn er tatsächlich den Schweizer Pass erhält und nicht mehr zum Ausländerkontingent zählt.
Der Vertrag von Jiri Sekac läuft noch ein Jahr, doch der Tscheche konnte die hohen Erwartungen im Sottoceneri nicht erfüllen. Carr und Michael Joly spielen gut, sind aber auch sehr verletzungsanfällig. Bei den Ausländerpositionen hat Steinmann am meisten Spielraum, um etwas durcheinanderzuwirbeln.
Doch bis es so weit ist, muss sich der HC Lugano dringend auf die Gegenwart konzentrieren. Denn sollte das Undenkbare eintreten und der Tessiner Traditionsklub tatsächlich absteigen, dann müssen die Klubführung und Steinmann sowieso sämtliche Pläne über den Haufen werfen.
Absteigen wird Lugano aber trotzdem nicht. Zu gross ist der Unterschied von der National League zur Swiss League.
Visp war nie ein Überflieger wie früher Kloten oder Ajoie. Die wurden 5. In der Qualifikation. Hatten spannende Duelle gegen Sierre, keine Probleme gegen ein übermütiges Thurgau, jetzt werden die gegen Basel beissen müssen und zeigen ob sie wirklich nach oben wollen.
An Auswärtsspiele in Visp würde ich mich noch gerne gewöhnen.