Zwölf Skorerpunkte aus 18 Spielen ist eine ordentliche Ausbeute. Aber von Sven Andrighetto hat man auch schon anderes gesehen. Etwa in seiner ersten National-League-Saison, als er in 52 Spielen für die ZSC Lions 55 Punkte skorte. Dass der 30-jährige Zürcher aktuell nicht ganz auf diesem Niveau ist, ist erklärbar: Andrighetto hat eine komplizierte Handgelenksverletzung hinter sich.
Wobei der Ausdruck «hinter sich» nicht ganz zutreffend ist. Die Operation am Kahnbein war bereits im Frühling und seit Mitte Oktober kann er wieder spielen. Doch Andrighetto tut dies mit einer Schiene am linken Handgelenk. «Es ist der einzige Weg, wie ich überhaupt spielen kann», erklärt der Stürmer. Doch das kommt mit grossen Abstrichen: Während Links-Rechts-Bewegungen mit dieser Hand einigermassen gehen, sind Hoch-Tief-Bewegungen sehr stark eingeschränkt. «Stickhandling, Schiessen, eigentlich alles mit dem Puck ist so schwierig», gibt der Zürcher zu.
Dass er trotzdem derart erfolgreich spielt, zeigt, wie talentiert Andrighetto ist. An Hockey war nach der Operation noch nicht zu denken, also hat der 30-Jährige die Zwangspause genutzt, um an seinem Körper zu arbeiten. 4,5 Kilogramm Muskelmasse legte er zu und wurde gemäss eigenen Angaben noch schneller.
Bringt die aktuelle körperliche Verfassung den Reiz mit, es noch einmal in der NHL zu versuchen? «Die NHL ist immer reizvoll, zumal ich glaube, jetzt ein besserer, kompletter Spieler zu sein. Aber aktuell liegt mein Fokus nicht dort», sagt «Ghetto». Nach der Saison 2018/19 erhielt der Stürmer von den Colorado Avalanche keinen neuen Vertrag mehr.
Statt direkt in die National League zurückzukehren, folgte der Nationalstürmer dem Ruf von Bob Hartley nach Russland. «Er hat mich jeden Tag angerufen und mich davon überzeugt, dass die KHL ein gutes Sprungbrett für die Rückkehr in die NHL sein kann», erklärt Andrighetto den Wechsel zu Avangard Omsk. Doch dann sei mit Corona alles anders gekommen als geplant. Die Kommunikation sei nicht immer einfach gewesen in der KHL. Gerade die Spieler, die ihr ganzes Leben in Russland verbracht haben, hätten kein oder nur schlecht Englisch gesprochen. «Das war schade, denn das bedeutete, dass du mit gewissen Spielern des eigenen Teams nicht oder nur schlecht kommunizieren konntest», erzählt Andrighetto. Trotzdem sei das Jahr eine gute Erfahrung gewesen: «Ich bereue es nicht.»
Nun ist der Flügel aber schon wieder das vierte Jahr in Zürich und dieses Jahr soll es endlich klappen mit dem Titel: «Ich will unbedingt in Zürich Meister werden. Das ist mein ganz grosses Ziel mit dieser Mannschaft», sagt Andrighetto. Es ist zu spüren, wie viel ihm die ZSC Lions und die Stadt Zürich bedeuten. Von zu grossem Druck will er nichts wissen: «Wir wissen selbst, dass wir eine starke Mannschaft sind und das Potenzial haben, Titel zu gewinnen. Aber wir wissen auch, dass es 13 andere Mannschaften hat, die auch Meister werden wollen.»
Bevor «Ghetto» mit den Lions nach Titeln greifen kann, muss mit der Nationalmannschaft eine Steigerung her. Der Zürcher war schon im November dabei, als die Nati am Karjala Cup drei Mal verlor und zwei Mal ohne Tor blieb. «So ist es schwierig, ein Spiel zu gewinnen», resümiert Andrighetto. Beim Heimturnier in Zürich müsse die Mannschaft nun Charakter und eine Steigerung zeigen.
Diese fordert auch Nationaltrainer Patrick Fischer ein, der in dieser Saison seine Spieler bewusst mehr an ihre Grenzen bringen will. «Die Spieler müssen lernen, unter Druck zu performen», sagt er am Dienstag in Zürich. Er nehme nur Akteure mit Spiel-7-Attitüde an die WM und betont klar: «Im November haben einige Spieler versagt.» Es gehe darum, dass die Spieler auch dann gute Entscheidungen treffen, wenn es hart und schwierig sei.
Das sollen die Spieler nun also auch in Zürich zeigen. Am Donnerstag geht es gleich mit dem Test gegen Schweden los. Das Erfolgsrezept von Sven Andrighetto? «Besser ins Spiel starten als in den letzten Spielen und am Ende schlicht und einfach auch effizienter sein.»