Ambri hat mindestens so viel Verletzungs- und anderes Pech wie der SC Bern. Fürs letzte Spiel stehen Trainer Luca Cereda nur noch zwei ausländische Spieler zur Verfügung: Torhüter Janne Juvonen und Verteidiger Juuso Hietanen. Ambri besiegt die Lakers trotzdem 6:2. Weil jeder weiss, welche Rolle er in einem seit Jahren eingeübten Spielkonzept zu übernehmen hat. Luca Cereda steht in seiner fünften Saison. Ambri hat seit fünf Jahren einen richtigen, den richtigen Trainer.
Der SC Bern hatte diese Saison keinen richtigen Trainer. Die Amtszeit von SCB-Trainer Johan Lundskog ist bereits am 25. Oktober 2021 abgelaufen. Der SCB steckt schon zu diesem Zeitpunkt in einer Krise. Vor den ach so schwierigen Partien gegen Servette, Langnau und Ajoie darf eine Fan-Delegation in der SCB-Kabine den Spielern die Leviten lesen.
Und tatsächlich gelingt es, die übermächtigen Gegner aus Genf, dem Emmental und dem Elsgau (deutsche Bezeichnung für die Ajoie) niederzuringen. Ein paar beherzte Worte der Fans haben vorübergehend mehr bewegt als alles, was der Trainer gesagt hat.
Mit dieser Aktion hat der SCB-Trainer jede Autorität eingebüsst. Die Kabine ist für Trainer und Spieler ein Heiligtum. Hin und wieder darf der Sportchef, der Manager oder der Präsident hereinkommen und etwas sagen. Aber nur bei besonderen Anlässen: Zur Begrüssung vor der Saison oder zur Gratulation nach Titelgewinnen. Aber Fans, die das Wort in der Kabine an die Spieler richten? Ein Trainer, der bei Sinnen ist, denkt nicht einmal daran, so etwas zu dulden.
Seit Saisonbeginn taumelt der SCB konzept- und ratlos zwischen Systemen und Philosophien. Mal diszipliniert und abwartend, mal wild drauflos stürmend. Leider alles in bunter Abfolge und durcheinandergemischt. Keine Linie, keine Philosophie. Nur bei Partien von Langnau oder Ajoie waren diese Saison ähnlich viele individuelle Fehler zu sehen wie beim SC Bern. Logischerweise ist für die SCL Tigers, Ajoie und Bern die Saison am Montag zu Ende gegangen. Wir können es boshaft auch so sagen: Ohne richtigen Trainer an der Bande hatte der SCB bis zum letzten Spiel eine Chance auf die Pre-Playoffs. Chapeau!
Die Eitelkeit verbietet es Obersportchef Raeto Raffainer und Untersportchef Andrew Ebbett, die Dinge so zu sehen, wie sie seit Wochen sind: Trainer Johan Lundskog ist der falsche Mann. Schon während der ganzen Saison ist der Schwede der Elefant im Büro der sportlichen SCB-Führung: Das grosse Problem, das den ganzen Raum füllt und alle kennen. Aber niemand darf darüber reden.
Dabei ist es logisch: Johan Lundskog hat noch nie eine Profi-Mannschaft geführt. Wie soll einer ohne jede Erfahrung in einem der schwierigsten Trainerjobs Europas zurechtkommen? Der SCB kann es sich nicht leisten, schwedische Schablonentrainer auszubilden. Der SCB braucht den bestmöglichen Trainer. Erst recht bei einem Neuanfang.
Dieser Neuanfang ist gar nicht so schwer. Der Ober- und der Untersportchef haben bereits ein paar gute Transfers über die Bühne gebracht. Mit Philip Wüthrich hat der SCB einen der besten Torhüter der Liga. Mit Dominik Kahun und Chris DiDomenico sind bereits zwei gute Ausländer verpflichtet.
Nun braucht es für den Neuanfang und die Rückkehr in die obere Tabellenhälfte nur noch einen fähigen, guten Trainer. Johan Lundskog kann nicht der Trainer für den Neuanfang sein. Er und seine beiden Assistenten Christer Olsson und Mikael Hakanson sind per sofort unter Verdankung ihrer grossen Verdienste von ihren Ämtern zu entbinden.
Wird das passieren? Diese Frage wird nach der Partie gegen Lausanne an Obersportchef Raeto Raffainer gestellt. Er gibt darauf keine Antwort. Er redet wie ein Politiker: Man müsse in den nächsten Tagen die Situation analysieren. «Das ist unser Job.» Und vergisst natürlich nicht, Ambri zu rühmen. «Die haben es verdient». Wenigstens nimmt er sich zusammen und verzichtet auf Ausreden. Weil es keine Ausreden gibt.
Wenn es jetzt noch Analysen braucht, um die seit Oktober offensichtliche Untauglichkeit des Trainers und seiner Assistenten festzustellen, sei die Frage erlaubt: Wo hatten eigentlich der Ober- und Untersportchef in den letzten Monaten die Augen und Ohren und den Verstand?
Lag es an den Spielern? Nein, für einmal gilt es die Spieler in Schutz zu nehmen. Nach der Partie gegen Lausanne stellen sich auch Captain Simon Moser und Tristan Scherwey der Verantwortung. Sie sagen das, was Spieler in solchen Situationen sagen: Sie reden von Enttäuschung. Davon, dass nun jeder in den Spiegel schauen müsse. Warum alles so gekommen ist, wissen sie nicht. Tristan Scherwey betont, er stehe hinter dem Trainer.
Die SCB-Spieler waren auch in dieser letzten Partie alles brave Kerle. Aber sie wussten nicht, was sie auf dem Eis tun sollten. Löwen, gecoacht von Eseln. Es nützt nichts, wenn nächste Saison noch mehr Löwen kommen und die Esel bleiben.
Für Obersportchef Raeto Raffainer kommt der Zeitpunkt, harte Entscheidungen zu treffen. Je früher Klarheit herrscht, desto besser für den SC Bern. Es ist möglich, wieder 12'000 Saisontickets zu verkaufen. Aber nur, wenn der Neuanfang echt ist. Also mit einem neuen Trainer.
Noch ist die Eitelkeit – das Festhalten am Trainer – grösser als der Hockey-Verstand. Aber nicht mehr lange.