Ein Deutscher Tourist steht in Bern beim Zytgloggeturm und möchte nach Worb. Diese Situation ist der Ursprung der wohl populärsten Kabarettnummer der Schweiz («Dr schnäuscht Wäg nach Worb»). Nach Worb fährt das «blaue Bähnli» mit Endstation Worb. Pointe der Kabarettnummer: Der Deutsche wird diesen Vorortszug verpassen.
Für den neuen SCB-Trainer Jussi Tapola ist Worb nicht Endstation. Sondern so etwas wie die erste Station in der Schweiz. Sein erster Auftritt an der Bande, der beachtet wird.
Er ist mit seinem Team natürlich mit dem Bus und nicht mit dem «blaue Bähnli» nach Worb gereist. Aber der SCB, der sich da am Freitagabend in Worb gegen die SCL Tigers blamiert (2:3), ist einer Kabarettnummer näher als dem nächsten Meistertitel. Die Art und Weise, wie Dario Rohrbach und Harri Pesonen dem Haudegen Jesse Zgraggen in der SCB-Verteidigungszone den Puck stibitzen und gegen den vermeintlichen schwedischen Titanen Adam Reideborn zum Siegestreffer (3:2) einnetzen hat den Hauch von SCB-Kabarett. Erinnerungen an die letzten vier Jahre. Aber hoffentlich nicht an die Zukunft.
Die Eishalle im Sportzentrum Wislepark zu Worb platzt aus allen Nähten. Knapp 1000 Fans (exakt 922) sind da. Ein Hockeyvolksfest. Hockey für Romantiker. Die Niederlage mag für den SCB ärgerlich sein. Ausgerechnet nach der offiziellen Deklaration von Manager Marc Lüthi, man sei nun ein «KMU-, Bauern und Arbeiterklub» verlieren die Stadtberner ausgerechnet gegen Langnau, den Klub, den die SCB-Fans seit Jahrzehnten als Bauernclub verhöhnen. Nun ist der SCB nicht einmal mehr der beste «Bauern-Club».
Aber das ist letztlich Hockey-Folklore. Jussi Tapola ist erst daran, die seit dem letzten Titel von 2019 aus den Fugen geratenen taktischen und sonstigen Dinge zu ordnen. Mit etwas Boshaftigkeit dürfen wir sagen: Erstmals seit der Entlassung von Kari Jalonen am 28. Januar 2020 steht beim SCB wieder ein richtiger Trainer an der Bande. Charismatisch, kommunikativ, mit Sinn für Ironie und fadengerade in der Argumentation. Die Schmach von Worb (dieses 2:3 ist eine Schmach, die SCL Tigers hatten mit Stéphane Charlin bloss die Nummer zwei ins Tor gestellt) kann trotz allem der Beginn einer neuen Ära sein. Bei Jussi Tapola zählt vergangener Ruhm nicht und Namen sind lediglich aufs Dress aufgenähte Buchstaben. Was zählt, ist die Leistung hier, jetzt und heute.
Bei seinem Amtsantritt bei Tappara Tampere rockte er einst die Kabine, setzt den Captain ab und mischt die Leistungskultur auf. Er hatte ein Team übernommen, das die Playoffs verpasst hatte und wurde zwei Jahre später erstmals Meister. Vergangene Saison hat er den Titel und die Champions Hockey League gewonnen.
Wie reagiert die Kabine in Bern auf den neuen Trainer? Zum ersten Mal seit vier Jahren ein Trainer, der keine Ausreden akzeptiert, der Leistung einfordert und bei dem – anders als bei seinen Vorgängern – fehlende Leistungsbereitschaft Konsequenzen hat. Die Antwort auf diese Frage liefert uns den ersten Hinweis, ob Jussi Tapola in Bern „funktionieren“ kann.
Nun, die Leistungskultur ist beim SCB offensichtlich besser, als die Resultate der letzten vier Jahre (Ränge 9, 9, 11 und 8) vermuten lassen. Jussi Tapola setzt den Captain nicht ab. Er sagt: «Simon Moser ist unser Captain.» Also nicht nur im Spiel gegen Langnau? Sondern die ganze Saison? «Ja». Er habe so entschieden.
Somit ist klar: Simon Moser steht vor seiner 7. Saison als SCB-Captain. Der neue Trainer hat seine Leitwolf-Qualitäten gewogen und für gut befunden. Das ist schon mal ein erstes, gutes Zeichen. An dieser Erkenntnis ändert auch die Pleite gegen Langnau nichts. Das Schicksal des neuen SCB-Trainers wird nicht durch eine Niederlage im September in Worb entschieden. Zusatzinfo Corban Knight – Ausfall im ersten SCB-Spiel –er kanadische Stürmer Corban Knight bestritt in Worb gegen Langnau seine erste Partie für den SCB. Sie war für ihn schon im Startdrittel zu Ende. Er hatte einen Check „gefressen“ und blieb nach der ersten Pause in der Kabine. Ob oder wie lange der Kanadier ausfällt, ist bisher nicht klar. Für die Berner verbleiben vor dem Saisonstart zwei Testspiele: Am kommenden Donnerstag treten sie beim EV Zug an, ehe sie am 9. September die ZSC Lions empfangen. Die SCL Tigers spielen ihre nächste Partie bereits heute um 18.00 Uhr auf eigenem Eis gegen Lugano.