Seit 2020 versucht Philipp Kurashev in der NHL anzukommen. Letzte Saison war er bei Chicago ein fester Bestandteil des Teams (75 Spiele/54 Punkte). Aber nun sind die Chancen auf einen neuen NHL-Vertrag erheblich gesunken. Er hat bei Chicago die miserabelste Plus/Minus-Bilanz des Teams (-28) und in 31 Partien erst 5 Punkte beigesteuert. Offensiv nicht mehr produktiv und defensiv nicht verlässlich genug. Er steckt in einer ähnlichen Situation und vor den gleichen Fragen wie zuvor schon Sven Andrighetto, Dean Kukan oder Denis Malgin: Den NHL-Traum aufgeben und mit einem Mehrjahresvertrag mit 500'000 bis 900'000 Franken Jahressalär in die Heimat zurückkehren? Oder doch noch einmal einen Anlauf in der NHL nehmen?
Ein Stürmer mit dem Potenzial von Philipp Kurashev kann in der National League bei geschickter Verhandlungstaktik durchaus einen Fünfjahresvertrag mit einer Gesamtsumme von vier Millionen herausholen. Aber die Gespräche müssen diskret geführt werden: Wenn durchsickert, dass ein Spieler auch nur an eine Rückkehr in die Heimat denkt, dann gerät er in einer NHL-Organisation in eine schier ausweglose Situation: Seine Position beim aktuellen Arbeitgeber ist dann ruiniert und er hat nicht einmal mehr einen echten Tauschwert auf dem NHL-Transfermarkt. Also wird jede Antwort auf eine entsprechende Frage sein, die ganze Konzentration gelte der NHL. Punkt.
Um einen etwas frivolen Vergleich zu bemühen: Gespräche mit möglichen Interessenten aus der National League werden vom Agenten eines NHL-Schweizers so diskret geführt und bei neugierigen Fragen wird so hartnäckig geleugnet wie bei einer ausserehelichen Affäre gegenüber einem eifersüchtigen Partner oder einer nicht minder eifersüchtigen Partnerin.
Philipp Kurashev wird im Oktober 26 und der nächste Vertrag wird der bisher wichtigste. Sportlich und finanziell. Er hat bisher brutto in Nordamerika knapp 7 Millionen Dollar verdient und davon ist mindestens die Hälfte durch Steuern verloren gegangen. Eine Verbesserung des auslaufenden Vertrags (2,2 Millionen brutto) ist in der NHL nahezu ausgeschlossen. Also wird nun die National League ein Thema.
In der Pole-Position steht im Falle einer Rückkehr in die Schweiz der SC Bern. Der Klub, der Philipp Kurashev einst ausgebildet hat. Einerseits hat SCB-Manager Marc Lüthi im Bemühen um eine Rückkehr an die Spitze die Transferkasse wieder randvoll aufgefüllt. Andererseits können die Berner gute sportliche Perspektiven und eine zentrale Position im Team offerieren. Von allen potenziellen Titelanwärtern der nächsten Jahre hat keiner so wenige offensive helvetische Alphatiere wie der SCB.
Auf die Frage, ob man in der «Causa Kurashev» dran sei und vorankomme, sagt jedenfalls ein Gewährsmann beim SCB, der aus verständlichen Gründen seinen Namen nicht in einem Medium lesen möchte, schon fast unwirsch, ja beinahe empört: «Ja, ja, natürlich!» Diese Auskunft des loyalen SCB-Mannes dürfte nicht nur der gutgemeinten Absicht geschuldet sein, einer weiteren respektlosen Polemik gegen seinen Ober- und Untersportchef zuvorzukommen.
Warten wir ab, wohin sein Weg führt und ob er sich wo auch immer durchsetzt und seine Klasse auch endlich zeigen kann.