Hockey Huttwil fegt am frühen Samstagabend den SC Langenthal mit 8:2 (2:0, 3:0, 3:2) in der MyHockey League vom Eis. Ein interessanter, unterhaltsamer und lehrreicher Hockey-Abend mit einem dramatischen Schlussakt, der leider nicht mehr vor dem werten Publikum – 737 Fans waren da - aufgeführt worden ist: Langenthal hat Trainer Robert Othmann eine gute halbe Stunde nach der Schlusssirene noch im Campus Perspektiven, also im gegnerischen Stadion des Amtes enthoben.
Seit die Langenthaler nach dem freiwilligen Abstieg aus der Swiss League im Frühjahr 2023 in der gleichen Liga spielen wie die Huttwiler haben sie alle Spiele gegen den Erzrivalen verloren. Insgesamt sieben Test- und Meisterschaftspartien. Aber dieses 2:8 vom vergangenen Samstag ist die Mutter aller bisherigen Niederlagen. Einerseits der Stärke der Huttwiler zuzuschreiben, einem robusten, exzellent gecoachten, taktisch smarten, gut ausbalancierten, von Trainer Daniel Bieri und Sportchef Max Dreier über mehrere Jahre entwickelten Spitzenteam ohne erkennbaren Schwachpunkt.
Aber eben auch der lamentablen Verfassung der Langenthaler geschuldet, die so besorgniserregend geworden ist, dass Trainer Robert Othmann noch am selben Abend nach der sechsten Niederlage de Suite mit einem Torverhältnis von 12:35 freigestellt worden ist.
Nach der Schlusssirene beginnt im Campus Perspektiven zu Huttwil der zweite, der dramatische Teil dieses Derbys. Langenthals Kabinentüre bleibt lange zu und dann hat Trainer Robert Othmann, sonst ein freundlicher Mann, für einmal keine Zeit für eine kurze Plauderei über das Spiel, Gott und die Hockey-Welt mit dem Korrespondenten der Lokalzeitung «Unter-Emmentaler». Er eilt, sichtlich gestresst und verärgert, zu einer Besprechung in den „Medienraum“ unterhalb der Stadionbeiz. Präsident Walter Ryser und der für den Sport zuständige Verwaltungsrat Simon Flückiger eröffnen ihm dort ziemlich genau eine halbe Stunde nach Spielschluss die Amtsenthebung.
Glücklicherweise war Kult- und Hoffotograf Marcel Bieri für einmal nicht am Match. Er hätte sonst im Medienraum die Bilder bearbeitet. Die «Scheidung» wird dann am Sonntagmorgen um 8:54 Uhr per E-Mail öffentlich gemacht. Mehr Drama geht nicht: Langenthals Trainer wird ausgerechnet unmittelbar nach einer Niederlage im Medienraum im Stadion des Erzrivalen freigestellt. Das ist ungefähr so, wie wenn der SCB seinen Trainer nach einer Derby-Pleite im Medienraum des Langnauer Hockeytempels feuern würde.
Die Frage ist natürlich: Warum ist Robert Othmann gescheitert? Der 48-jährige kanadisch-schweizerische Doppelbürger mit Vergangenheit als Spieler unter anderem bei Basel, Olten, Sierre und Biel hat ja letzte Saison nach dem freiwilligen Abstieg eine Mannschaft in die Playoffs geführt, die praktisch «auf der grünen Wiese» neu zusammengestellt worden war. Er gilt als fachlich hervorragender Trainer mit hoher Sozialkompetenz.
Sein eher weicher Führungsstil war genau richtig in dieser schwierigen Saison, als es in erster Linie darum ging, das Team zusammenzuhalten und die Spieler mehr zu fördern als zu (über)fordern. Diese Ausgangslage war auch ein wenig ein Abenteuer mit «Hockey-Romantik». Es war eine Meisterleistung, eines auf dem Papier wohl schwächsten Teams der Liga in die Playoffs zu führen.
Nun ist auf diese Saison nachgerüstet worden und nominell gehört der SC Langenthal inzwischen zu den besten Mannschaften und gilt mit einem Schnitt von 1138 pro Spiel (in der Swiss League waren es zuletzt 1830) als Krösus der Liga mit voller «Transfer-Kriegskasse». Das Saisonziel «direkte Playoff-Qualifikation» für den Rang 6 erforderlich ist, war durchaus realistisch. Aber noch selten ist die Chemie eines Teams von einer Saison auf die nächste so stark verändert worden. Die Ankunft von Alphatieren wie Philip Ahlström, Patrick Bandiera oder Gauthier Girardin erfordert einen anderen Führungsstil. Robert Othmann hätte mehr autoritärer «Bandengeneral» als verständnisvoller Ausbildner sein müssen. Und das ist ihm nicht gelungen. Er konnte nicht über seinen Schatten springen.
So muss bei Langenthal ein Trainer gehen, der bei den Spielern beliebt war. Simon Flückiger sagt, der neue Chef müsse nun einen Mittelweg zwischen Fordern und Fördern finden und sein Bedauern über das Scheitern von Robert Othmann ist echt. Für die Nachfolgeregelung werde man sich ein paar Tage Zeit lassen und zusammen mit dem neuen Trainer eine an die veränderte Ausgangslage angepasste Zielsetzung formulieren. «Wir sind 11 Punkte hinter Rang 6 und es wäre ambitioniert, weiterhin an dieser Zielsetzung festzuhalten. Es hängt nun auch davon ab, wann unsere verletzten Spieler wieder ins Team zurückkehren.» Olten und Langenthal also im Drama der Trainerentlassung und die Neujustierung der Zielsetzung vereint.
Fehler und Versäumnisse muss sich die tüchtige Führungscrew um Präsident Walter Ryser keine vorwerfen lassen. Sie hat lediglich unterschätzt, wie schwierig und langwierig der Aufbau eines neuen, konkurrenzfähigen Teams der MyHockey League sein kann. Immerhin gibt es für Walter Ryser, der über die Jahre als Chronist Kultstatus hatte und mit spitzer Feder mehrere Trainer in Langenthal aus dem Amt geschrieben hat, einen Trost: Nun ist er ein richtiger Präsident. Weil nur einer im Hockey ein richtiger Präsident ist, der eine Amtsenthebung eines Trainers orchestriert hat. Er sagt mit der ihm eigenen sympathischen Selbstironie: «Das kann man so sagen.»
Zu den Kandidaten für den Trainerjob gehört auch Gary Sheehan, der ja nach seiner Amtsenthebung bei Ajoie schon mal vorübergehend Franches Montagnes in der MyHockey League gecoacht hatte. Walter Ryser sagt: «Ja, ich kenne ihn gut.» Garry Sheehan ist wenig optimistisch: «Ich denke nicht, dass die Langenthaler mein Salär übernehmen könnten. Time will tell.» Es wäre ja wahrlich ein Akt der Hockey-Romantik und der wahren Sportfreundschaft, wenn die Langenthaler dafür sorgen, dass die Oltner für den abgesetzten Gary Sheehan den Lohn nicht mehr bezahlen müssten.