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Eismeister Zaugg

Eismeister Zaugg: Schweizer Trainer machen unser Eishockey besser

Head Coach Marco Bayer (ZSC) beim vierten Eishockey Playoff Halbfinalspiel der National League zwischen dem HC Davos und den ZSC Lions, am Samstag, 5. April 2025, in der zondacrypto-Arena in Davos. .
Marco Bayers Arbeit beim ZSC beweist einmal mehr, dass es qualifizierte Schweizer Übungsleiter gibt.Bild: keystone
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Marco Bayer, Patrick Fischer und die Magie der Schweizer Trainer

Zum ersten Mal in der Geschichte prägen einheimische Trainer unsere Hockeykultur. Marco Bayer und Patrick Fischer sind die prominentesten Vertreter dieser helvetischen Trainer, die unser Hockey so gut machen wie noch nie. Keine Polemik.
04.05.2025, 04:4604.05.2025, 13:36
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Marco Bayer hat die ZSC Lions zur Nummer 1 in Europa gemacht und zur Titelverteidigung geführt. Logisch also, dass er bis 2027 an der ZSC-Bande bleibt und nicht zum Farmteam zurückgeschickt wird.

Marco Bayer hat eine extreme Extremsituation bravourös gemeistert: Unverhofft durch den gesundheitlich bedingten Verzicht seines Vorgängers Ende Dezember ins Amt gekommen und mit maximalen Erwartungen konfrontiert. Alles andere als eine Titelverteidigung wäre als Enttäuschung taxiert worden.

Darüber hinaus musste er eine Doppelbelastung sondergleichen orchestrieren: Das «Nachladen» nach dem Triumph in der Champions League. Zwei so anspruchsvolle Ziele wie den Gewinn des europäischen Klubwettbewerbs und der nationalen Meisterschaft in wenigen Wochen zu erreichen, ist eigentlich beinahe unmöglich.

Wie Marco Bayer hat sich auch Lars Leuenberger – als «Nottrainer» einst Meister in Bern und diese Saison mit Gottéron Spengler Cup-Sieger plus Halbfinalist – in einer Extremsituation bewährt. Aber weder damals in Bern noch jetzt bei Gottéron hat er die Chance bekommen, Cheftrainer zu bleiben.

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Trotz stetem Erfolg bekommt «Nottrainer» Lars Leuenberger keine richtige Bewährungschance.Bild: keystone

Marco Bayer hat das Glück, dass er in einer durch und durch professionellen Organisation die erste Mannschaft coachen darf. Der Erfolg ist trotzdem kein Selbstläufer. Zum Schlüssel wird die kluge Anpassung des Führungsstils. Eine Mannschaft mit so vielen starken, erfahrenen Spielerpersönlichkeiten braucht Führung. Aber keine Belehrungen und schon gar keine «von oben herab». Der Coach ist kein Diktator, sondern ein Moderator. Die aus dem Lateinischen stammende Bezeichnung steht für «Lenker» und ist abgeleitet vom Wort «moderare» und bedeutet «mässigen», «in Schranken halten», «regeln» und «vermitteln».

Populistischer formuliert: die Spieler an der langen Leine führen, mit gutem Gespür, wann es zwischendurch erforderlich ist, die Zügel zu straffen. Und als Coach mit richtigen Umstellungen, taktischen Handgriffen, gutem Management der Emotionen und Energien dem Team helfen, das Beste herauszuholen. Das ist Marco Bayer aufs Vortrefflichste gelungen, weil er sich über die Jahre ein immenses Wissen über Eishockey, Taktik und das Wesen und Wirken der Spieler angeeignet hat. Als Spieler, als Trainer und Assistent auf Junioren- und Erwachsenenstufe und als Sportchef. Oder einfacher gesagt: Er hat sein Handwerk jahrelang von Grund erlernt. Nicht nur theoretisch, sondern auch durch eine durch nichts zu ersetzende Erfahrung in der Praxis.

Marco Bayers Rolle war seit Ende Dezember bei den auf allen Positionen gut bis sehr gut besetzten ZSC Lions eher die eines Nationaltrainers, der aus den ihm anvertrauten Spielern ein Maximum herausholen musste. Zum Ausbilden und Pröbeln fand er noch kaum Zeit. Seine Rolle wird ab dem Herbst eine andere sein. Die Ziele sind erst einmal erreicht, die Intensität wird im Herbst vorerst eine geringere sein als zuletzt im Februar, März und April. Die Atemlosigkeit der letzten Wochen weicht einem etwas beschaulicheren Alltag. In dieser Phase wird es unumgänglich sein, die Zügel hin und wieder anzuziehen.

Die Monate September, Oktober, November, Dezember und Januar können deshalb für den Trainer ebenso schwierig und eher gefährlicher sein als die Intensität im Februar, März und April.

In Langnau und Ambri beweisen mit Thierry Paterlini und Luca Cereda zwei weitere Schweizer Trainer, dass sie auch diese Herausforderung bei enger Zusammenarbeit mit ihren Sportchefs zu meistern vermögen. Und schon fast ist in Vergessenheit geraten, dass in Davos mit Christian Wohlwend ein Schweizer die Mannschaft aus dem überlangen Schatten von Kulttrainer Arno Del Curto herausgeführt hat.

Der Davoser Head Coach Christian Wohlwend hinter der Bande beim Schreien, in Spiel 6 des Playoff 1/4 Final Eishockeyspiels der National League beim Eishockey Spiel der National League zwischen dem HC  ...
Aus «Wolwos» Davoser Zeit bleiben vor allem seine Wutausbrüche in Erinnerung – doch er war es, der den HCD in der Post-Del-Curto-Ära zu stabilisieren vermochte. Bild: keystone

Je professioneller die Struktur eines Klubs, desto besser die Zusammenarbeit mit der sportlichen Führung rund um den Sportchef, desto realistischer die Zielsetzungen, desto einfacher wird die Arbeit des Trainers. In Genf ist Jan Cadieux nach einem Meistertitel und dem Gewinn der Champions League am Alltag der Qualifikation auch deshalb gescheitert, weil Servette nach wie vor nicht die Strukturen einer stabilen meisterlichen Organisation hat. Er ist nun U-20-Nationalcoach und es ist nicht die Frage ob, sondern nur wann er ins Trainergeschäft der Liga zurückkehren wird.

Und sollte Michael Liniger – vom Profil her mit Thierry Paterlini oder Luca Cereda durchaus vergleichbar – nächste Saison in Zug scheitern, dann wird es in allererster Linie das Scheitern des Managements mit Patrick Lengwiler und Reto Kläy sein, das hohe Erwartungen kultiviert, aber die entsprechenden Investitionen ins Team bisher auf nachgerade fahrlässige Art und Weise unterlassen hat.

Zur Erfolgsgeschichte der Schweizer Trainer passt durchaus, dass Luca Gianinazzi in Lugano auf der ganzen Linie gescheitert ist: Er brachte es als Spieler nie über eine Nebenrolle in der zweithöchsten Liga hinaus. Er hatte noch nicht einmal als Assistent Erfahrung auf Profistufe und nur Juniorenteams gecoacht. Er musste in Lugano zur Meisterprüfung antreten, obwohl er noch gar keine Lehre absolviert hatte und sein Rucksack leer war. Die Spieler haben ihn logischerweise nie richtig ernst genommen. Ihm die erste Mannschaft zu überlassen, war eine rührende Mischung aus «Ambri-Romantik» und Naivität des Managements. Nun erst beginnt er in Visp in der zweithöchsten Liga seine Lehrzeit und kann es noch weit bringen.

L'entraineur Luca Gianinazzi (HCL), during the regular season of National League A (NLA) Swiss Championship 2024/25 between HC Lugano and ZSC Lions at the ice stadium Corner Arena, Switzerland, S ...
Bekam zu früh eine zu grosse Aufgabe vorgesetzt: Luca Gianinazzi bei Lugano.Bild: keystone

Bis vor 20 Jahren prägten ausländische Trainer unsere Hockeykultur. Mal waren es Kanadier, mal Schweden, mal Finnen, zwischendurch Tschechen und hin und wieder als Exot ein Schweizer. Unser Hockey hat bei seiner Entwicklung von den verschiedenen ausländischen Philosophien profitiert.

Die Rückkehr in die Weltspitze, die internationalen Erfolge – Triumphe in der Champions League, WM-Finals – verdankt unser Hockey inzwischen aber der Emanzipation von ausländischen Trainern. Dem Heranwachsen einer ganzen Generation von einheimischen Trainern mit einer eigenen Philosophie, die Patrick Fischer als Nationaltrainer auf internationaler Ebene mit drei WM-Finals zum Durchbruch verholfen hat – 2013 noch als Assistent von Sean Simpson, 2018 und 2024 als Cheftrainer. Also Magie der helvetischen und nicht mehr der ausländischen Trainer.

Das ist logisch: Wer kennt denn unsere Mentalität und die Besonderheiten unseres Hockeys besser als Schweizer?

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7 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Neruda
04.05.2025 08:55registriert September 2016
Ich würde Fischer gerne wieder bei einem Club in der NLA sehen. Wäre spannend, ob er wirklich besser wurde. Bei Lugano riss er damals ja nicht so viel.
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Zanzibar
04.05.2025 08:54registriert Dezember 2015
Beim ZSC wird es spannend zu sehen ob die Mannschaft es schafft Jahr für Jahr die Spannung hochzuhalten. Qualität ist genügend vorhanden das auch die nächsten 2 Titel eingesammelt werden. Die Frage ob der Hunger immer noch so gross ist, ist eine andere.
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