Die Logik ist die Kunst der vernünftigen Schlussfolgerung. So gesehen ist der Sieg der ZSC Lions unlogisch: Der SCB dominiert im Zürcher Hockeytempel mit 43:32 Torschüssen, kassiert ein Offside-Tor trotz «Coaches Challenge», weil die Bildauflösung die alles entscheidende Szene nicht sichtbar machen kann (kein Fehler der Schiris also), vergibt in Unterzahl die bisher grösste Torchance der Saison und kassiert am Ende in der siebten Überzeit des Herbstes (Verlängerung oder Penaltys) die siebte Niederlage.
Der SCB hätte dieses Spektakel nach den Gesetzen der Logik gewinnen müssen. Aber Hockey auf rutschigem Eis ist halt nicht immer logisch.
Die Kabinentüre bleibt nach Spielschluss lange zu. Aber Trainer Jussi Tapola hat nicht getobt. Eher getröstet. Wenn denn ein Hockeytrainer die Kunst des Tröstens überhaupt beherrscht. Er ärgert sich zwar darüber, dass ein offensichtliches Offside vor dem 2:0 nicht erkannt worden ist, hadert aber weiter nicht mit den Hockeygöttern und stellt ganz sachlich fest:
Beton am Mittwochabend in Langnau (1:2 n. V.), offensives Sausen und Brausen am Sonntagnachmittag in Zürich.
Wichtig auch: Selbstvertrauen und Zusammenhalt sind intakt. Selbst nach einem unglücklichen 0:3-Rückstand gibt es keine Spuren der Resignation oder Frustration. Jussis Männer schütteln den Rückstand aus den Köpfen wie ein Hund das Wasser aus dem Fell, verlieren nicht Konzentration und Disziplin. Die Kadertiefe ist so gross, dass Yanick Sablatnig (25) in der vierten Linie aus knapp zehn Minuten Eiszeit zwei Tore macht.
Sein Name steht inzwischen im Notizbuch von Patrick Fischer. Der Nationaltrainer hatte den bissigen Stürmer bereits vor dem ersten Treffer ausdrücklich gelobt. Wer Meister werden will, braucht Nationalmannschafts-Kandidaten in der dritten und vierten Linie.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
In den verbleibenden 14 Minuten nach dem Ausgleich (3:3) verpassen die Berner in der verrücktesten Szene der Saison in Unterzahl das 4:3, das mit ziemlicher Sicherheit den Sieg gebracht hätte: die ZSC Lions in Überzahl. Torhüter Robin Zumbühl eilt aus dem Kasten, um die Scheibe nach vorne zu spielen. Waltteri Merelä fängt sie ab und hat das leere, verlassene Gehäuse vor sich. Er schiesst sofort und trifft nicht. Weil er das getan hat, was jeder in dieser Situation tut: Sofort den Abschluss suchen. Er hatte gar nicht richtig realisiert, dass er völlig unbedrängt war und Eile ausnahmsweise gar nicht geboten war.
Die siebte Niederlage in der siebten Überzeit der Saison ist auch für Jussi Tapola mehr Kuriosum als Grund zur Sorge. Die logische Schlussfolgerung: Alles ist da, um eine Meisterschaft zu gewinnen. Jussi Tapola obliegt es nun, bis im Frühjahr, bis es wieder neue Blätter in den Bäumen hat, die einzelnen Teile so zusammenzufügen, dass daraus ein meisterliches Puzzle wird. Das wird von ihm erwartet.
So viel sei auch verraten: Wenn er nicht bis in den Halbfinal kommt, wird sein Job trotz vorzeitiger Verlängerung bis 2026 im Treibsand der Polemik versinken.
Bleibt noch die Frage: Wie kann es sein, dass die ZSC Lions im eigenen, ausverkauften Tempel dem Gegner 43 Abschlüsse gewähren? Es ist die spielerische Leichtigkeit des Seins. So viel Talent, dass selbst bei Schillerfalter-Hockey, bei fahrlässiger defensiver Nachlässigkeit am Ende doch ein Sieg gelingt. Im ersten Drittel machen die Zürcher aus sieben Abschlüssen mit einer Kaltblütigkeit sondergleichen zwei Treffer. Logisch also, dass eine Mannschaft mit so viel Talent Meister geworden ist.
Reizvoll ist die Frage, was sein wird, wenn es zu einem Playoff-Duell zwischen diesen beiden Teams kommen sollte. Natürlich werden die Zürcher im März seriöser, rauer, konzentrierter, geradliniger spielen als im Oktober. Aber dem SCB wird mit ziemlicher Sicherheit nicht noch einmal so viel Ungemach widerfahren wie am Sonntagnachmittag. Eine Logik aus diesem unlogischen Spiel ist deshalb auch: Der SCB kann diese ZSC Lions entthronen und Meister werden.