Wir erinnern uns: Nino Niederreiter versauerte als Erstrundendraft bei den New York Islanders. Sein Agent André Rufener forcierte einen Transfer zu Minnesota. Gross war damals hierzulande das Geschrei der Kritiker, die das NHL-Geschäft nur aus dem TV und dem Internet kennen. Es gehe nicht, dass ein Agent einen Transfer forciere, das ruiniere eine Karriere. André Rufener wusste sehr wohl, was er tat und rettete die Karriere seines Klienten.
Alle Spieler, die nach dem Draft in die NHL kommen, haben den gleichen standardisierten Dreijahresvertrag. Ein Transfer in diesen drei ersten Jahren ist ganz besonderes heikel und ein Politikum. Denn einen Erstrunden-Draft wegzugeben ist das Eingeständnis des General Managers und der Scouts, dass man sich beim Draft geirrt hat. Ein missglückter Erstrundendraft kann den Verantwortlichen über lange Zeit wie Schwefelgeruch in den Kleidern hängen bleiben. Und bei einem solchen Transfer besteht erst noch das Risiko, dass der Spieler bei der Konkurrenz den Durchbruch schafft. Es braucht schon besondere Umstände, dass ein Erstrundendraft während des ersten Vertrages transferiert wird.
Der Fall von Sven Bärtschi ist durchaus mit dem «Fall Niederreiter» vergleichbar. Der ehemalige Langenthaler Junior war bei Calgary so chancenlos wie Nino Niederreiter damals bei den Islanders. Er ist nicht mehr aus Bob Hartleys Hundehütte herausgekommen. Die Nordamerikaner sagen vor einem Spieler, der beim Coach chancenlos ist, er stecke in dessen «Doghouse».
Warum eigentlich? Bob Hartley ist ein stockkonservativer Coach. Perfekt für ein eher durchschnittlich talentiertes NHL-Team. Denn er sorgt für das, was die Nordamerikaner «Work Ethic» nennen. In den Mannschaften von Bob Hartley arbeitet jeder hart. Calgary fegt seine Gegner nicht weg – es arbeitet sie vom Eis und es rumpelt ordentlich. So hält Bob Hartley die mässig talentierten Calgary Flames im Playoff-Rennen. Seine Position ist auch wegen seiner guten Beziehungen zu den Besitzern der Flames unantastbar – wenn einer bei so einem Coach in die «Hundehütte» muss, dann kommt er dort nicht mehr heraus.
Ein Spieler wie Sven Bärtschi kann bei Bob Hartley gar keine Gnade finden. Er ist ein schlauer Skorer und schon von seiner Postur her kein Brecher (180 cm/86 kg) wie Nino Niederreiter (188 cm/95 kg), der bei Bob Hartley einen Stammplatz hätte. Er erweckt optisch nicht den Eindruck eines hart rumpelnden Stürmers, den der ehemalige ZSC-Meistertrainer so schätzt, und so hatte Sven Bärtschi in Calgary gar keine Chance und wurde bald ins Farmteam zurückversetzt. Deshalb hat sein Agent André Rufener viel Energie investiert um das Management zu einem Transfer zu motivieren. Der Schweizer ist im Tausch gegen ein Zweitrunden-Draftrecht nach Vancouver geschickt worden.
Special thanks to Calgary, the fans & organization for the last few years- Excited to be a part of a great Vancouver Canucks organization
— sven baertschi (@SvenBaertschi) 2. März 2015
Ein Transfer war jetzt notwendig, weil Sven Bärtschis Vertrag nach dieser Saison ausläuft. Er hat bisher erst 66 NHL-Spiele bestritten (8 Tore) – das ist zu wenig, um im Sommer einen neuen, hochdotierten Vertrag zu bekommen und Dollar- Millionär zu werden. Wäre er in Calgary geblieben, wäre sogar seine Zukunft in der NHL in Gefahr geraten. Nino Niederreiter hat nach seinem Transfer zu Minnesota die Chance genützt und so gut gespielt, dass er einen mit 8 Millionen Dollar dotierten Dreijahresvertrag bekommen hat.
Neues Team, neues Glück. Der Transfer nach Vancouver eröffnet Sven Bärtschi eine neue Chance, gibt ihm aber keine NHL-Garantie. Sein grösstes Problem bleibt, dass er ein kompletter Stürmer ist – er kann im Grunde alles, aber in keinem Bereich ist er für NHL-Verhältnisse überragend. Die Frage, ob er gut genug ist für die ersten zwei Linien (als Skorer) ist noch nicht beantwortet. Aber nur in einer offensiven Rolle kann er ein NHL-Stammspieler werden. Zum Defensivstürmer im dritten oder vierten Block taugt er wahrscheinlich nicht.