Die Erneuerung des Teams ist ziemlich dramatisch. Von den Spielern, die vor ziemlich genau einem Jahr in Ambri 3:2 gewonnen haben, sind am Donnerstag beim 3:2 gegen Lausanne nur noch acht im Einsatz. Auch der letztjährige Cheftrainer und seine Assistenten sind nicht mehr dabei. Verletzungspech, Rücktritte und Transfers provozieren eine tiefgreifende Erneuerung. Trotzdem steht Biel praktisch auf gleicher Höhe wie vor einem Jahr: Platz 8, 55 Punkte, 87:87 Tore. Vor einem Jahr hatte Biel nach 38 Partien 54 Punkte bei 101:99 Toren.
Lediglich in einer Statistik gehören die Bieler zu den Besten der Liga: Nur die ZSC Lions haben noch weniger Tore kassiert. Was auch mit der Qualität der Goalies zu tun hat: Harri Säteri (30 Spiele) und Luis Janett (8 Spiele) haben über 93 Prozent der Pucks abgewehrt. Den Sieg über Tabellenführer Lausanne hat Luis Janett bei 25:38 Torschüssen «gestohlen». In den übrigen Bereichen ist Biel durchschnittlich bis ungenügend: Schüsse aufs Tor (8.), Powerplay (6.), Boxplay (8.), Bullys (14.) und erzielte Tore (13.).
Mit einer ausufernden Datenmenge (der Statistik-Handel ist ein blühendes Geschäft geworden) kann heute jeder IT-Spezialist, der noch nie in einem Hockey-Tempel war, so kluge Analysen machen wie ein Nationaltrainer. Aber Biels erstaunliche Erneuerung unter Trainer Martin Filander können Zahlen nicht ergründen. Sie liegt in einer Eigenheit, die sich nicht einmal in der TV-Übertragung, sondern richtig nur dem Matchbesucher im Stadion offenbart: Es ist eine sicht- und fühlbare Besonderheit: Die Bieler laufen, laufen und laufen. Hockey so weit die Füsse tragen. Ob mit etwas weniger (wie in Langnau) oder mehr Selbstvertrauen (wie gegen Lausanne) ist einerlei.
Statistisch wäre die Besonderheit des Bieler Stils nur mit dem Messen der Laufmeter zu erfassen. Der Schlüssel ist die aktive Spielweise: Keiner steht still (ausser dem Goalie natürlich). Modernes Hockey ist «totales Hockey» und bedeutet: Alle sind in Bewegung. Nicht nur der puckführende Spieler und alle erst recht dann, wenn der Gegner im Scheibenbesitz ist. Diesen taktischen Grundsatz hat bereits der griechische Philosoph Heraklit in alten Zeiten formuliert: «Alles fliesst.»
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Das ist einfacher gesagt als umgesetzt: Blinder Eifer schadet eher. Laufarbeit ist nur mit Verstand und guter Organisation zielführend. Im dritten Drittel dominiert Lausanne mit 22:7 Torschüssen, aber Biel gewinnt diesen Spielabschnitt mit 2:0. Langnau war am Mittwoch im letzten Drittel klar überlegen (13:6 Torschüsse), verlor aber den Schlussabschnitt ebenfalls 0:2. Die Bieler überstehen in Langnau und gegen Lausanne die gegnerische Druckphase mit einer aktiven Defensive. Sie stehen auf den Zehenspitzen, nicht auf den Fersen.
Die klare defensive Verbesserung im Vergleich zur letzten Saison hat wohl auch etwas mit dem neuen Assistenten Beat Forster zu tun: Er kennt aus der Erfahrung aus über 1000 Spielen und sechs Meisterfeiern das Verteidigerhandwerk. Die letzten sieben Jahre hat er für Biel verteidigt. Er weiss also auch, wie Biel funktioniert. Wenn er in der Kabine oder im Training etwas über das Verteidiger-Handwerk erzählt, dürfte jeder aufmerksam zuhören.
Biel steht als Beispiel für eine Hockeykultur, die nicht allein von Siegen und Titelhoffnungen lebt. Die Stadionauslastung (94,35 Prozent) ist diese Saison sogar höher während der Spielzeit 2022/23 (89,05 Prozent), der bisher erfolgreichsten Spielzeit seit dem Wiederaufstieg mit einem 2. Platz in der Qualifikation und dem erstmaligen Sturm bis in den Final (gegen Servette) und dort bis ins 7. Spiel.
So einfach, banal, wie wahr und klar: Laufarbeit ist das beste Mittel, um fehlendes Talent zu kompensieren und wenn das Geld für teure, komplette Spieler fehlt, so muss halt der Sportchef darauf achten, dass er keine Spieler mit hölzernen Füssen verpflichtet. Laufarbeit sorgt für Emotionen in der Arena. Eine aktive Spielweise befeuert die Stimmung und steigert den Unterhaltungswert. Und darum geht es: Wenn die Fans gut unterhalten werden, wenn der Erlebniswert eines Matchbesuches hoch ist, dann muss auch eine Niederlage kein Unglück sein. Und wer noch etwas Polemik mag: Wo wäre Biel diese Saison, wenn Trainer Martin Filander nicht nur drei, sondern sechs sehr gute – oder sollten wir sagen: brauchbare – Ausländer einsetzen könnte?
Vom Stil her kommt Ambri Biel am nächsten. Biel als Flachland-Ambri. Es ist kein Zufall, dass Ambri nach Gottéron (100 Prozent) mit 95,37 Prozent die beste Stadionauslastung der Liga hat.