Manchmal entscheiden Sekundenbruchteile über den Verlauf einer ganzen Saison. Die SCL Tigers verdanken die zwei wundersamen Siege gegen die ZSC Lions (3:2) und in Zug (3:1) dem «Schmetterlingseffekt».
Der «Schmetterlingseffekt» erklärt uns, welch ungeahnten Einfluss ein scheinbar unbedeutendes Ereignis auf die weitere Entwicklung des Wetters oder eben eines Hockeyspiels oder einer Hockeysaison nehmen kann.
Der einprägsame Begriff «Schmetterlingseffekt» stammt vom amerikanischen Meteorologen Edward N. Lorenz, der 1972 einen Vortrag zum Thema hielt, ob ein Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien am Ende einen Tornado in Texas auslösen könne.
Der «Flügelschlag des Schmetterlings», der in Langnau eine unerwartete Entwicklung ausgelöst hat, ist eine Parade von Langnaus Torhüter Ivars Punnenovs.
Die SCL Tigers hatten gegen den SC Bern (0:2) und in Davos (3:4) verloren und standen vor der scheinbar unlösbaren Aufgabe, gegen die ZSC Lions und den EV Zug den Absturz in der Tabelle und ein Krisenspektakel samt Trainerdiskussion zu verhindern.
Tatsächlich geraten die Emmentaler in der Partie gegen die ZSC Lions in eine Depression. Sie spielen die miserabelste Partie der Saison und liegen nach Spielmitte hoffnungslos 0:2 im Rückstand. Die Krise zieht herauf.
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— v. Hockey Fanradio (@hockeyfanradio) 20. Oktober 2017
die SCL Tigers gewinnen beim EV Zug mit 3-1. SCL Tigers Torhüter Ivars Punnenovs hatte folgende Worte: pic.twitter.com/9US032x3DG
In der 39. Minute spielen die Langnauer unkonzentriert Powerplay. Pius Suter entwischt und kann mit dem 3:0 alles klarmachen. Aber Ivars Punnenovs stoppt den Puck. Die wichtigste Goalieparade dieser Saison. Im Gegenzug fällt der Anschlusstreffer zum 1:2 und 40 Sekunden später führen die Langnauer 3:2. Mut, Zuversicht und Energie sind zurück.
Am Freitag haben wir in Zug eine neue Mannschaft gesehen. Die SCL Tigers sind mutig, selbstsicher, rau, hart und schlau. Sie besiegen Zug auswärts 3:1. Ein Sieg, der ohne die Parade von Ivars Punnenovs gegen die ZSC Lions nicht möglich gewesen wäre.
Der Lette mit Schweizer Lizenz hat also mit einer einzigen Aktion seine Mitspieler verwandelt. Und er ist, natürlich, auch in Zug überragend. Er hält 96,55 Prozent der Schüsse. Er ist der «Leonardo Genoni des armen Mannes.» Glück für Langnaus Sportchef Jörg Reber: Sein Vertrag läuft noch bis zum Ende der nächsten Saison. Bis 2019.
Die Parade des lettischen Nationaltorhüters im ZSC-Match hat auch Auswirkungen auf das Management. Die Art und Weise, wie es Trainer Heinz Ehlers gelungen ist, eine drohende Krise in eine Auferstehung mit Siegen gegen die ZSC Lions und in Zug zu verwandeln, bestärkt wichtige Leute im Verwaltungsrat in der Forderung, den Vertrag mit dem Trainer nun vorzeitig zu verlängern.
Heinz Ehlers hat einen auslaufenden Vertrag, der sich nur im Falle einer Playoff-Qualifikation automatisch um ein weiteres Jahr verlängert. Biel ist stark an einer Rückkehr des Aufstiegstrainers von 2008 interessiert.
Das ist wahrlich neu: In Langnau wird im Spätherbst über eine vorzeitige Vertragsverlängerung diskutiert. Bricht ein neues Zeitalter an? Auch das letztlich die Folge der Parade von Ivars Punnenovs im ZSC-Match. Bisher war es so, dass um diese Jahreszeit im Emmental über die Entlassung des Trainers diskutiert worden ist.
Wie überraschend Langnaus Sieg in Zug kommt, mag die Reaktion eines langjährigen Zuger Beobachters zeigen. Nach dem 0:3 platzt dem älteren Herrn der Kragen: «Es ist für unser Selbstverständnis einfach verheerend, wenn ein zusammengewürfelter Haufen von Melkern und Landmaschinenmechanikern uns im eigenen Stadion so vorführt …»
Nun, Schlauheit, Taktik und Leidenschaft triumphieren über Talent. Die Langnauer spielen die Pässe schnell und präzis, sie spielen hart und haben auch das Glück des Tüchtigen: Im Boxplay erobert Yannick-Lennart Albrecht auf illegale Art und Weise den Puck gegen Zugs Timothy Kast. Eero Elo entwischt und vollstreckt zum 2:0. Ein hoher Schiedsrichter-Funktionär, dessen Name mir soeben entfallen ist, bestätigt gleich nach dem Spiel, was die TV-Bilder zeigen. «Im Laufe der Jahre ist in solchen Situationen auch schon Foul gepfiffen worden …»
In Zug ist natürlich auch darüber fabuliert worden, ob Mark Streit wohl noch in der NLA spielen wird. Langnaus Sportchef Jörg Reber sagt, er habe sich per Mail erkundigt. Er hat einfach seine Pflicht getan. Eine Chance rechnet er sich nicht aus. Gehandelt hat er aber schon: Weil mehrere Verteidiger verletzt sind, hat er von Langenthal Claudio Cadonau (29) ausgeliehen. «Andere mögen an eine Verpflichtung von Mark Streit denken – wir sind mit Cadonau zufrieden …»
Wahrlich erstaunlich: Der Zürcher, für die NLA noch nie richtig gut genug und deshalb meistens in der NLB eingesetzt, war einer der Väter des Sieges. Heinz Ehlers teilte ihm in Zug 20 Minuten und 20 Sekunden Eiszeit zu.
Die ZSC Lions haben die Niederlage in Langnau bereits mit einem Sieg gegen Lugano korrigiert (4:1). Zug dürfte eine ähnliche Reaktion gegen Kloten gelingen. Erst im Cup und anschliessend in der Meisterschaft gelingen.
Das 1:3 gegen Langnau hat in Zug noch keine Unruhe ausgelöst. Und wenn doch, dann wäre Ivars Punnenovs' Parade im ZSC-Match letztlich ein «Schmetterlingseffekt», der sogar Auswirkungen auf Zugs Innenleben hat.