Die Fussball-Nationalmannschaft von den Färöer, den 18 Inseln im Nordatlantik, spielt in der gleichen WM-Qualifikationsgruppe wie die Schweiz. Fussball ist ein Stück der nationalen Identität und Kultur. Die Namen der Spieler, die am 12. September 1990 im Rahmen der EM-Qualifikation Österreich 1:0 besiegt haben, kennt jeder Einwohner auswendig.
Die Färöer wurden 1988 Mitglied der FIFA und 1990 der UEFA. Das Spiel gegen Österreich war das erste Pflichtspiel in der Geschichte Färöer. Die Partie fand in Schweden statt, da es auf den Färöern damals nur Kunstrasenplätze gab. Allgemein wurde eine himmelhohe Niederlage erwartet. Der österreichische Nationaltrainer dachte an ein 10:0, und auch die Färinger rechneten mit einer vernichtenden Niederlage. Ein 0:5 wäre als Erfolg gewertet worden.
Bloss 1265 Fans waren ins Stadion von Landskrona (Fassungsvermögen: 14'000) gekommen, die meisten Färinger. Etwa 100 Journalisten waren anwesend. Es war das Ereignis mit der bislang grössten internationalen Aufmerksamkeit für die Färöer.
Kurz vor Anpfiff des Spiels brach die Übertragungsleitung des färöischen Radios zusammen. Die beiden Fussballreporter berichteten während der ersten Halbzeit telefonisch.
Zur Pause stand es 0:0. In der 62. Minute fiel der entscheidende Treffer durch Torkil Nielsen, der drei Abwehrspieler umspielte und den Ball aus etwa 16 Metern Entfernung mit dem linken Fuss hart und flach mitten ins Tor schoss. Die Siegermannschaft wurde bei ihrer Ankunft in Torshavn von etwa 20'000 Menschen begrüsst, fast der Hälfte der Bevölkerung. Die Spieler gelten seitdem als Nationalhelden.
Auf dieses Spiel gibt es eine Hymne. Reytt og blátt og hvítt («Rot und blau und weiss» in Anlehnung an die färöischen Landesfarben). Im Refrain heisst es:
Fussballinseln also. Als Feriendestination sind die Färöer hingegen nahezu unbekannt – und das war für mich erst recht ein Grund, dort auszuspannen. Schliesslich war es einst das Privileg der Reichen, der Sommerhitze in kühlere Gefilde zu entfliehen. Nun können sich auch Proleten eine Reise in sommerliche nordische Frische leisten.
Von Kopenhagen aus sind es noch zwei Flugstunden Richtung Nordwesten. Nur die «Atlanic Airways» fliegt von Kopenhagen aus dieses wunderliche Inselreich an. Die Firma besitzt lediglich drei Flugzeuge und der Flughafen Vagar in der Nähe von Torshavn zählt weniger Flugbewegungen als Belp. Die Güter werden in erster Linie mit Schiffen zu den Inseln transportiert und im Hafen von Torshavn abgeladen. Im Dezember übrigens auch eine Schiffsladung Tannenbäume. Auf den praktisch baumlosen Inseln mag niemand auf den Weihnachtsbaum verzichten. Die Hauptstadt ist nicht ganz so gross wie Langenthal.
Die Konzentration auf den Schiffstransport hat seinen Grund. Der Anflug ist wegen schräg einfallender Winde und der kurzen Landebahn so heikel, dass nur speziell ausgebildete Piloten hier landen sollten. Die französische Fussball-Nationalmannschaft pflegt mit einem eigenen Jet zu reisen. Man hatte den Franzosen angeboten, einen Piloten der heimischen Fluggesellschaft zur Verfügung zu stellen. Die Hilfe wurde abgelehnt und beim Anflug wäre es um ein Haar zu einer Katastrophe gekommen. Das Flugzeug kam Zentimeter vor dem Ende der Piste, dort, wo es steil runter geht, doch noch zum Stillstand.
Was kann der Fremde hier unternehmen? Wandern und sonst nichts. Zwei Wochen verbrachten wir auf einem Haus auf Suduroy, der südlichsten Insel. Am Ende der Welt. Oder vielleicht war die Welt ja am Anfang so. Ohne Zeit. Mit richtigem Wetter. Ohne Eile. Der Golfstrom sorgt dafür, dass es hier nie richtig kalt wird. Nirgendwo ist es im Winter so hoch im Norden so mild. Dank der Lage so weit «oben» wird es auch nie richtig warm. Jetzt im Hochsommer ist es in der Regel 10 Grad. Das Wetter bietet täglich alles. Regen, Wind, Sonne und Nebel. Die Nächte sind hell, tiefe, finstere Dunkelheit gibt es im Sommer nicht – im Winter hingegen schon.
Die Färöer Inseln sind eine Oase ohne Kriminalität, mit offenen Türen (niemand schliesst sein Auto oder sein Haus ab), bewohnt von freundlichen, eigenwilligen Menschen und unzähligen Schafen. 80'000 Schafe für 50'000 Menschen. Schafsinseln werden sie daher auch genannt. Überall auf den baumlosen, grünen Hügeln weiden einzelne Schafe. Nicht Herden. Anders als kapitalistisch ausgebeutete Schafe werden sie hier nie geschoren. Ihre Felle sind deshalb lang und zottelig. Hippie-Schafe. Gehalten werden die Tiere eigentlich nur als Hobby und zum Eigenbedarf. Betrieben wird mehr oder weniger eine «Hobby-Schafwirtschaft» um nebenbei an die staatlichen Schafs-Subventionen heranzukommen.
Wer gut essen will, muss selber kochen. Die Restaurants auf den Inseln lassen sich an einer Hand abzählen. Auf Suduroy gibt es in den 17 Ortschaften gar keines und gute wie wir sie kennen eigentlich nur in Torshavn. Was keineswegs ein Zeichen fehlenden Soziallebens oder Geselligkeit ist. Gefeiert wird viel und getrunken auch. Aber nicht in der «Beiz». Sondern bei gegenseitigem Einladen zu Hause. Es gibt auch eine ganz eigene Volksmusik mit schwermütigen, melancholischen Liedern.
Eile, Stress und unfreundliches Hasten sind unbekannt. Die meisten Arbeitsplätze bietet die staatliche Administration, dazu gibt es ein paar Jobs in der Ölsuch-Industrie, im Transportwesen und in der Fischerei. In den Buchten wird in riesigen Netzen Lachs gemästet. Es soll der beste Lachs der Welt sein.
Dänemark subventioniert sein Inselreich grosszügig, investiert, wie es in Skandinavien der Brauch ist, viel in Bildung und Allgemeinwohl. Zwischen den Inseln verkehren die Fährschiffe, günstig und schneller sind die subventionierten Helikopterverbindungen. Auf die kleinste Insel wird für zwei Schüler regelmässig ein Lehrer mit dem Helikopter eingeflogen.
Die Färöer-Inseln geniessen innerhalb des Dänischen Königreiches Autonomie (aber keine vollständige), haben deshalb ihren eigenen Fussball-Verband und ihre Fussball-Nationalmannschaft. Sie sind, anders als Dänemark, nicht in der EU. Die Demokratie ist direkt wie bei uns und die EU wird, so ist hier zu erfahren, als Hort der Kontrolle und Korruption abgelehnt.