Lars Weibel darf bleiben und warum nicht Luca Cereda als U20-Nationalcoach?
Das Bild einer Rockband eignet sich vortrefflich, um die Lage rund um unsere Eishockey-Nationalmannschaft zu illustrieren: Der bisherige «Frontman» Patrick Fischer (50) wird die Bühne zum Saisonende nach der Heim-WM 2026 verlassen und das Mikrofon silbrig poliert zurücklassen. Der neue Sänger ist bereits verpflichtet und dem Publikum artig vorgestellt worden: Jan Cadieux (45), bislang der Dirigent des U20-Nationalteams und bei der letzten WM Fischers Assistent.
Der Frontman ist das Gesicht und die zentrale Bühnenfigur, die im Rampenlicht steht, die Band bzw. die gesamte Sportabteilung des Verbandes repräsentiert und mit seiner Strahlkraft dafür sorgt, dass falsche Töne im Hintergrund überhört werden.
Der neue Verbandspräsident Urs Kessler (63) hat damit Wort gehalten. Er wollte die Trainerfrage noch vor dem Vierländerturnier in Zürich (Donnerstag bis Sonntag im Swiss Life-Tempel) geklärt haben.
Und siehe da: Nach anfänglichem Gemurmel und zaghaftem Quengeln haben sich alle Beteiligten dem Wunsch ihres neuen Obmannes gebeugt und Patrick Fischer hat wie gewünscht frühzeitig seine Zukunft geregelt.
Bei den NL-Klubs keimte derweil die Hoffnung, der neue Präsident könnte nebenbei gleich noch den Sportdirektor austauschen. Lars Weibel (51), seit 2019 im Amt, ist bei den Klubs nicht unbedingt zur Lieblingsfigur gereift. Spätestens seit er im Juli 2023 das Prospect Camp eigenmächtig abgesagt hat. Mangels Talenten, wie er sagte. Ein Argument, das als «Talent-Lüge» in die Verbandsgeschichte eingegangen ist. Im vergangenen Juli hat Patrick Fischer mehr als 30 (!) hoffnungsvolle junge Spieler ins Prospect Camp nach Davos berufen.
Die Hoffnung der Klubgeneräle wird sich nicht erfüllen. Aus den Verbandsbüros wird gemeldet, Urs Kessler habe entschieden, dass Lars Weibel bleibt. Punkt.
Der Entscheid mag auf den ersten Blick erstaunen. Der neue Obmann hätte sich bei den NL-Klubs beliebt gemacht, wenn er Lars Weibel vor die Türe gestellt hätte. Auf den zweiten Blick ist es eine weitsichtige, politisch weise Entscheidung mit diplomatischer, ja machiavellistischer Eleganz: Der neue Nationaltrainer Jan Cadieux wird in grossen Schuhen stehen und bei den WM-Turnieren der nächsten Jahre werden Final-Qualifikationen mehr denn je ein Wunder sein.
Weil die «silberne» Spielergeneration älter wird. Kritik am Nationaltrainer wird wohl unvermeidlich sein und dann ist es im Falle eines Falles hilfreich, wenn diese Kritik auf den Sportdirektor umgeleitet werden kann. Um es boshaft und polemisch zu sagen: Lars Weibel als diskreter Blitzableiter.
Anders verhält es sich mit dem U20-Nationaltrainer. Diese Position wird, da Jan Cadieux zum künftigen «richtigen» Nationaltrainer befördert worden ist, neu besetzt. Lars Weibel lässt ausrichten, man werde erneut auf einen Schweizer setzen. Die Ernennung erfolge erst nach der U 20-WM im neuen Jahr. Wie aus den Verbandsbüros gemeldet wird, sei diese Personalie offen und das Rekrutierungsprogramm habe noch nicht begonnen. Diese Personal-Bühne ist also noch so leer wie vor Konzertbeginn, wenn die Roadies die letzten Kabel verlegen.
Dabei ist gerade dieser Posten einer der heikelsten im ganzen sportlichen Verbands-Orchester: Der U20-Coach ist Scharnier und Übersetzer zwischen Nachwuchs und Elite, zugleich Assistent und Vertrauter des Nationaltrainers bei Weltmeisterschaften. Und er ist den Launen der Jahrgänge ausgeliefert wie ein Segler dem Wind. Die Leistungsschwankungen können dramatisch sein. Die goldenen Zeiten mit Talenten wie Janis Moser, Akira Schmid, Tim Berni, Philipp Kuraschew, Sandro Schmid und Marco Lehmann liegen bereits fünf Jahre zurück – damals erreichten die Schweizer mit diesen Talenten bei der wichtigsten Nachwuchs-WM nach einem 2:0 gegen Schweden letztmals den Halbfinal.
Idealerweise bringt der U20-Nationalcoach Erfahrung im «richtigen» Hockey mit. Also dort, wo Resultate nicht akademisch, sondern existenziell sind.
Und siehe da: Ein Kandidat drängt sich beinahe auf. Luca Cereda (44), soeben in Ambri nach sieben Jahren freiwillig abgetreten. Einer mit natürlicher Autorität, viel Erfahrung in einem schwierigen Umfeld und einem feinen Gespür, wie junge Spieler gefordert und gefördert werden können. Und in diesem Falle ist ein neuer Mann mit reicher Trainer-Erfahrung im Liga-Alltag besser als eine interne Besetzung ohne Front-Praxis im Klubhockey.
Luca Cereda zeigt sich interessiert und sagt:
Gespräche mit Klubs oder gar Offerten? Noch keine.
Auch politisch wäre Luca Cereda ein spannender Name. Sein rühriger Agent Sven Helfenstein bekäme mit ihm endlich einen Fuss in jene Verbandsbüros, deren Türen bisher vor allem für die Konkurrenz offen waren: für Gaëtan Voisard, Agent von Jan Cadieux, und für Daniel Giger, Berater und Freund von Patrick Fischer.
Der neue Präsident hat bereits im Fall von Patrick Fischer für eine kluge Nachfolgeregelung gesorgt. Er wird auch bei dieser Personalie nicht falsch entscheiden ...
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