Seit mindestens zwei Monaten ist sogar für Beobachter, die durch hohe, schneebedeckte Berge oder Ozeane vom Ort des Geschehens getrennt leben, klar: Luganos Trainer Luca Gianinazzi und seine Operetten-Assistenten Krister Cantoni, Paolo Morini und Kalle Kaskinen sind heillos überfordert. Das Experiment der Bescheidenheit, der Versuch, zu werden wie Ambri, war bereits Ende Oktober komplett gescheitert.
Dieses Experiment ist nicht zu kritisieren. Vielmehr verdient Präsidentin Vicky Mantegazza Lob für ihren Mut, unkonventionelle, überraschende Wege zu gehen und eine neue, eine andere Kultur aufzubauen. Scheitern ist nie eine Schande. Weil nur die Mutigen scheitern.
Aber unentschuldbar ist die Art und Weise, wie die Krise gemanagt wird. Seit zwei Monaten wissen alle in der Kabine und im Büro von Sportdirektor Hnat Domenichelli, dass der Trainer gescheitert ist. Nach dem Grundsatz «Gouverner c’est prévoir» (wird in jedem Volkshochschul-Seminar für Führungskräfte vermittelt) hatten Hnat Domenichelli und Klubmanager Marco Werder mindestens zwei Monate Zeit, sich vorzusehen, sich zu überlegen, wen sie im Falle einer Trainerentlassung engagieren könnten. Und Marco Werder konnte darüber hinaus mit Präsidentin Vicky Mantegazza bei einem Espresso darüber nachsinnen, wer wohl als neuer Sportdirektor in Frage kommen kann.
Und nun sind Luca Gianinazzi, seine Assistenten und Sportdirektor Hnat Domenichelli – endlich - ihren Ämtern enthoben worden. Oder wer es zynisch mag: Sie sind von ihren «Leiden» erlöst worden. Jetzt steht Lugano führungslos da. Kein neuer Coach, kein neuer Sportchef. Eines der ruhmreichsten Hockeyunternehmen der lateinischen Schweiz, eine der teuersten Mannschaften der Liga und damit Europas steht führungslos da.
Ein Vakuum im Sportchefbüro, in der Kabine und an der Bande und Lugano segelt in der grössten Krise seiner neueren Geschichte im Blindflug durch Nacht, Sturm und Nebel. Hoffentlich ist es Marco Werder wenigstens gelungen, von Hnat Domenichelli alle wichtigen Szene-Telefonnummern zu bekommen. Das ist – scusa l‘espressione – ganz einfach lächerlich und ein Verrat an der ruhmreichen Geschichte des Klubs.
Es geht im Sport darum, jeden Tag ein Maximum aus den gegebenen Möglichkeiten herauszuholen. Dieses «wir schauen jetzt mal» ist akutes Führungsversagen. Und das Abrutschten auf den zweitletzten Platz die daraus resultierende grösste sportliche Schmach seit dem Wiederaufstieg. In Lugano wird die köstlichste und teuerste «Opera buffa» unserer Hockeygeschichte aufgeführt. Und die Verantwortlichen merken es immer noch nicht. Vicky Mantegazza und ihre Entourage sehen sich nach wie vor als umsichtige Intendanten von Mozarts «Don Giovanni» oder Richard Wagners «Tannhäuser».
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Lugano kann wieder «grande» werden. Aber nur durch das, was die Nordamerikaner «Housecleaning» nennen: also durch eine Neubesetzung aller Positionen im sportlichen Betreuungs- und Führungsbereich. Eine Rückkehr zum Erfolg ist nur dann möglich, wenn ein neuer Sportchef und ein neuer Trainer die Chuzpe haben, Präsidentin Vicky Mantegazza das Betreten der Kabine und die Entgegennahme von Spielerklagen zu untersagen. Sie ist so klug, dass sie diese Massnahme verstehen und tief im Herzen sogar begrüssen würde. Sie kann sich am Beispiel von Walter Frey orientieren, der auch über Milliarden verfügt und bei den ZSC Lions den Vorsitz hat, aber im Tagesgeschäft einem kompetenten Manager und Sportchef freie Hand lässt.
Nur so, nach dem ZSC-Muster, wird es gelingen, eine neue Leistungskultur aufzubauen. Von seiner DNA, von seiner Geschichte und Kultur her kann sich Lugano gar nicht an Ambri orientieren. Das überaus interessante und nun in Gottes Namen halt gescheiterte «Experiment Bescheidenheit», dieser Versuch, zu werden wie Ambri – das war sowieso immer irgendwie so, als wolle die UBS eine gemeinnützige, nicht gewinnorientierte Institution werden.
Lugano ist – wie der SCB, wie die ZSC Lions, wie der HCD – dem meisterlichen Ruhm seiner Geschichte verpflichtet. Dieser Ruhm ist ein denkbar anspruchsvolles Erbe. Aber glücklich kann Lugano nur werden, wenn es diese Herausforderung nach den Irrungen und Wirrungen der letzten Jahre wieder kompromisslos annimmt.
Nun musste richtigerweise gehandelt werden.
Lugano hat einen zu schlechten Kader. Heutzutage musst du über (sehr) gute Torhüter verfügen, Top Ausländer haben, (sehr) gute CH -Spieler und gute Nachwuchsspieler. Da ist Lugano in der Breite ggn. anderen Mannschaften schlecht zusammengestellt. Deshalb bin ich sehr froh darüber, dass auch Domenichelli gehen muss.
Forza Lu!