Irgendwann gehen einem die Superlative aus, für die Leistung von diesem Teufelskerl. So ging es auch SRF-Moderator Paddy Kälin, der Marco Odermatt nach dessen Erfolg im Riesenslalom von Adelboden verzweifelt um Hilfe bat: «Was soll man Sie noch fragen?» Eine Antwort darauf hatte auch der 27-jährige Weltcup-Dominator nicht, für den es bereits das 42. Siegerinterview seiner Karriere war.
Als ersten Skifahrer gelangen Marco Odermatt im legendären Riesenslalom am Chuenisbärgli vier Siege in Serie. Dementsprechend ausgelassen war die Stimmung beim Publikum, das nicht nur Odermatt, sondern dank Loïc Meillard gar einen Schweizer Doppelsieg feiern durfte. Thomas Tumler als Vierter und Luca Aerni als Siebter vervollständigten ein hervorragendes Teamergebnis für Swiss Ski.
Der Höhepunkt dieses einmal mehr grossartigen Ski-Fests war wohl, als Marco Odermatt im Interview mit dem offiziellen Kanal der FIS gemeinsam mit den 15'000 Fans in Adelboden das «Vogellisi» sang – wenn es auch aufgrund der Verzögerung an den Lautsprechern zu Problemen mit der Synchronität kam und an Weltklasse-Athlet Odermatt wohl kein grosser Sänger verloren gegangen ist.
Dass es aber zu diesem Moment und überhaupt zu einem erfolgreichen Weltcup-Wochenende in Adelboden gekommen ist, lag am Entscheid der Veranstalter, das Programm kurzerhand umzustellen. Am Mittwoch teilten sie mit, dass der Riesenslalom neu am Sonntag und nicht wie üblich am Samstag stattfinden werde. Im Gegenzug werde der Slalom einen Tag vorverschoben. Der Grund dafür waren die Wetterprognosen für den Samstag, die keinen «fairen Riesenslalom» erlauben würden. Besonders für den oberen Bereich der Piste wurde eine schlechte Sicht vorhergesagt, ausserdem war mit Schneefall zu rechnen.
Die kurzfristige Programmänderung rief viele negative Reaktionen hervor. Odermatt-Fans, die ein Ticket für den Riesenslalom vom Samstag besassen, mussten nun mit dem Slalom vorliebnehmen. Der Ärger war so gross, dass sich die Veranstalter um Geschäftsleitungsmitglied Christian Haueter zu einer Rechtfertigung gezwungen sahen. Es sei unmöglich, den ganzen Event innert zweier Tage umzuplanen und dafür zu sorgen, am Sonntag 25'000 Menschen unter sicheren und guten Bedingungen empfangen zu können. Auch Odermatt wandte sich an seine Fans und versprach: «Meine Slalomkollegen werden am Samstag genauso Gas geben.»
Rückblickend dürfen sich die Veranstalter auf die Schultern klopfen. Der Entscheid erwies sich als goldrichtig. Die Wetterprognosen bewahrheiteten sich an beiden Tagen. Der Slalom am Samstag fand bei Nebel und Schneefall statt, die Bedingungen hätten keinen Riesenslalom, dessen Start sich weiter oben befindet, erlaubt. Die Fans, die ein Ticket für den Samstag besassen, wären leer ausgegangen.
So konnten sie hingegen ein bis zum Schluss spannendes und dramatisches Rennen der Stangenkünstler verfolgen. Der Franzose Clément Noël triumphierte zwei Hundertstelsekunden vor dem seit dieser Saison für Brasilien startenden Lucas Pinheiro Braathen und 14 Hundertstelsekunden vor dem Norweger Henrik Kristoffersen. Österreichs Manuel Feller schied als Führender nach dem 1. Lauf aus. Zwar sorgte das Aus von Loïc Meillard für einen Dämpfer, doch bot sich den Zuschauerinnen und Zuschauern dennoch ein grosses Spektakel und die Stimmung war hervorragend.
Noch einmal getoppt wurde das Ganze dann am Sonntag, als mit dem Riesenslalom das Highlight des Weltcup-Wochenendes in Adelboden anstand. Nach dem aus Schweizer Sicht etwas enttäuschenden Rennen vom Samstag mit einem achten Platz von Tanguy Nef als bestes Resultat, gab es echte Schweizer Festspiele.
Schon nach dem 1. Lauf war klar, dass es ein grosser Tag für Swiss Ski werden könnte. Loïc Meillard führte, Marco Odermatt war Dritter und Thomas Tumler lauerte auf Platz 5. Am Ende verbesserten sich Odermatt sowie Tumler noch und musste sich Meillard nur dem grossen Publikumsliebling geschlagen geben. Dieser hatte danach ein bisschen ein schlechtes Gewissen, dass sein Teamkollege wieder einmal das Nachsehen hatte.
So richtig jubeln wollte Marco Odermatt nach der Zieleinfahrt von Meillard nicht. Er hätte dem Neuenburger den Sieg gegönnt. Deshalb war seine Freude zunächst etwas gedämpft. Dann stimmte er das «Vogellisi» an. Und 15'000 Fans sangen mit.