Ein Team, das einen Lauf hat, gewinnt dieses Spiel. Erst recht, nachdem Toni Rajala in der zweitletzten Sekunde des zweiten Drittels das 2:1 gelungen ist. Aber ein Team in der Krise verliert. Die ZSC Lions siegen in Biel in der Verlängerung 3:2.
Es ist die Eigendynamik des Mannschaftssportes: Krisen produzieren weitere Niederlagen, Höhenflüge weitere Siege. Manchmal wissen die Sieger noch weniger als die Verlierer, wie ihnen geschieht. Erst recht in einem so unberechenbaren Spiel auf rutschiger Unterlage.
Die Krise des Vorjahresfinalisten ist in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich. Kein Sieg nach 60 Minuten in den letzten zehn Partien. Dafür neun Niederlagen. Und nur ein einziges Mal haben die Bieler in diesen zehn Spielen vier oder mehr Tore erzielt. Zum Vergleich: Im Herbst 2022 feierten sie zehn Siege hintereinander und erzielten neunmal vier oder mehr Tore.
Ein neuer Trainer, eine neue Spielphilosophie. Vereinfacht erklärt: Unter Petri Matikainen ist die Intensität im Training und im Spiel (stärkeres Forechecking) hochgefahren worden. Steht die Krise damit im Zusammenhang? Zumindest ist ein Zusammenhang nicht ganz auszuschliessen. Die Liste der verletzten Spieler zu einem so frühen Zeitpunkt ist ungewöhnlich lang: Gegen die ZSC Lions fehlten Captain Gaëtan Haas (31), Damien Brunner (37), Luca Hischier (28) und Fabio Hofer (32), und im Laufe des Spiels fiel auch noch Luca Cunti (34) mit Rückenbeschwerden aus.
Der Mangel an Mittelstürmern war so gross, dass Nationalverteidiger Robin Grossmann zum ersten Mal als Center eingesetzt worden ist – mit 36 Jahren. «Am Sonntag habe ich erfahren, dass ich in dieser Position spielen werde», schildert Grossmann. Er sei nervös gewesen: «Ich habe doch noch nie ein Bully gespielt und die Laufwege sind ja auch ganz anders.» Er habe als Junior und ein paar Mal in Davos (2008 bis 2014) zuletzt als Stürmer gespielt, aber als Flügel. Das sei wesentlich einfacher.
Das Experiment ist geglückt: Zwischen dem soeben neu verpflichteten, lettischen Nationalstürmer Rihards Bukarts beendete Grossmann die Partie mit einer neutralen Bilanz. Der flinke Läufer war ein smarter Defensiv-Center.
Mit ziemlicher Sicherheit wäre bei jedem anderen Vorjahresfinalisten nach 9 Niederlagen in 10 Spielen der Trainer das zentrale Thema. In Biel ist Petri Matikainen nach wie vor unbestritten. Auf die Frage eines welschen Chronisten, ob der Trainer jetzt um seinen Job bangen müsse, sagt Sportchef Martin Steinegger nach der Niederlage gegen die ZSC Lions leicht gereizt, nun ende das Interview mit einer dummen Frage.
Biels Trainer steht noch nicht zur Debatte. Die Mannschaft ist nach wie vor intakt. Das Spiel gut strukturiert. Einen «System-Zusammenbruch» hat es noch nicht gegeben. Wir sehen: Diese Krise ist ziemlich kompliziert. Es ist schwierig, einen Sündenbock zu finden, dessen Auswechslung alle Probleme lösen würde. Biels Kultur der Vernunft wird einem Stresstest unterzogen.
Noch ist die Zeit ein Freund: Wir sind im Oktober. Abgerechnet wird erst im Frühjahr, wenn die Bäume schon neue Blätter haben. Jeder Trainer hat eine bestimmte Anzahl Niederlagen zugute. Diese Zahl ist in Biel einiges höher als an anderen Orten. Allerdings nicht unbegrenzt.
Biels Krise lenkt die Aufmerksamkeit auf eine Besonderheit, die eigentlich nie öffentlich thematisiert, geschweige denn dramatisiert wird. Es geht um die Doppelspiele Freitag/Samstag oder Samstag/Sonntag mit zwei Partien in der Zeitspanne von 24 Stunden. Meistens mit einem der beiden Spiele auswärts.
Auch andere Ligen kennen diese Belastung, aber mit Ausnahme von Finnland viel weniger intensiv. Ein NL-Klub hat im Laufe der 52 Qualifikationsrunden in der Regel fast doppelt so viele Doppelspiele in 24 Stunden als ein NHL-Team in einer Qualifikation über 82 Partien.
Immer wieder weisen Sportmediziner im Gespräch auf die Problematik dieser Spielplangestaltung hin. Aus einem simplen Grund: Die Erholungszeit für die Spieler sei zu kurz. Gegen solche Bedenken stellen sich die Ligamanager taub.
Nun ist es unmöglich, einen direkten Zusammenhang zwischen Verletzungen und ungenügender Erholungszeit herzustellen. Der Beweis, dass zwei Spiele in 24 Stunden eine zu starke Beanspruchung sind, kann nicht erbracht werden. Aber die Frage ist eben doch: Könnte es sein, dass es eher zu Verletzungen kommt, wenn die Erholungszeit zu kurz ist? Weil Konzentration oder Reaktionsschnelligkeit in einzelnen Situationen nachlassen oder weil Muskeln und Bänder weniger strapazierfähig sind? Erst recht bei älteren Spielern?
Ist Biel durch die Umstellung auf ganz klar intensiveres Hockey, mit mehreren wichtigen Spielern, die 30 Jahre alt und älter sind und mit der Zusatzbelastung durch die Champions League im Herbst 2023 verletzlicher geworden als in den letzten Jahren? Und dadurch auch ein Opfer unseres ganz besonderen Spielplanes mit bereits fünf Doppelspielen für die Bieler bis Ende Oktober? Darüber nachzudenken lohnt sich. Auch im Interesse unseres Hockeys.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
5,2
09.22
5,2
09.23
5,2
01.24
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
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