Grosse Vermögen werden oft in Zeiten der Krise gemacht. Wer zielstrebig durch eine Welt geht, die ein wenig aus den Fugen geraten ist, kommt weit. Es ist zwar ein wenig bösartig, die ZSC Lions als «Krisengewinner» zu bezeichnen. Aber diese Bezeichnung trifft die Sache am besten.
Die Zürcher haben die Turbulenzen der letzten Monate auf und neben dem Eis am besten gemeistert. Sie haben alle neun Vorbereitungsspiele gewonnen, auch die gegen die Topteams Zug (7:4) und zweimal gegen Davos (3:1 und 5:3). Sie sind trotz eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten im Hallenstadion dazu in der Lage, allen Dauerkartenbesitzern Einlass zu gewähren. Weil das Hallenstadion auch in normalen Zeiten nur Sitzplätze hat.
Die Besitzer des Klubs um den Milliardär Walter Frey haben die «Kriegskasse» für eine Transferoffensive aufgefüllt. Mit Sven Andrighetto ist der begehrteste Spieler auf dem Transfermarkt gleich mit einem Fünfjahresvertrag nach Zürich geholt worden. Nicht zuletzt deshalb, weil der einzige ernsthafte Konkurrent – der EV Zug – wegen eines selbstverordneten Personalstopps auf dem Transfermarkt nur zögerlich aufgetreten ist. Obwohl auch EVZ-Präsident Hans-Peter Strebel ein Milliardär ist. Womöglich haben die Zuger den Titel im Sommer verspielt.
Die ZSC Lions starten als klare Favoriten in die neue Saison. Seit den Zeiten des «Grande Lugano» in den späten 1980er-Jahren hat es im Playoff-Zeitalter (seit 1986) nie mehr einen so klaren Titelanwärter gegeben. Zwar schien schon einmal nichts und niemand die ZSC Lions aufhalten zu können. Das war nach dem Titelgewinn von 2018. Meistertrainer Hans Kossmann blieb nicht an Bord. Aber Sportchef Sven Leuenberger machte die Meistermannschaft durch geschickte Transfers noch besser. Und dann scheiterten die Zürcher grandios und erreichten nicht einmal die Playoffs. Wenigstens war die Unterhaltung grandios und die Krisensaison bescherte Arno del Curto den letzten Auftritt als Hockey-Rockstar.
Im letzten Frühjahr sind die Zürcher nicht Meister geworden wie 2018. Sondern «nur» Qualifikationssieger. Aber sie sind die «gefühlten» Meister des Jahres ohne Playoffs. Warum ist die Absturzgefahr jetzt so viel geringer als vor zwei Jahren? Im Unterschied zur echten Meistersaison 2017/18 ist der Trainer geblieben. Der charismatische Rikard Grönborg wird kein Ruhen auf den Lorbeeren dulden. Der Verlust von Liga-Topskorer Pius Suter ist durch den Transfer von Sven Andrighetto kompensiert.
Weil Pius Suter in die NHL wechselt, dürfen ihn die Zürcher durch einen 5. Ausländer ersetzen. Er verbringt seine Wartezeit auf den NHL-Saisonstart bei den GCK Lions. Mit dem Farmteam trainiert und spielt er. Obwohl ein Einsatz bei den ZSC Lions möglich wäre. Aber ein so wichtiger Spieler, der voraussichtlich im November schon wieder gehen wird, hilft nicht bei der Entwicklung der Mannschaft.
Die ZSC Lions haben mit Präsident Walter Frey einen Milliardär als Mäzen. Die besten Spieler, den besten Trainer, den besten Präsidenten und ab dem Herbst 2022 mit der neuen Arena das beste Stadion. Also gehört es sich, auch alles zu tun, um in jeder Hinsicht exzellent und das beste Hockey-Unternehmen im Land zu sein. Sonst ist man eines Milliardärs und eines neuen Stadions nicht würdig.
So ist die Erwartungshaltung in Zürich eben höher und die tägliche Arbeit anspruchsvoller, als wenn man sich als kapitalistischer Wolf unter dem Schafspelz der Budgetdisziplin, des Ligawohls oder den Bemühungen um eine Lohnbegrenzung tarnt. ZSC-Manager Peter Zahner ist als Verfechter des freien Marktes und des Leistungsprinzips auf und neben dem Eis gegen eine Salärbegrenzung. Diese Einstellung lebt er vor und setzt sie in seinem Unternehmen durch.
Im Juli 2022 ist die Eröffnung des neuen Stadions geplant, das bessere wirtschaftliche Bedingungen eröffnet als das Hallenstadion und die Abhängigkeit von betriebsfremden Zuschüssen verringern wird. Der Bau dieser Arena in der Stadt Zürich ist eine Meisterleistung des Managements. Die Gefahr, dass aus den ZSC Lions ein «Lugano des Nordens» wird (zu viel Geld, zu wenig Geist) ist gering. Das ehrliche Bekenntnis zu Spitzenleistungen ist eine der Stärken dieser Organisation. Meistertitel beginnen im Kopf der Chefetage.
Das ist der Unterschied zu Lugano (seit 2006 nie mehr Meister) und zu Zug (bisher nur 1998 Meister), zwei Hockeyunternehmen, die auch durch milliardenschwere BesitzerInnen alimentiert werden. Aber die es nicht mehr oder noch nicht schaffen, ein Maximum aus ihrem grossen Potenzial herauszuholen.
Letzte Saison waren die Zürcher die Besten. Wie es sich gehört. Und doch sind sie nicht Meister geworden. Sie gewannen die Qualifikation. Aber die Playoffs mussten abgesagt werden. Meister ist nach wie vor der SC Bern, der nicht einmal die Playoff-Qualifikation geschafft hat. Für die ZSC Lions ein unhaltbarer Zustand, der nun korrigiert werden soll.
Alles klar? Nein. Die Zukunft, die nächste Saison, gehört auch im Eishockey keinem. Aber die ZSC Lions haben alles dafür getan, dass ihnen die nächste Saison gehören wird.
Platz 1.
Keine Ahnung wieso Zürich klarer Favorit sein soll. Streitet ja keiner ab, dass der Titel das eigentliche Ziel ist, aber so eindeutige Favoriten wie hier beschrieben, gibt es nicht in dieser Liga.
Ich freu mich jedenfalls, dass es los geht. 🏒🥅