Paterlini über Philosophie und Flexibilität im Eishockey: «Dann sind alle Ideen futsch»
«Wenn die Spielerkarriere vorbei ist, hat man das Gefühl, sofort als Nati-A-Trainer starten zu können», sagt Thierry Paterlini. Das sei bei ihm nicht anders gewesen. «Ich hatte das Gefühl, alles übers Eishockey zu wissen, und kannte meine zwölf Übungen fürs Training», erzählt der 50-Jährige vor dem Duell heute Abend gegen Servette (19.45 Uhr, TV 24 und im watson-Liveticker) in der neusten Folge des «Roost/Röthlisberger – Hockey-Talk».
Der Werdegang des Zürchers als Trainer war dann aber ein anderer. Zuerst schnupperte er ein Jahr bei der U20 von Sierre als Assistent, dann übernahm er die Erstligamannschaft sowie die Elitejunioren des EHC Bülach als Cheftrainer. Ein Jahr später war er immer noch in Bülach, durfte aber auch schon als Assistent von Nationaltrainer Patrick Fischer bei der A-Nati walten. Daraufhin blieb Paterlini beim Verband, übernahm zuerst die U18-, dann die U20-Nati. Nach zwei Jahren beim HC La Chaux-de-Fonds landete er schliesslich bei den SCL Tigers, wo er bereits mitten in seiner vierten Saison als Cheftrainer steckt.
Paterlini hat sich seine Sporen als Trainer also abverdient – und dabei einiges gelernt. Das Informationsbedürfnis sei überall ungefähr gleich, egal ob es sich bei den Spielern um Amateure oder Nati-Stars wie Roman Josi handle. «Ansonsten habe ich gemerkt, dass man als Spieler nicht alle Perspektiven kennt», erklärt der 50-Jährige. Ihm sei bewusst geworden, dass man auch von der Trainerbank nicht alles sehe. «Der Spieler muss innert Zehntel- oder Hundertstelsekunden auf dem Eis eine Entscheidung treffen. Das ist etwas ganz anderes, als wenn ich es in der Zeitlupe analysiere und 15 Mal zurückspulen kann.»
Aus diesen Gründen würden die SCL Tigers im Training nicht mehr auf Übungen mit klar definierten Laufwegen setzen. Die Laufwege seien frei und die Gegenspieler zufällig positioniert. «Dann braucht es den Spielwitz und die Adaption des Spielers auf den Gegner», erklärt Paterlini. So könne die Entscheidungsfindung in diesen kritischen Situationen trainiert werden.
Überhaupt sieht der Langnau-Trainer in der Zukunft ein etwas anderes Hockey, das weniger positionsbezogen gespielt wird. «Ich glaube, die Spieler werden ihre Positionen viel situativer ausüben», sagt Paterlini. «Wenn fliegend gewechselt wird, rückt vielleicht ein Verteidiger nach vorne, dafür sichert ein Stürmer hinten ab.» Der Tigers-Coach setzt diese Idee auch bei der eigenen Mannschaft ein und erhofft sich so eine Tempoverschärfung gegenüber Mannschaften, die eher abwarten, bis alle Spieler in ihren angestammten Positionen sind.
Bei seinen Ideen möchte Paterlini sich auch nicht vom Kader einschränken lassen. «Man muss es einfach ausprobieren. Entweder man schafft es gemeinsam, oder halt eben nicht», ist seine Philosophie. Auch möchte er sich sein Spiel nicht vom Gegner diktieren lassen. «Natürlich wollen wir dem Gegner nicht in die Karten spielen. Aber wenn wir unser Spiel durchziehen, dann haben wir in jedem Spiel eine Chance auf den Sieg», sagt der Zürcher.
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Ein anderes wichtiges Element für jeden Eishockey-Trainer ist Flexibilität. Dies musste Thierry Paterlini auch diese Saison wieder auf die harte Tour lernen: «Man startet mit Ideen in die Saison und wenn sich dann Juuso Riikola im ersten Einsatz die Leiste zerreisst und für 20 Spiele nicht zur Verfügung steht, ist alles, was man sich im Sommer ausgedacht hat, futsch.»
Überhaupt sei die Linienzusammenstellung eine komplizierte Sache. Im Grundsatz brauche es in jeder Linie Wasserverdrängung und eine gewisse defensive Stabilität. «Torgefahr bringst du meist nicht in allen Linien hin – oder es ist zumindest für uns schwieriger als vielleicht für andere Teams», sagt Paterlini. Daneben spielen natürlich auch Einsätze in den Special Teams eine Rolle: «Die Trainer wie auch die Spieler müssen flexibel bleiben.»
Seine gesammelten Trainer-Erfahrungen möchte Thierry Paterlini dereinst gerne einmal in einer anderen Rolle einbringen: als Schweizer Nationaltrainer. «Ich habe immer gesagt, dass ich das gerne machen würde», sagt der Zürcher. Er glaube aber nicht, dass er im nächsten Frühling ein Angebot erhalten werde: «Ich glaube, da wird bald eine Entscheidung gefällt. Patrick Fischer macht das momentan ja gut, deshalb glaube ich, dass es so weitergeht.»
