Die Schweiz wird als Gold-Kandidat wahrgenommen. Selbst schwedische und finnische Beobachter, die ja wahrlich etwas vom Weltmeisterwerden verstehen, sehen die Schweizer als mögliche Weltmeister.
Diese hohe Wertschätzung ist logisch. Die Grossen (Kanada, Schweden, Finnland, Tschechien, USA, Slowakei) sind nominell eher durchschnittlich besetzt. Die Titanen aus der NHL fehlen weitgehend. Grosse NHL-Stars stehen in den Reihen der Schweizer. Nach der Ankunft von Kevin Fiala hatte es bei der Medienkonferenz mehr ausländische als helvetische Berichterstatter und Berichterstatterinnen. Die Schweiz ist so etwas wie das Team der Stunde.
Wer ein wenig abergläubisch ist, kann auf die Magie der Zahlen verweisen: Fünf Jahre dauerte es vom ersten (2013) zum zweiten WM-Final (2018). Nun sind wieder fünf Jahre vergangen.
Inzwischen stellen ausländische Berichterstatter die Frage nach dem WM-Titel. Am Donnerstag treten die Schweizer gegen die Slowaken an. Also warten nach der Partie gegen Kasachstan slowakische Reporter auf Nino Niederreiter und Patrick Fischer. Und stellen die Frage nach dem ganz grossen Ziel WM-Titel. Was noch vor 25 Jahren geradezu lächerlich gewesen wäre, ist nun für die internationale Hockeywelt logisch, richtig und selbstverständlich.
Der Captain und der Coach der Nationalmannschaft stehen dazu, dass sie das grosse Ziel anstreben. Mit einer ruhigen Sachlichkeit. Es ist das neue Selbstvertrauen der Schweizer. Nicht bloss ein Lippenbekenntnis. Es wird spürbar, dass alle daran glauben, dass es möglich ist.
Viel zum Respekt der Konkurrenz trägt das Auftreten der Schweizer in den drei ersten Partien bei. Früher waren solche Spiele Schlüsselpartien auf dem Weg zum grossen Ziel Viertelfinal. Nun waren es perfekte Testspiele für die folgenden Ernstkämpfe gegen die Slowakei (Donnerstag), Kanada (Samstag), Tschechien (Sonntag) und Lettland (Dienstag).
Die Schweizer haben diese Pflicht mit Maximalnoten für Taktik, Tempo und Disziplin erledigt: 7:0 gegen Slowenien, 3:0 gegen Norwegen und nun 5:0 gegen Kasachstan. Nie in Gefahr, wenig Torchancen für den Gegner, zum dritten Mal kein Tor kassiert und – das ist für die kommenden Ernstkämpfe besonders wichtig – mit Toren auch der «offensiven Hinterbänkler». Was tatsächlich eine despektierliche Formulierung ist. Aber treffend eine Stärke dieses WM-Teams erklärt: Die offensive Feuerkraft verteilt sich inzwischen auf elf verschiedene Torschützen.
Nationaltrainer Patrick Fischer hat Vorbereitung und Formaufbau verändert: Das Pulver soll nicht mehr in den Gruppenspielen «verschossen» werden. Die Höchstform wird für den Viertelfinal angestrebt. Der erste Schritt ist den Schweizern in den drei Pflichtpartien gelungen.
Theoretisch und fachtechnisch haben wir auch im Urteil der Konkurrenz das beste WM-Team unserer Geschichte. Wir sind dem Gold, dem ersten WM-Titel, so nah wie noch nie.
Aber so gut die Aussichten, so gross der Respekt der Grossen, so professionell die Vorbereitung, so perfekt der bisherige Turnierverlauf – erreicht haben die Schweizer noch nichts. So gesehen sind wir dem Gold so nahe und doch so fern.
Eishockey ist ein unberechenbares Spiel auf einer rutschigen Unterlage, geleitet von Schiedsrichtern, die das Recht auf Fehler haben wie jeder Spieler auch.
Aber eines ist klar: Selbst ein Scheitern im Viertelfinal wird nur ein Zwischenhalt auf dem Weg zum WM-Titel sein. Diese Spielergeneration kann es schaffen.
Aber tatsächlich sind die grossen Nationen eher weniger stark (vom Namen her jedenfalls) besetzt wie vergangene Jahre. Somit wäre durchaus ein Halbfinale und dann mit dem nötigen Einsatz, Wille und Wettkampfglück noch mehr drin.
Hopp schwiiz!