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Biels grandioser Sieg und ein ZSC-Trainer mit wehmütigen Erinnerungen

Biel?s Jere Sallinen, center, celebrates after scoring a goal 3-1 with Biel?s Robin Grossmann, left, and Biel?s Toni Rajala, right, during the Champions Hockey League match between Switzerland's  ...
Biel besiegt Tappara Tampere spektakulär.Bild: KEYSTONE
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Biels grandioser Sieg und ein ZSC-Trainer mit wehmütigen Erinnerungen

Eine rauschende Hockey-Ballnacht in Biel und ein interessantes Wiedersehen mit einem ehemaligen ZSC-Coach. Rikard Grönborg lebt mit seiner Hallenstadion-Vergangenheit wahrscheinlich noch nicht ganz in Frieden.
18.10.2023, 06:5918.10.2023, 15:07
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In Rapperswil-Jona hat der finnische Meister und Champions League-Sieger Tappara Tampere ein Spiel verloren (2:4). In Biel ist das finnische Spitzenteam gedemütigt worden (3:6).

Die Bieler liegen mit 19 Punkten Rückstand auf Tabellenführer Gottéron auf dem 9. Platz. Nun haben sie Tappara Tampere (mit 6 Punkten Vorsprung Tabellenführer der finnischen Liga) vorgeführt. Die Partie ist für beide wichtig: Dem Verlierer droht, je nach Resultaten des Mittwochs, das vorzeitige «Aus» in der Champions League. Tampere und Biel müssen gewinnen.

Ein Hockeyabend, an den wir uns noch in vielen Jahren erinnern werden. Die Bieler geraten früh 0:2 in Rückstand. Ein Tor in Unterzahl zum 1:2 leitet die Wende ein. Ein zweites Tor in Unterzahl wird Biel später den Sieg zum 5:3 definitiv sichern.

Ein Team, das in der National League um seine Form ringt, «zerlegt» den Leader der Liga aus dem Land des Weltmeisters und Olympiasiegers – also einen Titanen des Welteishockeys – und ist zu Wasser, zu Land und in der Luft überlegen. Taktisch, technisch, läuferisch und physisch mindestens auf Augenhöhe. Ebenbürtig bei fünf gegen fünf (2 Tore). Besser im Boxplay (zwei Tore in Unterzahl) und im Powerplay (2 Tore in Überzahl): Der eindrückliche Tatbeweis, wie gut die National League auch im internationalen Vergleich ist. Eine der weltweit besten Ligen neben der NHL.

Biels Leitwolf Gaëtan Haas ist der beste Spieler auf dem Eis: Dominant, effizient, Torschütze plus Vorbereiter eines zweiten Treffers in Unterzahl. Yannick Rathgeb ist zwar ein defensiver Hallodri, aber Torschütze plus Vorbereiter eines zweiten Tores im Powerplay. Und es ist nicht so, dass die Leitwölfe über Gebühr forciert werden. 20 Minuten Eiszeit werden keinem zugemutet. Luca Christen, der zu Beginn der Saison oft auf der Tribüne sass, assistiert in Unterzahl zum siegsichernden 5:3 und geht mit einer +2-Bilanz vom Eis. Biel, wie an einem guten Abend, singt und lacht und tanzt. Ist dieser Sieg ein Befreiungsschlag? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Am Freitag kommt Lugano. Wer 8:0 in Langnau gewinnt, wird auch in Biel tapfer sein.

Es wäre noch viel zu rühmen. Aber es gibt auch eine interessante Geschichte über den Gegner zu erzählen. Oder besser: Über den gegnerischen Coach. Bei Tappara Tampere steht seit dieser Saison Rikard Grönborg an der Bande. Vorher fast vier Jahre bei den ZSC Lions. Vorher zweimal Weltmeister mit Schweden.

Tappara's capatain Kristian Kuusela, centre, celebrates with the rest of the team after winning the Champions Hockey League final ice hockey match between Lulea Hockey and Tappara Tampere at Coop ...
Tampere wurde letztes Jahr finnischer Meister.Bild: keystone

Er ist nach der Niederlage keineswegs frustriert und schon gar nicht aufgebracht oder zornig. Ein charismatischer «Bandengeneral» ist er nach wie vor. Aber er wirkt lockerer, freundlicher und gesprächiger als meistens während seiner Zeit in Zürich. Als Demütigung will er die Niederlage nicht verstanden haben. Er anerkennt Biels Qualitäten, die er ja aus seiner Tätigkeit als ZSC-Coach kennt, relativiert aber die Niederlage: «Vom Team, das letzte Saison die Meisterschaft und die Champions League gewonnen hat, sind nur noch sieben Spieler dabei.»

Das tönt nach Neuaufbau mit neuen, jungen Spielern. «Ja, das ist meine Aufgabe.» Wegen verschiedener Absenzen habe er in Biel vier Junioren eingesetzt, die noch nicht 20 Jahre alt sind. Auf die Bemerkung, er tue jetzt also genau das, was er in vier Jahren in Zürich hätte tun sollen, unterlassen habe und wohl auch deshalb im letzten Dezember gefeuert und durch Marc Crawford ersetzt worden sei, kommt er rhetorisch in Schwung.

Zwischen Rikard Grönborg und dem Chronisten kommt es zu folgendem Gedankenaustausch: «Welchen jungen Spieler habe ich denn in Zürich übersehen und nicht eingesetzt?» – «Hm, na ja, also es kommt mir spontan kein Name in den Sinn.» – «Sehen Sie! Es hat keine gegeben, die ich hätte einsetzen können.» – «Nun ja, aber Sie haben offenbar den Fehler gemacht, dass Sie nie zu einem Spiel des Farmteams oder der Junioren gegangen sind. Das ist als Desinteresse interpretiert worden. Marc Crawford macht das schlauer, er geht zu solchen Spielen.»

Das lässt Rikard Grönborg so nicht gelten. «Ja, das stimmt, ich war bei solchen Spielen nie im Stadion. Aber ich habe mich intensiver für die jungen Spieler interessiert und mich mehr mit den Trainern der Nachwuchsmannschaften und des Farmteams ausgetauscht als jeder andere ZSC-Coach.» Rikard Grönborg, der Förderer und Kümmerer des ZSC-Nachwuchses.

ARCHIVBILD ZUM TRAINERWECHSEL BEI DEN ZSC LIONS --- Headcoach Rikard Groenborg trainiert die Mannschaft im ersten Eistraining der ZSC Lions in der Swiss Life Arena am Dienstag, 6. September 2022 in Zu ...
Grönborg wurde beim ZSC entlassen.Bild: keystone

Ganz offensichtlich schmerzt ihn die Verweigerung einer Vertragsverlängerung in Zürich und dann die Entlassung ausgerechnet während der Festtage (am 28. Dezember) immer noch ein wenig. Er gesteht: «Ja, der Abschied aus Zürich hat weh getan. Ich wäre gerne in Zürich geblieben.»

Nun ist er also bei Tappara Tampere der erste ausländische Cheftrainer seit 16 Jahren und baut ein neues Team auf. Abgesichert ist er mit einem Dreijahresvertrag. Mit einer Entlassung wie in Zürich muss er nicht rechnen. Er sagt, in Tampere werde nicht emotional entschieden. Sondern mit kühlem Verstand.

Diese Feststellung ist kein Seitenhieb auf das ZSC-Management. Rikard Grönborg ist ein Mann mit Charakter und Stil und so billige Polemik ist ihm abhold. Tappara Tampere ist nach den ZSC Lions erst sein zweites Profiteam. Zuvor war er in Nordamerika Juniorentrainer und in Schweden für den Verband auf verschiedensten Stufen als Nationaltrainer beschäftigt. Gab es nach Zürich eigentlich keine anderen Offerten als die aus Tampere? «Doch, es gab andere Möglichkeiten. Aber ich wollte nicht nach Schweden zurück.» Tampere sei für ihn eine neue Herausforderung und zugleich eine Chance für hockeytechnische Weiterentwicklung.

Lernen auch mit 55. Den Traum, vielleicht doch eines Tages einen Job in der NHL zu bekommen, hat er noch nicht aufgegeben. Er hat im Vertrag eine NHL-Ausstiegsklausel.

Es geht natürlich nicht ganz ohne noch ein wenig Salz in eine Wunde zu streuen und ein bisschen scheinheilig zu fragen: «Die Finalniederlage gegen Zug haben Sie wohl nicht vergessen?» Die ZSC Lions verloren 2022 den Final gegen Zug nach einer 0:3-Führung noch 3:4. Was im Profihockey weltweit seit 1943 in einem Final einer Profiliga nie mehr vorgekommen war.

Oh ja, er erinnert sich. Auf einmal sind wir zurück in der Zeit. «Das war wirklich bitter. Ich hatte mit den ZSC Lions bis zu diesem Final nie viermal hintereinander verloren.» Und schon sind wir bei der Analyse dieser legendären Titelentscheidung. Es ist, als sei alles erst letzte Woche passiert. Warum es so gekommen ist und nicht anders. Rikard Grönborg räumt ein: «So knapp es auch war, aber Zug war einfach besser.»

Diese lebhaften und ein wenig auch wehmütigen Erinnerungen veranlassen den Chronisten zu einer etwas boshaften Bemerkung: «Diese Finalniederlage muss wirklich noch immer schmerzen, dass Sie sich so gut an so viele Details erinnern.» Rikard Grönborg hält inne, muss ein wenig schmunzeln und sagt dann mit einer Prise Selbstironie: «Ich habe eben ein gutes Gedächtnis. Das war schon in der Schule so.»

Was nicht darüber hinwegtäuscht, dass er mit seiner ZSC-Vergangenheit wahrscheinlich noch nicht ganz in Frieden lebt.

  • Stürmer
  • Verteidiger
  • Torhüter
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Nation Flag

Aktuelle
Note

  • 7

    Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.

  • 6-7

    Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.

  • 5-6

    Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.

  • 4-5

    Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.

  • 3-4

    Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.

  • Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.

5,2

09.22

5,2

09.23

5,2

01.24

Punkte

Goals/Assists

Spiele

Strafminuten

  • Er ist

  • Er kann

  • Erwarte

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quelle: keystone / ennio leanza
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25 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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bullygoal45
18.10.2023 07:41registriert November 2016
Wir schauen dann nach der ersten K.O. Runde wer die zweitbeste Liga nach der NHL ist. ;-)
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RuBisCO
18.10.2023 09:16registriert Oktober 2021
Rappi hatte den Finnischen Meister CHL Sieger, den Schwedischen Meister und den Tschechen Meister in der Gruppe und nie in im Vollbestand gespielt. Trotzdem sind sie sind im Achtelfinale. Das wäre auch mal ein paar Worte des Eismeisters wert. Aber für diesen hört die Hockeylandkarte an der Berner Kantonsgrenze auf.
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Think Twice
18.10.2023 08:20registriert Februar 2019
Ici c‘est Bienne. Naja, ich habe ein über weite Strecken überlegenes Tampere gesehen… der Unterschied war, dass Biel trotz Kampf und Chrampf Bandenhockey (anstatt wie letzte Saison Lauf und Tempohockey) diesmal das Glück des Toreschiessenden auf seiner Seite hatte… Aber egal, der Sieg war grandios und hat sehr viel Freude gemacht.
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