Die Aufregung ist gross. Aber nicht im Epizentrum von Fribourg-Gottéron. Im Bauch des neuen Tempels. Christian Dubé (44) managt Gottérons Sportabteilung nun schon im siebten Jahr. Seit dem 4. Oktober 2019 hat er auch das Traineramt übernommen und vereinigt alle sportliche Macht auf sich. Sportchef und Cheftrainer in Personalunion: Eigentlich nicht mehr zeitgemäss. Gibt es so nur noch bei Gottéron. Hier gehen die Uhren anders. Christian Dubé hat sie zurückgestellt.
Wie nur bewältigt er die Doppelbelastung? Andere Klubs beschäftigen allein für die Führung der Sportabteilung gleich mehrere Spezialisten. In Bern gibt es eine strategische Führung und einen Sportchef plus einen «Rat der Weisen» aus Talentsuchern. Andere Klubs sichern sich im Mandat zusätzlich zum Sportchef den Rat von NHL-Scout Thomas Roost.
Christian Dubé sagt, er erledige diese Arbeit zusammen mit Gerd Zenhäusern. «Gerd kümmert sich um die Administration.» Und wer entscheidet, ob ein Spieler verpflichtet oder ein Vertrag verlängert wird? «Ich.» Er verlasse sich auf sein Urteilsvermögen.
In Anlehnung an den Sonnenkönig Louis XIV («l'état c'est moi») darf Christian Dubé denken «Gottéron c'est moi». Ab und an diskutiere er noch mit Gerd. Dabei halte er sich an das vom Präsidenten vorgegebene Budget und er lasse sich nicht auf Preistreiberei ein. Chris DiDomenico geht, weil er beim SCB mehr Geld bekommt. So einfach ist es manchmal.
Wir sind scheinbar vom Thema abgekommen. Aber nur scheinbar. Dieser Pragmatismus, diese Professionalität, prägt Gottérons Sportabteilung, die Spielweise und die Gemütslage rund ums Team. Der HC Fribourg-Gottéron ist schon so oft gescheitert, weil in den Büros und in der Kabine die Emotionen über die Ufer traten, die die Mannschaft durcheinandergebracht oder gelähmt haben. Ach, vorbei die wilden Zeiten, als der Sportchef im Stadion dicke Zigarren schmauchte und die Ehrenbezeichnung «Die Zigarre» trug und der Präsident persönlich mit dem Helikopter zu Transferverhandlungen einschwebte.
Nun ist es so ruhig wie nie seit dem Aufstieg von 1980. Ein Augenschein, nur noch wenige Tage bis zum Playoffstart. Christian Dubé sagt: Kein Problem, er habe Zeit für ein Gespräch. «Kommen Sie einfach nach dem Training vorbei.» Er bittet um pünktliches Erscheinen. Weil er dann noch einen wichtigen Termin habe. Es wird wohl eine Teamsitzung sein. Oder ein Motivationsanlass. Aber so ist es nicht. Nach unserem Gespräch führt er eine Schulklasse durchs Stadion. Zeigt den Kindern die Kabine und im Medienraum gibt er eine kurze Lektion. Mit einer freundlichen Ruhe, als sei jetzt Sommerpause. Die Erregungen und Aufregungen der Playoffs sind weit, weit weg.
Die Gelassenheit des Mannes mit der grössten Arbeitsbelastung in unserem Hockey – Sportchef und Trainer – ist echt. Die Ruhe vor einem meisterlichen Sturm oder einem neuerlichen Kollaps wie vor einem Jahr, als die Viertelfinals gegen Servette schon nach fünf Spielen zu Ende waren?
Noch eine Episode. «La Liberté», eine der besten Lokalzeitungen im Land, produziert einen Podcast. Ein neutraler Chronist und zwei intime, langjährige Kenner von Gottéron diskutieren über die anstehenden Playoffs. Arbeitstitel: «Kann Gottéron Meister werden?»
Die Chancen werden erörtert und nach fast einer Stunde scheint klar: Gottéron kann Meister werden. Dann der Offenbarungseid. Jeder soll sagen, wer Meister wird. Ohne zu zögern werden Zug oder die ZSC Lions genannt. Aber warum denn nicht Gottéron?
«Ach», sagt einer der langjährigen Kenner, «wir hoffen und wünschen und so sehr den Titel und glauben daran, dass es gelingen wird. Aber wir wissen halt aus Erfahrung: Es reicht nicht.» Und er nennt eine Statistik: Die Lakers haben im letzten Frühjahr in sechs Tagen gegen Lugano mehr Playoff-Spiele gewonnen (nämlich vier) als Gottéron in den letzten sieben Jahren (nämlich drei). Aber Gottéron ist neben Lugano und Ambri der einzige Klub, der seit Einführung der Playoffs (1986) ununterbrochen in der höchsten Liga spielt.
Wünsche. Hoffnungen. Glaube. Gottéron, nicht einfach ein Sportunternehmen. Eine Institution, fast so tief verwurzelt in der Stadt und im Kanton wie die Katholische Kirche. Ohne Kathedrale zwar, aber mit einem neuen Hockey-Tempel. Da sind Titel gar nicht so wichtig.
Gelingt nun die erste Halbfinal-Qualifikation seit 2014? Gar der erste Final seit 2013? Theoretisch hat Gottéron sogar alles, um zum ersten Mal in seiner Geschichte den Titel zu holen: Den Präsidenten, den Sportchef, den Coach, den Torhüter, die Ausländer, die Leitwölfe mit Schweizer Pass, die Tiefe im Kader und natürlich das Publikum.
Mit Lausanne beschert das Schicksal Gottéron für die erste Runde allerdings den schwierigsten Gegner. Der LHC hat bereits in der Qualifikation drei von fünf Direktbegegnungen gewonnen. Das Problem: Das Umfeld mag in Lausanne unruhig sein. Aber die Spieler können sich zusammenraufen, emotional, rau und unberechenbar spielen. Mit Christophe Bertschy und Ronalds Kenins in der dritten Linie ist die Ausgeglichenheit gross.
Mit Jiri Sekac führt ein Leitwolf die Offensive, der allen Ausländern Gottérons auf Augenhöhe entgegenzutreten vermag. Und kein Schuft, wer vermutet, dass Chris DiDomenico Gegenspieler haben wird, die hinter ihm her sein werden wie der Teufel hinter einer armen Seele.
Der Verstand sagt, dass Gottéron diese Serie trotz allem gewinnt, das Bauchgefühl aber warnt: «Attention!»
Wenn Gottérons Romantiker den Viertelfinal überstehen, ist alles möglich. Vielleicht ist es eben doch die Ruhe vor einem meisterlichen Sturm.
Item, Allez Gottéron!!!